JudikaturJustiz6Ob8/69

6Ob8/69 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. März 1969

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Berger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nedjela, Dr. Wittmann, Dr. Sperl und Dr. Fedra als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der mit ***** für tot erklärten Herta ***** K*****, infolge Revisionsrekurses der 1.) Bertha K*****, 2.) Renée K*****, beide vertreten durch Dr. Viktor Czaharnicki und Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. November 1968, GZ 43 R 760, 761, 762/68 57, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Liesing je vom 19. Juli 1956, GZ A 562/55 15 und 16 sowie vom 15. Mai 1957, GZ A 562/55 32, infolge Rekurses des Dr. Reinhold J*****, vertreten durch Dr. Walter Doppler, Rechtsanwalt in Wien, als Kurator der angeblich abwesenden Alicija K***** aufgehoben wurden, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und der Rekurs des Kurators zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Hertha ***** K***** wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. 6. 1955, GZ 48 T 35/55 4, für tot erklärt und zugleich ausgesprochen, dass sie den 8. 5. 1945 nicht überlebt habe. In der im Abhandlungsverfahren aufgenommenen Todfallsaufnahme sind verschiedene wirkliche oder angebliche Verwandte genannt, doch fiel dem vom Abhandlungsgericht bestellten Gerichtskommissär Notar Dr. Robert B***** auf, dass laut Todfallsaufnahme im Verlassenschaftsverfahren nach Norbert K***** (Vater der Erblasserin; AZ A 566/38 des Bezirksgerichts Liesing) noch eine Tochter des damaligen Erblassers und Schwester der gegenwärtigen Erblasserin Alicija K***** als allfällige gesetzliche Erbin vorhanden sein könnte. Diesen Umstand hielt der Gerichtskommissär am 6. 12. 1955 der Berta ***** K*****, einer Erbin nach dem angeblichen Vetter der jetzigen Erblasserin Ernst K***** vor. Berta ***** K***** erklärte dem Gerichtskommissär, die erblasserische Schwester Alicija K***** sei ebenso wie ein Bruder Hans K***** vor der jetzigen Erblasserin ohne Nachkommenschaft verstorben (S 29). Dieser Mitteilung schenkte das Abhandlungsgericht offensichtlich Glauben, denn es war im gesamten weiteren Abhandlungsverfahren von dieser allfälligen gesetzlichen Erbin nicht mehr die Rede.

Mit Beschluss vom 19. 7. 1956, ON 15, nahm das Erstgericht die bedingte Erbserklärung der Verlassenschaft nach dem Vetter Ernst K*****, vertreten durch die erbserklärten Erben Berta K***** und mj Renée K***** zu Gericht an und erkannte deren Erbrecht nach der Aktenlage für ausgewiesen an. Zugleich beschloss das Erstgericht die Erlassung der Einantwortungsurkunde und es erklärte die Verlassenschaftsabhandlung für beendet. Unter einem wurde die Einantwortungsurkunde ON 16 zugunsten der Verlassenschaft nach dem erblasserischen Vetter Ernst K***** erlassen. In der Folge verfügte das Erstgericht mit Beschluss vom 15. 5. 1957, ON 32, wegen Hervorkommens eines weiteren Vermögens der Erblasserin die Einleitung einer sogenannten Nachtragsabhandlung und legte dieser das mit Einbeziehung des neuen Vermögens errichtete Inventar zugrunde. Später kam es noch zu einer zweiten derartigen „Nachtragsabhandlung“.

Mit Eingabe vom 28. 8. 1968, ON 53, trat Dr. Reinhold J*****, mit dem Anspruch auf den Plan, als vom Erstgericht bestellter Kurator für Alicija K***** einschreiten zu können und er stellte den Antrag, ihm die Beschlüsse ON 15 und ON 16 zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Rechtsanwalt Dr. Walter Doppler zuzustellen. Unter einem gab Dr. Reinhold J***** aufgrund der unbedenklichen Angaben im Verlassenschaftsakt des Erstgerichts AZ A 566/38 (Norbert K*****) die bedingte Erbserklärung namens der erblasserischen Schwester Alicija K***** ab. Das Erstgericht stellte die vom Einschreiter begehrten Beschlüsse diesem zu und Dr. J***** bekämpfte nun den Mantelbeschluss ON 15 hinsichtlich der oberwähnten Punkte, ferner die Einantwortungsurkunde ON 16 und den vorzitierten Beschluss ON 32 mit Rekurs, welchem das Rekursgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss Folge gab.

