JudikaturJustiz7Ob596/57

7Ob596/57 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Januar 1958

Kopf

SZ 31/7

Spruch

Der Vertrag über die Aufstellung eines Musikautomaten in einem Kaffeehaus, wobei der Kaffeehausbesitzer keinen Anspruch auf einen Anteil an den Einspielergebnissen hat, ist kein Leihvertrag. Kein Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB.

Entscheidung vom 8. Jänner 1958, 7 Ob 596/57.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der als "Leihvertrag" bezeichnete Vertrag vom 8. September 1955 wurde von Engelbert T. im Namen der Klägerin mit dem Beklagten geschlossen. Nach Abschluß dieses Vertrages wurde im Kaffeehaus des Beklagten ein Musikautomat Marke S., Modell HF 100, aufgestellt und in Betrieb genommen. Dieser Musikautomat wurde am 7. Juli 1956 einverständlich gegen einen S.-Musikautomaten, Modell V 200, ausgetauscht; ein neuer Vertrag wurde hiebei nicht abgeschlossen. Nach Inhalt des Vertrages vom 8. September 1955 ist die Klägerin verpflichtet, im Kaffeehaus des Beklagten einen fabriksneuen Musikautomaten aufzustellen und durch drei Jahre, d. i. bis einschließlich 8. September 1958, aufgestellt zu lassen; sie hat den Service-Dienst an dem Musikautomaten sowie die technische Betreuung und den Plattenwechsel kostenlos durchzuführen und die Spesen wie Lustbarkeitsabgabe, Musikabgabe und laufende Versicherungsspesen zu tragen. Der Beklagte dagegen ist verpflichtet, für den Musikautomaten einen im Einvernehmen mit der Klägerin festgelegten Raum und Standort zur Verfügung zu stellen, eine geeignete Anschlußmöglichkeit für den Automaten zu schaffen und den Lichtstrom kostenlos beizustellen, außerdem aber alle den Betrieb des Musikautomaten hindernden Maßnahmen zu unterlassen und während der dreijährigen Vertragsdauer in seinem Betrieb keinen anderen Musikautomaten als einen solchen der Klägerin aufzustellen oder käuflich zu erwerben. Der Klägerin steht ein Recht auf vorzeitige Lösung des Vertrages nur bei Unrentabilität zu, die sie bei Weigerung der Rückstellung des Automaten beweisen müßte; für den Beklagten ist ein Recht auf vorzeitige Lösung des Vertrages nicht vorgesehen.

Der Beklagte stellte den Musikautomaten der Klägerin ab und stellte einen anderen Automaten in seinem Kaffeehaus auf.

Das Berufungsgericht verurteilte den Beklagten in teilweiser Abänderung des Urteiles des Erstgerichtes, die Aufstellung eines Musikautomaten Marke S., Modell V 200, durch die Klägerin und die Inbetriebnahme und Inbetriebhaltung für die Zeit bis einschließlich 8. September 1958 zu dulden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zu den Einwendungen des Beklagten, die sich auf § 977 ABGB. und § 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB. grunden, hat schon das Erstgericht zutreffend erkannt, daß sie in einem unlösbaren Widerspruch zueinander stehen, da der Beklagte einerseits aus der angeblichen Unentgeltlichkeit des Vertrages die Anwendbarkeit des § 977 ABGB. ableitet und andererseits behauptet, daß die von ihm als Entgelt zu erbringenden Leistungen in auffallendem Mißverhältnis zu den von der Klägerin zu erbringenden Leistungen stunden. In Wahrheit liegt weder das für den Bestand eines Leihvertrages wesentliche Merkmal der Unentgeltlichkeit noch das behauptete Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Der von beiden Seiten durch den Abschluß des Vertrages angestrebte wirtschaftliche Zweck ist klar:

die Klägerin wollte durch die Lieferung eines Spielapparates Einspielergebnisse erzielen und das in dem Apparat investierte Kapital fruchtbringend verwerten. Dazu bedurfte sie der Gegenleistung eines Cafetiers, der sich verpflichtete, den Apparat in seinem Kaffeehaus aufzustellen. Die Klägerin fand diesen Partner in der Person des Beklagten, der mit der Einstellung des Apparates in seinem Kaffeehaus den wirtschaftlichen Zweck verfolgte, den Umsatz des Kaffeehausbetriebes zu heben. Daß die Hebung des Umsatzes durch Einstellung eines Spielapparates grundsätzlich möglich ist, zeigt die Erfahrung. Zur grundsätzlichen Bejahung dieser Frage hätte es gar nicht des vom Prozeßgericht durchgeführten Sachverständigenbeweises bedurft. Ob es für den Beklagten wirtschaftlich war, den Aufstellungsvertrag abzuschließen, war eine Frage der geschäftlichen Kalkulation. Hier handelt es sich überhaupt nicht darum, ob die Leistung des Beklagten, die im wesentlichen in der Duldung der Aufstellung des Apparates und der Tragung der Stromkosten Bestand, zur Leistung der Klägerin in einem Mißverhältnis stand, sondern vielmehr darum, ob die Aufstellung des Apparates im Hinblick auf die nach der Aufstellung eintretende Entwicklung des Betriebes des Beklagten als wirtschaftlich angesehen werden konnte. Lag hier eine Fehlspekulation des Beklagten vor, kann diese nicht durch Heranziehung des § 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB. ausgeglichen werden. Eine solche Fehlspekulation konnte übrigens gar nicht hinsichtlich der Wirkung auf die Entwicklung des Kaffeehausbetriebes erfolgt sein, da der Beklagte, wäre diese Wirkung eine ungünstige gewesen, nicht einen anderen Apparat gekauft und in seinem Betrieb aufgestellt hätte. Mit Recht haben daher auch die Unterinstanzen von der Aufnahme von Beweisen über die Auswirkung der Aufstellung des Automaten auf den Geschäftsbetrieb des Beklagten abgesehen. Die Fehlspekulation des Beklagten kann nur darin gelegen sein, daß er das Ausmaß der mit dem Apparat zu erzielenden Einspielergebnisse unterschätzt hat und ihm nun die Erkenntnis gekommen ist, er könnte ein Geschäft in gewinnbringender Weise auf eigene Rechnung betreiben, dessen Betreibung er der Klägerin überlassen hatte. Daß der Beklagte sich von solchen Erwägungen leiten läßt, geht aus den Ausführungen der Revision hervor. Sie können aber niemals dazu führen, daß der Beklagte mit Erfolg aus diesem Gründe unter Berufung auf die Bestimmung des § 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB. die Zuhaltung des von ihm geschlossenen Vertrages verweigern kann.