JudikaturJustiz7Ob513/95

7Ob513/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Mai 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dragoslav M*****, vertreten durch Dr.Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei mj.Arijana M*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie in Innsbruck, dieses vertreten Dr.Josef Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, und die Nebenintervenientin seitens der beklagten Partei Fikreta M*****, vertreten durch Dr.Henriette Achammer-Stadler, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen Rechtsunwirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 28.September 1994, GZ 4 R 44/94-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 20.Dezember 1993, GZ 3 C 87/93-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die in Bosnien geborene Nebenintervenientin ist die uneheliche Mutter des am 25.3.1985 in Österreich geborenen beklagten Kindes. Das Kind besitzt die bosnisch-herzegowinische Staatsbürgerschaft. Der Kläger, der Staatsbürger der serbischen Teilrepublik ist, hat am 12.11.1985 vor dem Bezirksgericht Innsbruck die Vaterschaft zum beklagten Kind anerkannt. Er ist nicht der leibliche Vater dieses Kindes. Er ist aufgrund der blutserologischen Merkmale in insgesamt vierfacher Weise ausgeschlossen.

Die Mutter des Kindes hatte am 22.5.1984 beim Bezirksgericht Innsbruck zu Protokoll gegeben, daß der Kläger der Vater der von ihr am 15.3.1984 geborenen unehelichen Tochter Aldijana M***** sei, daß er jedoch kein Vaterschaftsanerkenntnis abgeben wolle. Der Kläger gab bei seiner Einvernahme am 12.7.1984 an, daß er seit etwa Mai 1983 gelegentlich mit der Nebenintervenientin geschlechtlich verkehrt habe, daß sie aber in dieser Zeit auch mit anderen Männern Kontakt gehabt habe und er sich vorstellen könne, daß sie auch mit diesen geschlechtliche Beziehungen gehabt habe. Er könne nicht sagen, wieso die Nebenintervenientin ihn als Vater angebe. Daraufhin wurde das Bezirksjugendamt zum Kollisionskurator für die mj.Aldijana M***** zur Führung eines Verfahrens auf Feststellung der Vaterschaft des Klägers bestellt. Die betreffende Klage wurde am 17.5.1985 beim Bezirksgericht Innsbruck eingebracht.

Inzwischen hatte die Nebenintervenientin das hier beklagte Kind Arijana zur Welt gebracht. Das hiefür ebenfalls zum Kollisionskurator bestellte Bezirksjugendamt Innsbruck brachte auch hinsichtlich dieses Kindes gegen den Kläger eine Vaterschaftsklage ein. Die Nebenintervenientin bezeichnete den Kläger auch als Vater dieses Kindes. Er erklärte deshalb in der Tagsatzung vom 11.9.1985, daß er bereit sei, ein Vaterschaftsanerkenntnis abzugeben. Am 12.11.1985 anerkannte der Kläger die Vaterschaft sowohl hinsichtlich Aldjana als auch hinsichtlich des hier beklagten Kindes Arijana. Er glaubte damals, daß er der Vater sei.

Aufgrund verschiedener Vorkommnisse in den letzten Monaten des Jahres 1990 begann der Kläger an seiner Vaterschaft zu Aldjana zu zweifeln. Er brachte am 17.12.1990 eine Klage auf Rechtsunwirksamkeit seines Vaterschaftsanerkenntnisses hinsichtlich Aldjana ein. Erst im Zuge dieses Verfahrens wurde die Nebenintervenientin als Zeugin vernommen. Sie sagte aus, daß der Kläger der Vater aller ihrer (damals) insgesamt vier Kinder sei. Nachdem ein eingeholtes blutserologisches Gutachten die Vaterschaft des Klägers zu Aldjana ausschloß, erklärte das Bezirksgericht Innsbruck mit Urteil vom 18.3.1992 das seinerzeitige Vaterschaftsanerkenntnis des Klägers hinsichtlich Aldjana für rechtsunwirksam. Dieses Urteil erwuchs Ende April 1992 in Rechtskraft, nachdem eine seitens des Kindes Aldjana eingebrachte Berufung mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 30.10.1992 als verspätet zurückgewiesen wurde.

