JudikaturJustiz7Ob41/97y

7Ob41/97y – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. April 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Djordje Z*****, vertreten durch Dr.Peter Fichtenbauer ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Regina S*****, vertreten durch Dr.Heinz-Eckard Lackner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zustimmung (Streitwert S 130.000,--), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 23.Juli 1996, GZ 41 R 329/96b-17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3.Jänner 1996, GZ 43 C 454/94y-13, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben, die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Unstrittig steht fest:

Die Beklagte hat als damalige Eigentümerin der Wohnung top 23 im Haus S*****gasse ***** diese dem Kläger am 7.12.1992 vermietet (bereits im Mietvertrag war eine Ablöseverpflichtung der Vermieterin bei Kündigung für Verfliesung und Ausstattung von Dusche und Toilette, eventuell auch für die Kücheneinrichtung, nicht jedoch auch für Teppichböden [Holz-PVC-Böden] und geleistete Tapezierarbeiten [Malerarbeiten] vorgesehen, vgl. Beilage B). Der Kläger nahm einige Investitionen vor, weil sich die Wohnung in einem schlechten Zustand befand. Er ließ im Wohnzimmer einen Parkettboden, im Vorraum einen Filzbelag und in der Küche einen PVC-Belag verlegen, brachte Karniesen und Jalousien an und ließ Bad, Küche und WC verfliesen. Er baute eine Einbauküche ein, eine Duschtasse, zwei Schiebetüren und ein Badekästchen und ließ die WC-Muschel erneuern.

Im Zuge des von der Beklagten wegen Nichtzahlung des Mietzinses angestrengten Kündigungs- und Räumungsverfahrens wurde am 2.9.1994 folgender Vergleich geschlossen:

"1) Der Beklagte verpflichtet sich, die Wohnung top Nummer 23 im Hause ***** W*****, S*****gasse ***** bis 30.9.1994 zu räumen und geräumt von eigenen Fahrnissen unter Verzicht auf jedweden Räumungsaufschub an die Klägerin zu übergeben.

2) Die Klägerin verpflichtet sich, bei geräumter Übergabe der Wohnung im ordnungsgemäßen Zustand S 130.000,-- an Investitionsablöse an den Beklagten zu bezahlen. Die Bezahlung erfolgt in der Form, daß der Betrag von S 130.000,-- bis 30.9.1994 beim Klagevertreter treuhänderisch erlegt werden und dieser nach Verständigung durch den Parteienvertreter und die Klägerin über die ordnungsgemäße Übergabe der Wohnung vom Klagevertreter an den Beklagtenvertreter zur Überweisung zu bringen ist....

4) Mit Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches sind alle wechselseitigen Ansprüche bereinigt und verglichen."

Die Beklagte war sofort auf die Forderung des Klägers nach Zahlung einer Ablöse eingegangen.

Bestritten steht fest:

Das Erstgericht stellte aufgrund der von ihm als voll glaubwürdig erachteten Aussage der Beklagten unter gleichzeitiger Verneinung der Glaubwürdigkeit des Klägers fest, daß die Beklagte bei Vergleichsabschluß davon ausging, daß der Kläger die Kücheneinrichtung, Karniesen und Jalousien in der Wohnung belassen werde. Es folgerte im Rahmen der Beweiswürdigung, daß dem Kläger bewußt war, daß die vereinbarte Investitionsablösesumme nur dann gerechtfertigt ist, wenn diese Sachen in der Wohnung verbleiben. Die Klausel "geräumt von eigenen Fahrnissen" wurde wegen der von Untermietern des Klägers und vom Kläger selbst in der Wohnung belassenen (sonstigen) Sachen in den Vergleich aufgenommen. Bei der Übernahme der Wohnung am 30.9.1994 waren die Kücheneinrichtung, die Karniesen und die Jalousien nicht mehr vorhanden, weil sie der Kläger abmontiert hatte. Die Beklagte stellte daraufhin zwei Übergabeprotokolle aus (Beilage ./A und Beilage ./2), und zwar eine für sich und eine für den Kläger. Auf der zweiten, einer wortwörtlichen Abschrift der ersten Urkunde, vergaß sie das Wort "ordnungsgemäß" durchzustreichen. Aus dem weiteren Inhalt dieser Urkunde geht hervor, daß die Wohnung nicht ordnungsgemäß übernommen worden ist, weil nicht alle geforderten Investitionen in der Wohnung verblieben waren. Die Beklagte untersagte umgehend dem Treuhänder, den von ihr erlegten Betrag dem Klagevertreter auszubezahlen. Im Rahmen seiner Beweiswürdigung hielt das Erstgericht noch ergänzend fest, daß das Vergessen des Ausstreichens des Wortes "ordnungsgemäß" in der von der Beklagten hergestellten Kopie für den Kläger auf ihren Zeitdruck zurückzuführen war, weil sie wieder an ihre Arbeitsstätte zurück mußte.

Der Kläger begehrt die Zustimmung der Beklagten zur Ausfolgung des von ihr treuhändig erlegten Betrages. Er habe die Bedingungen durch die ordnungsgemäße Übergabe der Wohnung an die Beklagte erfüllt.

Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, der Kläger habe die Wohnung nicht ordnungsgemäß übergeben, sondern in einem völlig devastierten Zustand. Er habe alle namhaften Investitionen abredewidrig abmontiert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auch ein Vergleich sei anhand der Bestimmungen der §§ 914 ff ABGB auszulegen. Der Kläger habe als redlicher Erklärungsempfänger erkannt, daß die Beklagte ihre Zusage, eine Investitionsablöse von S 130.000,-- zu bezahlen, vom Verbleib der Kücheneinrichtung, der Jalousien und der Karniesen in der Wohnung abhängig gemacht habe. Dementsprechend habe er am 30.9.1994 die Wohnung nicht ordnungsgemäß übergeben. Trotz der vergessenen Ausstreichung des Wortes "ordnungsgemäß" auf der von der Beklagten für den Kläger angefertigten Gleichschrift des Übergabeprotokolles habe sich für den Kläger aus der gesamten Sachlage heraus ergeben, daß die Wohnung von ihm nicht im ordnungsgemäßen Zustand übergeben worden sei. Der Kläger habe daher nicht die Voraussetzungen für die Auszahlung des Treuhanderlages erfüllt.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung in eine Klagsstattgebung ab. Es erklärte die Erhebung der Revision für unzulässig. Da die Beklagte die Aufforderung des Erstgerichtes zur Abgabe einer Erklärung zur Beilage ./A damit beantwortet habe, daß sie die Echtheit zugestehe und zu deren Richtigkeit keine Erklärung abgebe, sei davon auszugehen, daß der Inhalt dieser Urkunde Bestandteil des unbestrittenen Parteivorbringens geworden sei. Stehe aber der Inhalt des Vergleiches und dessen Erfüllung durch den Kläger fest, brauche auf die in der Beweisrüge relevierte Frage der Glaubwürdigkeit der Parteien nicht eingegangen werden. Das Berufungsgericht übernehme daher den entscheidungswesentlichen Teil der erstgerichtlichen Feststellungen. Dementsprechend kam es zum rechtlichen Ergebnis, daß es auf die zum Vergleich führenden Überlegungen der Streitteile gar nicht ankomme und die Meinung der Beklagten, sie habe sich bei der dem Kläger übergebenen Niederschrift des Übergabsprotokolles geirrt, unerheblich sei, weil die Irrtumsanfechtung eines Vergleiches nur dann zulässig sei, wenn sie die Wesenheit der Person oder des Gegenstandes, nicht aber den von der Bereinigungswirkung erfaßten Teil betreffe. Die im Vergleich gebrauchte Wendung "Übergabe der Wohnung im ordnungsgemäßen Zustand" könne nur so verstanden werden, daß der Kläger alle von ihm eingebrachten Fahrnisse aus der Wohnung zu entfernen hatte. Er habe dies auch im Lichte der vereinbarten Investitionsablöse so sehen dürfen, weil sich eine solche nur auf Aufwendungen auf die Bestandsache selbst, nicht aber auch auf vom Mieter eingebrachte Gegenstände beziehen könne.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der Beklagten erhobene Revision ist zulässig und berechtigt. Zu Recht bemängelt die Beklagte die Folgerung des Berufungsgerichtes, sie habe die Richtigkeit des Inhaltes der Beilage ./A zugestanden, weil sie zur Richtigkeit keine Erklärung abgegeben habe. Eine Urkunde ist inhaltlich richtig, wenn das in ihr Beurkundete (Verfügte, Erklärte, Bezeugte), den Tatsachen entspricht. Anders als bei der Unterlassung einer Erklärung zur Echtheit (§ 312 ZPO; vgl auch Rechberger in Rechberger, Rz 3 zu § 298 ZPO) sind die Folgen der Unterlassung einer Erklärung zur Richtigkeit einer Privaturkunde gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Die Richtigkeit einer Privaturkunde gilt nicht etwa bereits als unbestritten, wenn der Gegner des Beweisführers es unterlassen hat, sich hiezu zu äußern. Die Beklagte als die Gegnerin des die Beilage ./A in der Tagsatzung vom 4.4.1995 vorlegenden Klägers hat ungeachtet der zunächst mangelnden Erklärung zur Richtigkeit dieser Urkunde noch in derselben Tagsatzung die Unrichtigkeit des Inhalts der Beilage ./A behauptet und hiezu die bis auf das durchgestrichene Wort "ordnungsgemäß" mit Beilage ./A gleichlautende Urkunde Beilage ./2 vorgelegt, zu deren Richtigkeit der Kläger erklärte, auf das eigene Vorbringen zu verweisen (vgl AS 29 in ON 10). Schon im vorbereitenden Schriftsatz vom 13.1.1995 (ON 8) hatte die Beklagte behauptet, daß im Übergabsprotokoll die nicht vereinbarungsgemäße Übergabe der Wohnung festgehalten worden sei (vgl AS 17 in ON 8). Unter diesen Umständen kann von einer Nichtbestreitung des in der Beilage ./A wiedergegebenen Sachverhaltes nicht die Rede sein. Dazu kommt noch der Schlußsatz der Beilagen ./A und ./2 "Die Wohnung wurde unter falschen Angaben übergeben", der einer ordnungsgemäßen Übergabe widerspricht. Die Beilagen ./A und ./2 wären daher, was ihren Inhalt betrifft, "beweisbedürftig" gewesen. Dem hat das Erstgericht in seinem Urteil entsprochen. Dagegen wurde eine Beweisrüge erhoben, die das Berufungsgericht zufolge einer unzutreffenden Rechtsmeinung nicht behandelt hat. Der Revision war daher Folge zu geben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.