JudikaturJustiz7Ob217/18i

7Ob217/18i – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. November 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen L***** I*****, geboren am ***** 2013, Mutter H***** I*****, beide: *****, Mutter vertreten durch Dr. Marco Nademleinsky, Rechtsanwalt in Wien, Vater S***** A*****, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. September 2018, GZ 45 R 288/18p 110, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Im Gegensatz zur Rechtslage vor dem KindNamRÄG 2013 soll nunmehr die Obsorge beider Elternteile (eher) die Regel sein (RIS Justiz RS0128811). Eine sinnvolle Ausübung der Obsorge beider Eltern setzt dabei ein gewisses Mindestmaß an Kooperations und Kommunikationsfähigkeit beider Eltern voraus. Um Entscheidungen gemeinsam im Sinn des Kindeswohls treffen zu können, ist es erforderlich, in entsprechend sachlicher Form Informationen auszutauschen und einen Entschluss zu fassen. Es ist also eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob bereits jetzt eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern vorhanden ist oder ob zumindest in absehbarer Zeit mit einer solchen gerechnet werden kann (RIS Justiz RS0128812). Zur Herstellung der erforderlichen Gesprächsbasis ist bei ausreichender Aussicht auf Erfolg auch auf die vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Mittel des § 107 Abs 3 AußStrG zurückzugreifen (8 Ob 152/17m).

2. Ob eine ausreichende Kommunikationsbasis besteht, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Inwieweit nach Art und Umfang der Kommunikation eine ausreichende Gesprächsbasis für eine gemeinsame Entscheidungsfindung anzunehmen ist, ist nicht verallgemeinerungsfähig. Zuletzt bejahte der Oberste Gerichtshof bei Vorliegen einer sachlichen Kommunikationsebene zwischen den Eltern per E Mail oder SMS und Bestehen der Kooperationsbereitschaft die gemeinsame Obsorge. Betont wurde, dass es nicht auf die Art der Nachrichtenübermitteilung ankommt, sondern auf die jeweilige Bereitschaft zum Informationsaustausch (9 Ob 51/16i, 8 Ob 152/17m je mwN).

3. Mag es auch in der Vergangenheit zum Teil auch gravierende Probleme bei der Kommunikation der Eltern gegeben haben, hat sich ihr Verhältnis seit ihrer Vereinbarung zum gemäßigten Umgang miteinander soweit verbessert, dass sich die Auffassung der Vorinstanzen, das vorhandene Mindestmaß an Gesprächsbasis der Eltern im Zusammenhang mit den einvernehmlichen Besuchskontakten reiche für eine sinnvolle – von der Sachverständigen auch als dem Wohl des Kindes entsprechend angesehene – Beibehaltung der vereinbarten gemeinsamen Obsorge aus, wobei die gleichzeitig angeordnete Elternberatung noch eine weitere Stabilisierung und Verbesserung der Situation bringen könne, als vertretbar erweist. Die Prognose gründet sich im Wesentlichen auch darauf, dass sowohl der Mutter als auch dem Vater die Bedeutung eines guten Kontakts des Kindes zu beiden Elternteilen für dessen Entwicklung bewusst ist. Angesichts des (festgestellten) Willens beider Eltern, dem Kindeswohl abträgliche Verhaltensweisen zu unterlassen und ihre Kooperations und Kommunikationsfähigkeit mit professioneller Unterstützung wiederherzustellen, hält sich die Beurteilung des Rekursgerichts im Rahmen des der Rechtsprechung zukommenden Beurteilungsspielraums bei Anwendung der dargestellten Grundsätze.

4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 71 Abs 3 AußStrG).