Am 15.6.1992 versuchte Svetlana C*****, eine gute Bekannte der Nebenintervenientin, das hier beklagte Kind Arijana durch Ertränken im Inn sowie durch Schläge mit einer Schneeschaufel auf den Kopf zu ermorden. Dies gab Svetlana C***** erstmals anläßlich ihrer Vernehmung am 18.12.1992 zu, wobei sie die Nebenintervenientin als Anstifterin bezeichnete. Svetlana C***** sagte weiters aus, daß ihr die Nebenintervenientin gesagt habe, daß alle ihre (mittlerweile) fünf Kinder jeweils einen anderen Vater hätten und daß der Vater der mj.Arijana ein gewisser "B*****" sei. Von dieser Aussage der Svetlana C***** erfuhr der Kläger erstmals, nachdem der Klagevertreter am 3.6.1993 Einsicht in den Akt 3 P 198/84 des Bezirksgerichtes Innsbruck und insbesondere in das dort in Kopie erliegende Einvernahmeprotokoll der Svetlana C***** genommen hatte und den Kläger hievon verständigte. Damals erfuhr der Kläger, daß er nicht der Vater aller fünf Kinder der Nebenintervenientin sei.

Am 22.7.1993 brachte der Kläger die Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses betreffend Arijana ein. Er sei durch die Behauptungen der Nebenintervenientin über seine Vaterschaft in die Irre geführt und nur dadurch zur Abgabe des Anerkenntnisses gebracht worden.

Das beklagte Kind und die Nebenintervenientin bestritten die Klagsbehauptungen und beantragten Klagsabweisung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Gemäß § 25 Abs.1 IPRG sei bosnisch-herzegowinisches Recht anzuwenden. Nach Art.119 des bosnisch-herzegowinischen Gesetzes über die Familie vom 29.5.1979 könne derjenige, der eine Vaterschaft anerkannt habe, jedoch später Kenntnis von Umständen erlange, die seine Vaterschaft ausschlössen, die Vaterschaft mit Klage bestreiten. Diese Klage sei jedoch innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Kenntnisnahme dieser Umstände, spätestens aber innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach Abgabe der Erklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses zu erheben. Nachdem diese Frist von fünf Jahren abgelaufen sei, sei die vorliegende Klage verfristet.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil im Sinn einer Klagsabweisung ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

Nach Art.5 Abs.1 IPRG umfasse die Verweisung auf eine fremde Rechtsordnung auch deren Verweisungsnormen. Art.41 des in der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) am 15.7.1982 ergangenen Gesetzes zur Lösung von Gesetzeskollisionen mit den Vorschriften anderer Staaten (Länder) für bestimmte Verhältnisse, das in den einzelnen Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawien und auch in Bosnien-Herzegowina weiter gelte, sei auf die Anerkennung, Bestätigung oder Anfechtung der Vaterschaft bzw. Mutterschaft das Recht des Staates anzuwenden, dessen Staatsangehörigkeit die Person, deren Vaterschaft oder Mutterschaft anerkannt, bestätigt oder angefochten werde, zur Zeit der Geburt des Kindes besessen habe. Demnach verweise Art.41 des in Bosnien-Herzegowina nach wie vor gültigen Gesetzes vom 15.7.1982 weiter auf das Recht nach dem Personalstatut des Klägers zur Zeit der Geburt des beklagten Kindes. Es sei daher serbisches Recht anzuwenden, zumal das ebenfalls nach wie vor in Serbien geltende zitierte Gesetz vom 15.7.1982 keine Weiter- oder Zurückverweisung mehr durchführe.

