JudikaturJustiz6Ob89/22i

6Ob89/22i – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers W* P*, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider den Antragsgegner Mag. M* F*, wegen Feststellung und Herausgabe/Auskunftserteilung, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. März 2022, GZ 40 R 219/21h 5, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 3. September 2021, GZ 10 Nc 42/21x 2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Antragsteller und der Antragsgegner sind mit mehreren weiteren Personen grundbücherliche Miteigentümer einer Liegenschaft in Wien.

[2] Der Antragsteller brachte vor, die Liegenschaft sei im Rahmen eines Bauherrenmodells gemeinsam mit anderen Investoren erworben worden, um darauf ein Neugebäude zu errichten, dieses in der Folge gemeinsam an Dritte zu vermieten, Mieteinnahmen zu lukrieren und von steuerlichen Vorteilen zu profitieren. Alle Miteigentümer hätten einen Miteigentümervertrag abgeschlossen, in dem festgelegt worden sei, dass ein gemeinsamer Vertreter beauftragt und bevollmächtigen werde, wie die Beschlussfassung zu erfolgen habe, wie der mit der Verwaltung und Erhaltung der Liegenschaft verbundene Aufwand zu tragen und dass vom gemeinsamen Vertreter jährlich eine detaillierte Abrechnung zu erstellen sei.

[3] Er begehrt mit seinem Sachantrag die Feststellung der Unwirksamkeit in einer „Miteigentümerversammlung“ gefasster Beschlüsse über die Abberufung der bisherigen bevollmächtigten Vertreterin der Miteigentümer und über die Neubestellung des Antragsgegners als bevollmächtigten Vertreter, die Feststellung der Haftung des Antragsgegners gegenüber der Miteigentümergemeinschaft für jegliche Schäden und Nachteile, die ihr aus seiner Tätigkeit als bevollmächtigter Vertreter entstanden seien, sowie den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller verschiedene (im Detail genannte), die Verwaltung der Liegenschaft betreffende Unterlagen herauszugeben und konkret genannte Auskünfte zu erteilen.

[4] Die bekämpften Beschlüsse seien nicht rechtmäßig zustande gekommen. Der Antragsgegner agiere seitdem, ohne jemals wirksam bestellt und bevollmächtigt worden zu sein, und seien ihm diverse Pflichtverstöße anzulasten. Weiters sei er seiner Verpflichtung zur Informationserteilung und Rechnungslegung nicht nachgekommen, die ihn auch in einer Funktion als „faktischer“ Verwalter bzw Vertreter treffe. Über den Antrag sei gemäß § 838a AußStrG im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. Die gegenständliche Liegenschaft befinde sich im Sprengel des Erstgerichts, sodass dieses sachlich und örtlich zuständig sei.

[5] Das Erstgericht erklärte sich für unzuständig und wies den als Klage zu verstehenden Antrag a limine zurück. Ein vergleichbarer Miteigentümervertrag sei schon Gegenstand diverser gerichtlicher Auseinandersetzungen gewesen und als Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) zu beurteilen. Im Kern handle es sich bei den Anträgen um die Frage der Geschäftsführungsbefugnis des Antragsgegners nach § 1190 ABGB, die ebenso wie das Rechnungslegungsbegehren im streitigen Verfahren geltend zu machen sei. Eine analoge Anwendung des § 838a ABGB sei mangels Vorliegens einer Gesetzeslücke ausgeschlossen. Auch ein Schadenersatzbegehren, das auf Haftung des faktisch verwaltenden Miteigentümers als falsus prokurator gestützt werde, gehöre auf den streitigen Rechtsweg.

[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zur Frage des zulässigen Rechtswegs noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege, wenn eine Streitigkeit zwischen Mitgliedern einer GesbR im Zusammenhang mit der Verwaltung und Benützung einer Liegenschaft stehe.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig :

[8] 1. In der Rechtsprechung wurden mit dem vorliegenden Fall vergleichbare „Bauherrenmodelle“ unter Vereinbarung eines gleichartigen „Miteigentümervertrags“ bereits als GesbR angesehen (6 Ob 45/18p [zu einem „Bauherrenmodell“ der selben Unternehmensgruppe]; 6 Ob 190/20i [ErwGr 2.2.2.]; vgl 2 Ob 199/21k).

[9] Die Vorinstanzen waren der Auffassung, zwischen den am gegenständlichen „Bauherrenmodell“ Beteiligten bestehe ein GesbR. Der Revisionsrekurs geht darauf nicht ein und zieht diese Beurteilung auch nicht in Zweifel.

[10] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 9 Ob 81/16a dargelegt, dass nach der Rechtslage nach dem GesbR RG (BGBl I 2014/83) der bisherige § 1188 ABGB aF, der unter anderem die (interne) Geschäftsführung der GesbR (alt) normierte und dazu auf die Bestimmungen über die Verwaltung des Miteigentums, darunter (auch) auf § 838a ABGB, verwies, mit 31. 12. 2014 außer Kraft trat. In Abweichung von diesem früheren Recht enthalten nunmehr weder § 1188 ABGB nF noch eine andere gesetzliche Bestimmung einen Verweis auf § 838a ABGB, und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dem GesbR RG lediglich übersehen hätte, eine Ersatzregelung für § 1188 ABGB aF zu schaffen. Die Bestimmung des § 1190 ABGB aF, die hinsichtlich der vertraglichen Bestellung von geschäftsführenden Gesellschaftern einer GesbR auf die Normen des Miteigentumsrechts (§§ 833 bis 842 ABGB) verwies, wurde ebenfalls aufgehoben. Auch eine analoge Anwendung des § 838a ABGB ist daher ausgeschlossen (9 Ob 81/16a [ErwGr 4.1. ff]).

[11] 2.2. Zur Rechtslage nach dem GesbR RG wurde zum Auskunfts- und Einsichtsrecht der Gesellschafter einer GesbR bereits ausgesprochen, dass dieses im Streitverfahren zu erledigen ist, weil es an einer Verweisung auf das Miteigentum und damit in das Außerstreitverfahren fehlt (6 Ob 162/19w [insb ErwGr 5.1] unter Hinweis auf den Wegfall [auch] des Verweises des § 1190 AGBG aF auf § 838a ABGB).

[12] 2.3. Argumente für die gewünschte abweichende Beurteilung legt der Revisionsrekurs mit seinem bloßen Hinweis auf das Miteigentum an der Liegenschaft nicht dar. Vielmehr ist es nach der gesetzlichen Konzeption als Regelfall anzusehen, dass die Gesellschafter einer GesbR Miteigentümer körperlicher Sachen des Gesellschaftsvermögens sind (vgl § 1180 Abs 1 ABGB).

[13] Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof auch wiederholt die gesetzlichen Bestimmungen über die GesbR auf Gesellschaften angewendet, deren Gesellschafter als solche Miteigentümer einer Liegenschaft waren (2 Ob 199/21k; 6 Ob 45/18p).

[14] 2.4. Die Ansicht des Rekursgerichts, über die Ansprüche des Klägers sei im streitigen Verfahren zu entscheiden, findet daher Deckung in der erörterten Rechtsprechung.

[15] 3. Der Revisionsrekurs ist mangels zu beurteilender erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.