JudikaturJustiz7Ob226/00m

7Ob226/00m – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann K*****, vertreten durch Dr. Roman Moser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen S 184.999,20 sA (Rekursinteresse S 154.166), über den Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 24. Mai 2000, GZ 2 R 35/00f-16, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 18. November 1999, GZ 2 Cg 42/99x-10, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.370,-- (darin enthalten S 1.395,-- USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger kam am 30. 9. 1997 nach 23.00 Uhr mit einem von ihm geleasten PKW, der bei der beklagten Partei vollkaskoversichert war, in einer Kurve von der Fahrbahn ab, worauf sich das Fahrzeug auf der angrenzenden Böschung überschlug und dabei beschädigt wurde. Der Kläger nimmt die Beklagte aus dem Kaskoversicherungsvertrag hinsichtlich der am PKW entstandenen Schäden in Anspruch. Die Beklagte wendete Leistungsfreiheit ein, weil der Kläger gegen die Obliegenheit des Art 5.3.1 der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden AFIB 1993 verstoßen habe. Es bestehe der konkrete Verdacht, dass sich der Kläger im Unfallszeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden und um dies zu verschleiern, unterlassen habe, den Unfall unverzüglich der nächsten Gendarmeriedienststelle zu melden.

Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Verstoß gegen die Meldepflicht nach § 4 Abs 5 StVO vorgeworfen und ist dabei davon ausgegangen, dass er beim verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall einen Sachschaden im Sinne der zitierten Gesetzesstelle verursacht habe. Dieser Ansicht liegt die Feststellung des Erstgerichtes zugrunde, beim Unfall seien keine fremden Sachen beschädigt worden, "mit Ausnahme einer leichten Abschürfung des Bodenbewuchses, die aber in diesem Bereich nicht weiter auffällig war und wegen der auch niemand Entschädigungsansprüche geltend machte". Das Berufungsgericht hat dazu anhand von Lichtbildern noch ergänzend ("konkretisierend") festgestellt, dass es sich bei der "leichten Abschürfung des Bodenbewuchses" um eine Zerstörung der Grasnarbe gehandelt habe, "welche sich durch einen etwa 1 bis 2 m2 großen, nahezu völlig kahlen Erdfleck auf der Wiesenböschung manifestierte"; darüber hinaus seien durch den Aufprall des sich überschlagenden PKW Unebenheiten entstanden. Daraus wurde vom Berufungsgericht gefolgert, es habe sich nicht bloß um geringfügige, ohne Kostenaufwand zu beseitigende und nicht als Beschädigung aufzufassende "Spuren" gehandelt, sondern um einen "echten Flurschaden", der ungeachtet des Umstands, dass seine geldmäßige Bewertung wohl keinen namhaften Betrag ergebe, als Sachschaden iSd § 4 Abs 5 StVO zu qualifizieren sei.

Die von ihm ausgesprochene Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof gegen seinen, den klagsstattgebenden Teil des Ersturteils (zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung) aufhebenden Beschluss hat das Berufungsgericht damit begründet, es könnte die Rechtsansicht vertreten werden, die Bejahung eines Sachschadens iSd § 4 Abs 5 StVO stehe im Widerspruch zu einer allenfalls aus der Entscheidung ZVR 1992/104 ableitbaren Bagatellgrenze bezüglich der Schadenshöhe, die überschritten sein müsse, damit eine Anzeigepflicht gegeben sei.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes, an dessen Ausspruch der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 526 Abs 2 ZPO) wird damit aber keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:

Rechtliche Beurteilung

In der vom Berufungsgericht erwähnten Entscheidung 7 Ob 33/91 (= ZVR

1992/104 = VR 1992, 259 = VersE 1523) hat der Oberste Gerichtshof

ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach stRsp vom Versicherungsnehmer nach einem Unfall (ua) im Fall einer wahrgenommenen Beschädigung von fremden Sachgütern "ohne jede Rücksicht auf die anscheinende Geringfügigkeit dieses Schadens" eine Gendarmerie- oder Polizeianzeige zu erstatten sei. Geringfügige Spuren, deren Folgen ohne Kostenaufwand beseitigt werden könnten oder vom Betroffenen gar nicht als Beschädigung aufgefasst würden, stellten keinen Sachschaden iSd § 4 Abs 5 StVO dar. Darunter fielen Spurrillen auf der Ackeroberfläche, die von nicht sehr schweren Fahrzeugen zurückgelassen würden. Auch kleine Glassplitter in nicht störend großer Menge stellten auf einem nicht mehr bewirtschafteten Feld oder einer Grünfläche keine Verschmutzung dar, die ein Landwirt beseitigen lasse; überdies wären sie ja durch ein bloßes Zusammenkehren zu beseitigen. Deshalb sei in einem solchen Fall keine Anzeigeverpflichtung nach § 4 Abs 5 StVO gegeben.