Nach Art.97 Abs.2 des serbischen Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 5.6.1980 könne eine Person, die die Erklärung über das Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben habe, die Nichtigerklärung der Erklärung verlangen, wenn die Erklärung durch Zwang hervorgerufen oder sie infolge von Täuschung oder Irrtum abgegeben worden sei. Nach Abs.3 dieser Bestimmung könne die Klage auf Nichtigerklärung der Erklärung innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Tag an, an dem der Zwang aufgehört habe, bzw. von dem Tag an, an dem der Irrtum erkannt worden sei, erhoben werden. Eine absolute Frist für die Erhebung der Klage auf Nichtigerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses sei im serbischen Gesetz über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 5.6.1980 nicht vorgesehen. Die vorliegende Klage auf Rechtsunwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses sei daher nicht schon von vorneherein verfristet, wie dies nach Art.119 des bosnisch-herzegowinischen Gesetzes über die Familie vom 29.5.1979 der Fall wäre.

Aus dem - vom Gericht zweiter Instanz ergänzend festgestellten - Sachverhalt ergebe sich, daß der Kläger von der Mutter des Kindes in Irrtum geführt worden sei, indem sie ihn als Vater bezeichnet und insbesondere erklärt habe, daß sie in der fraglichen Empfängniszeit mit keinem anderen Mann verkehrt habe. Der Irrtum des Klägers hinsichtlich seiner Vaterschaft sei erst aufgeklärt worden, als ihm die Aussage der Svetlana C***** bekannt geworden sei. Es lägen somit die Voraussetzungen nach Art.97 Abs.2 des serbischen Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 5.6.1980 für die Nichtigerklärung des seinerzeitigen Vaterschaftsanerkenntnisses vor, wobei die Klage auch innerhalb der in Abs.3 dieser Bestimmung normierten Frist eingebracht worden sei.

Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über das anzuwendende Recht hinsichtlich der Feststellung, der Anerkennung und der Bestreitung der Vaterschaft fehle, wenn das uneheliche Kind und der bestreitende Vater Staatsbürger verschiedener Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawien seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Da das Verfahren eine Auslandsbeziehung hat, ist, wie die Untergerichte zutreffend erkannt haben, zunächst zu prüfen, welches Recht anzuwenden ist. Das Verfahren hat keine Unterhaltsfragen zum Gegenstand. Dennoch könnte es streitig sein, ob das Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (BGBl 1961/293) zur Anwendung gelangt. Wollte man - wie etwa Schwimann (Internationales Zivilverfahrensrecht 124 f) - der Lösung zuneigen, daß der generellen Verdrängung des Vaterschaftsfeststellungsstatuts durch das Unterhaltsstatut der Vorzug zu geben sei, wäre angesichts des ständigen Aufenthaltsortes des Kindes in Österreich gemäß Art.1 des Unterhaltsstatutabkommens österreichisches Recht anzuwenden (vgl die diesbezüglichen Erwägungen in ZfRV 1987, 68 = ÖAV 1988, 44). § 164b ABGB sieht ebensowenig wie das serbische Recht eine absolute Befristung der Klage vor; vielmehr wäre nur zu prüfen, ob die dort genannten Voraussetzungen zur Bestreitung vorliegen und die Jahresfrist, die ab Entdeckung der Täuschung bzw des Irrtums beginnt, gewahrt wurde. Die Frage der Anwendbarkeit des Unterhaltsstatutabkommens braucht aber auch hier nicht abschließend gelöst werden, weil das Ergebnis nicht anders ist, wenn man die Vaterschaftsfeststellung mit reinen Standesfolgen (wie hier) dem Unterhaltsstatut nicht unterwirft. Es sind nämlich die diesbezüglichen rechtlichen Erwägungen des Gerichtes zweiter Instanz vollinhaltlich zu billigen.

§ 25 Abs.1 IPRG verweist hinsichtlich der Voraussetzungen der Feststellung und der Anerkennung der Vaterschaft sowie der Folgen fehlender Voraussetzungen ("Bestreitung") auf das Personalstatut des Kindes.

