JudikaturJustiz7Ob185/02k

7Ob185/02k – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Oktober 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Simon Amos S*****, nunmehr K*****, geboren am *****, über den Revisionsrekurs der Mutter Mag. Regina H*****, vertreten durch ihre Sachwalterin Dr. Christiane B*****, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Jugendgerichtshofes Wien als Rekursgericht vom 21. Juni 2002, GZ 1 R 48/01a-67, womit der Beschluss des Jugendgerichtshofes Wien als Pflegschaftsgericht vom 6. Juli 2001, GZ 6 P 24/97g-62, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Besachwalterung der Mutter ist gemäß § 273 Abs 3 Z 2 ABGB eingeschränkt auf finanzielle Angelegenheiten, Einkommens- und Vermögensverwaltung, Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten. Die Obsorge hinsichtlich des Minderjährigen im Bereich Pflege und Erziehung obliegt dem Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, 12. Bezirk. Die Obsorge im Bereich gesetzlicher Vertretung und Vermögensverwaltung steht formell weiterhin der Mutter zu, welche diese unter Anleitung und Fürsorge ihrer Sachwalterin ausübt. Der Minderjährige befindet sich seit 28. 5. 1999 bei den Pflegeeltern, die bereits seit 31. 5. 1997 die Pflege hinsichtlich des Halbbruders des Minderjährigen ausüben. Der Minderjährige wird von seinen Pflegeeltern liebevoll betreut und hat eine sehr gute Entwicklung genommen. Das Pflegeverhältnis ist nicht nur auf kurze Zeit beabsichtigt.

Das aufsichtsführende Amt für Jugend und Familie stimmte der Übertragung der vollen Obsorge an die Pflegeeltern zu. Die Kindesmutter sprach sich gegen die Übertragung der vollen Obsorge aus.

Das Erstgericht wies den Antrag der Pflegeeltern, ihnen gemäß § 186a Abs 1 ABGB idF des KindRÄG 2001 die Obsorge hinsichtlich des Minderjährigen ganz zu übertragen, ab, da sich die Mutter gegen eine Übertragung der Obsorge ausgesprochen habe und ohne Übertragung das Kindeswohl nicht gefährdet sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Pflegeeltern statt und änderte den Beschluss dahingehend ab, dass den Pflegeeltern die Obsorge hinsichtlich des Minderjährigen zur Gänze übertragen werde. Gemäß § 145a ABGB sei ein Elternteil, solange er nicht voll geschäftsfähig sei, nicht berechtigt und verpflichtet, das Vermögen des Kindes zu verwalten und das Kind zu vertreten. Sei aber die Mutter nicht in der Lage, ihre eigenen Angelegenheiten ohne die Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen, so müsse ihr wohl auch die Fähigkeit zur Verwaltung des Vermögens des Kindes und der gesetzlichen Vertretung des Kindes abgesprochen werden. Die Sachwalterin der Mutter sei nicht dazu berufen, auch die höchstpersönlichen Rechte der Obsorge und damit die Angelegenheiten des Minderjährigen zu besorgen. Es sei daher der vom Gesetzgeber geforderte Gefährdungstatbestand zu bejahen. Der Minderjährige sei seit dem Alter von zwei Monaten bei den Pflegeeltern, von denen er liebevoll betreut werde. Er habe eine sehr gute Entwicklung genommen. Die Übertragung der Obsorge an die Pflegeeltern liege daher im Wohl des Minderjährigen, zumal auch dessen Halbbruder bei den Pflegeeltern untergebracht sei. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig ist, weil zur Frage der elterlichen Rechte von Personen, für die Sachwalterbestellungen erfolgt seien, noch keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit einem Abänderungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt. Die Revisionsrekurswerberin verweist darauf, dass die Gefährdung des Kindeswohls deshalb nicht vorliege, weil die Bestellung eines Sachwalters für die Vermögensverwaltung und die gesetzliche Vertretung des Kindes gemäß § 145b Abs 1 ABGB denkbar wäre. Das Veto der Mutter gründe sich darauf, dass sie über wichtige Belange des Kindes wie zB Gesundheitszustand, Entwicklung etc nicht hinreichend informiert worden sei. Es sei zu Spannungen zwischen ihr und den Pflegeeltern gekommen. Die Mutter habe grundsätzlich gegen die Obsorgeübertragung an die Pflegeeltern nichts, spreche sich aber momentan dagegen aus.

Die Revisionsrekurswerberin übersieht mit ihrer Argumentation, dass die bisherige Regelung des § 145b ABGB infolge des KindRÄG 2001, BGBl I 135/2000, durch eine inhaltlich völlig neue Bestimmung ersetzt wurde, da für Minderjährige die Bestellung eines Sachwalters nicht mehr vorgesehen ist (vgl auch Schwarzl in Ferrari/Hopf, Reform des Kindschaftsrechts, S 27).

Gemäß § 145a ABGB hat ein Elternteil nicht das Recht und die Pflicht, das Vermögen des Kindes zu verwalten und das Kind zu vertreten, solange er nicht voll geschäftsfähig ist. Dies bedeutet, dass jede Sachwalterbestellung für einen Elternteil bewirkt, dass dieser als nicht mehr voll Geschäftsfähiger von der Vermögensverwaltung und gesetzlichen Vertretung kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Dies ist von Amts wegen zu berücksichtigen (Schwimann in Schwimann, Praxiskommentar zum ABGB, § 145a, Rz 1, Stabentheiner in Rummel I3, § 145a, Rz 1). Im vorliegenden Fall ist also das Wohl des Kindes gefährdet, da der Mutter in dem ihr obliegenden Teilbereich der Obsorge wegen der Besachwalterung keine Rechte und Pflichten zukommen, das Kind sohin unvertreten ist. Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass die Übertragung der Obsorge nun zur Gänze an die Pflegeeltern nicht nur dem Kindeswohl entspricht, sondern ohne sie auch das Wohl des Kindes im Hinblick auf § 145a ABGB gefährdet wäre.