Mit diesen Ausführungen steht die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Kläger habe nicht bloß geringfügige, nicht als Beschädigung im eigentlichen Sinn aufzufassende Veränderungen an der Wiesenböschung herbeigeführt, sondern einen Flurschaden verursacht, der als Sachschaden iSd § 4 Abs 5 StVO zu qualifizieren sei, nicht im Widerspruch. Ob im Sinne der oberstgerichtlichen Judikatur nicht als Sachschäden zu qualifizierende, bloße Ver- oder Beschmutzungen von fremden Sachgütern vorliegen oder eine (sozusagen substantielle) Beschädigung iSd § 4 Abs 5 StVO gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und stellt daher nur im Falle einer krassen Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage dar. Hier kann in der Ansicht des Berufungsgerichtes, die festgestellten unfallskausalen Einwirkungen seien ein "echter Flurschaden" und damit ein Sachschaden iSd § 4 Abs 5 StVO, keine wesentliche Verkennung der Rechtslage und damit kein tauglicher Revisionsgrund erblickt werden.

Der Rekurswerber wendet sich weiters nur noch gegen die Auffassung des Rekursgerichtes, auf Grund seines festgestellten Verhaltens bestehe der konkrete Verdacht, dass er zum Unfallszeitpunkt alkoholisiert gewesen sei und dies verschleiern habe wollen. Das Rekursgericht hat dazu ausgeführt, das Vorgehen des Klägers (der, nachdem er nächtens aus nicht nachvollziehbarem Grund von der Fahrbahn abgekommen sei, die Unfallstelle sofort verlassen habe, ohne sein total beschädigtes, die Fahrbahn teilweise blockierendes Fahrzeug abzusichern, von einer Verständigung der Gendarmerie Abstand genommen und die Kontaktaufnahme mit einem Abschleppunternehmen seiner Frau überlassen habe, trotz seiner Kopfwunde keinen Arzt aufgesucht, sondern sich zu einem Freund begeben habe, um dort die restliche Nacht zu verbringen und es bis zum Abend des nächsten Tages vermieden habe, nach Hause zu kommen oder in seinem Betrieb anwesend zu sein) entspreche in geradezu klassischer Weise dem Verhaltensmuster von Fahrzeuglenkern, die sich nach einem in alkoholisiertem Zustand verursachten Verkehrsunfall einer Überprüfung ihrer Fahrtüchtigkeit entziehen bzw einen Nachweis ihrer Alkoholisierung vereiteln wollten. Der Kläger wendet dagegen ein, dass sich jeder der vom Berufungsgericht genannten Verdachtsmomente durch eine, bei ihm gegeben gewesene Benommenheit nach dem Unfall, seine festgestellten ehelichen Zwistigkeiten und sein berufliches Engagement (auswärtige Arbeiten) erklären lasse. Er setzt sich damit darüber hinweg, dass das Berufungsgericht die festgestellten Umstände ja ausdrücklich in ihrer Gesamtheit als ausreichende Verdachtsmomente für eine Alkoholisierung des Klägers angesehen hat. Davon, dass dies eine Fehlbeurteilung wäre, kann schon angesichts der Vielzahl der vom Berufungsgericht genannten Indizien keine Rede sein. Da die Einschätzung, ob ein konkreter Verdacht einer Alkoholisierung des versicherten Fahrzeuglenkers besteht, von der Kasuistik des Einzelfalles abhängt, könnte aber ein tauglicher Revisiongrund nur dann vorliegen, wenn das Berufungsgericht diese Frage krass unrichtig beurteilt hätte.

Von einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO hängt die Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel demnach nicht ab. Der Rekurs des Klägers war daher zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz, § 528a ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 und § 52 ZPO. Da die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen hat, diente ihre Rekursbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw -verteidigung.