Das österreichische IPRG ist gemäß § 5 Abs.1 vom Grundsatz der Gesamtverweisung beherrscht (3 Ob 549/94 ua). Seine Verweisungen auf fremdes Recht richten sich also prinzipiell an dessen internationales Privatrecht. Davon macht zwar das Gesetz einige Ausnahmen, indem es auf die "Formvorschriften" (§§ 8, 16 Abs.2 IPRG) oder auf die "Sachnormen" der berufenen Rechtsordnung verweist (§§ 45 bis 47, § 11 Abs.1 IPRG). Der Bestimmung des § 25 IPRG kann aber weder dem Wortlaut noch dem Sinn nach eine Sachnormverweisung unterstellt werden (vgl Schwimann, Grundriß des IPR 39; ZfRV 1987, 68). Die Einordnung der Rechtsfrage bei Anwendung fremden Kollisionsrechts, wozu neben dem IPR auch das interlokale und interpersonale Privatrecht gehören, bleibt allein den Systembegriffen und dem Begriffsverständnis der jeweils maßgeblichen Kollisionsrechtsordnung anheimgestellt. Fremdes Kollisionsrecht ist gemäß § 3 IPRG im gleichen Umfang anzuwenden, wie es im betreffenden Ausland angewendet wird (Schwimann aaO, 41 mwN).

Vor dem Zerfall Jugoslawiens wurde bei Verweisung nach dem Personalstatut auf jugoslawisches Recht das maßgebende Recht wieder durch jugoslawisches interlokales Privatrecht bestimmt (3 Ob 513, 514/85; Duchek-Schwind IPR, 21, Anm.6 zu § 5 IPRG). Entsprechende interlokale kollisionsrechtliche Regelungen fanden sich im Gesetz betreffend die Entscheidung über Gesetzes- und Zuständigkeitskollisionen in Status-, Familien- und Erbbeziehungen vom 27.2.1979, aus dem unter anderem hervorging, daß für die Feststellung und Bestreitung der Vaterschaft bzw. Mutterschaft (primär) das Recht der Republik des autonomen Gebietes, auf dessen Territorium sich der Wohnsitz des mutmaßlichen Vaters bzw der mutmaßlichen Mutter befand, und mangels eines Wohnsitzes auf dem Territorium der SFRJ das Recht der Republik, deren Staatsangehöriger der mutmaßliche Vater oder die mutmaßliche Mutter war, maßgeblich war (Art.3 im Zusammenhang mit Art.28 dieses in Bergmann-Ferid, 60 L ff abgedruckten Gesetzes). Durch die inzwischen erfolgte Anerkennung der einzelnen (Teil )Staaten des ehemaligen Jugoslawien ist nunmehr entscheidend, ob und welche internationale Kollisionsnormen jener (Teil )Staat vorsieht, dessen Personalstatut das Kind hat. Da das in der SFRJ am 15.7.1982 ergangene Gesetz zur Lösung von Gesetzeskollisionen mit den Vorschriften anderer Staaten (Länder) für bestimmte Verhältnisse unbestritten in den einzelnen Teilstaaten weiterhin in Geltung steht, ist auf dessen Kollisionsnormen als Inhalt der Gesamtrechtsordnung des Personalstatutes des Kindes Bedacht zu nehmen. Art.41 dieses Gesetzes verweist hinsichtlich der Anerkennung, Bestreitung oder Anfechtung der Vaterschaft bzw Mutterschaft auf das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit die Person, deren Vaterschaft oder Mutterschaft anerkannt, bestätigt oder angefochten wird, zur Zeit der Geburt des Kindes besaß. Da der Vater Serbe ist und war, ist sowohl aufgrund des im Zeitpunkt der Geburt des Kindes geltenden interlokalen Privatrechtes Jugoslawiens als auch aufgrund der nunmehrigen Konstellation nach Zerfall Jugoslawiens serbisches Recht anzuwenden, dessen Kollisionsnormen nichts anderes vorsehen. Da in der vom Gericht zweiter Instanz zutreffend zitierten Bestimmung des Art.97 des serbischen Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 5.6.1980 keine absolute Befristung für die Klagsführung vorgesehen ist und die Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz, daß hier infolge Irreführung des Klägers die Voraussetzungen für die erfolgreiche Klage nach serbischem Recht zu bejahen sind, unbekämpft blieb, war der Revision insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.