Das Rekursgericht ging davon aus, dass in der Verlassenschaftsabhandlung nach Herta ***** K***** die vom Einschreiter vertretene Alicija K***** als Erbin der zweiten Linie übergangen worden sei. Die Übergehung eines nach dem Gesetz zur Erbfolge Berufenen im Verlassenschaftsverfahren begründe zwar keine Nichtigkeit, aber doch einen so schweren Verfahrensmangel, der die Beseitigung jener Entscheidungen nach sich ziehen müsse, an deren Zustandekommen der Übergangene nicht verfahrensbeteiligt gewesen sei und der seine materiellen Rechte verletzen könnte.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts wendet sich der Revisionsrekurs der Erbinnen nach dem Vetter der Erblasserin Ernst K*****, nämlich Berta K***** und mj Renée K*****, denen inzwischen dessen Nachlass eingeantwortet wurde, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Beschlüsse ON 15, 16 und 32 wiederherzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis begründet.

Der Einschreiter Dr. Reinhold J***** wurde nicht in diesem Verlassenschaftsverfahren, sondern in der Verlassenschaftsabhandlung nach Cilla K***** (Mutter der Erblasserin Herta ***** K*****; AZ A 563/55 des Erstgerichts), und zwar mit Beschluss vom 14. 3. 1967, ON 206, S 417, zum Erbenkurator für Alicija K***** bestellt und mit Beschluss vom 18. 12. 1968, ON 266, S 567, dieses Amts wieder enthoben. Der Einschreiter Dr. J***** hatte zum Zeitpunkt seines Auftretens in der Verlassenschaft nach Herta ***** K***** die vorgenannte Eigenschaft, die ihn aber nicht legitimierte, Alicija K***** außerhalb der Verlassenschaftsabhandlung nach Cilla K***** zu vertreten. Der Erbenkurator (§§ 77 Z 2 und 131 Abs 1 AußStrG) hat die Aufgabe, einen bekannten Erben unbekannten Aufenthalts bei Geltendmachung und Durchsetzung des Erbrechts zu einem bestimmten Erblasser zu vertreten. Ein nach den bezogenen Gesetzesstellen bestellter Kurator hat von vornherein einen begrenzten Aufgabenkreis der Rechtsvertretung. Die Verfahrensgesetze kennen auch andere Fälle einer Kuratorbestellung mit einer auf das betreffende Verfahren beschränkten Aufgabe (Beispiele: §§ 116, 386 Abs 3 ZPO). Der vom Abhandlungsrichter bestellte Erbenkurator darf nicht mit einem Abwesenheitskurator nach § 276 ABGB verwechselt werden ( Wentzel und Piegler Klang 2 I/2 Bd S 526). Derartige Kuratoren haben nur Aufgaben zu erfüllen, die sich aus den Gesetzesstellen ergeben, aufgrund deren sie bestellt wurden.

Da der Kurator Dr. J***** die Eigenschaft eines Erbenkurators gegenüber der Verlassenschaft nach Cilla K***** hatte, ihm jedenfalls im Verlassenschaftsverfahren nach Herta ***** K***** eine Kuratorenfunktion niemals verliehen wurde, fehlte ihm von Anfang an die Einschreiterlegitimation. Das Erstgericht hätte den Zustellungsanträgen dieses Kurators niemals entsprechen und den Rekurs nicht entgegennehmen dürfen. Das Rekursgericht hätte den Rekurs zurückweisen müssen, statt ihn sachlich zu erledigen, wie es mit dem angefochtenen Beschluss geschehen ist.

Alicija K***** wurde mit Beschluss des Landegerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 12. 11. 1968, GZ 48 T 1092/68 16, mit Wirkung vom 31. 12 1949 für tot erklärt (S 133).

Mit Eingaben vom 17. 12. und 18. 12. 1968 (ON 59, 60) erklärten Renée K***** und Beatrix K***** (offenbar ident mit Berta ***** K*****), das Verlassenschaftsverfahren nach Alicija K***** sei beim Erstgericht zu AZ A 907/68 anhängig, die Verlassenschaft werde durch sie als erbserklärte Erbinnen repräsentiert und der hier in Rede stehende Rekurs werde namens der Verlassenschaft nach Alicija K***** zurückgezogen (S 128, 130). Diese Erklärungen gehen ins Leere und sind nicht weiter zu beachten, weil das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss als Erledigung des zurückgezogenen Rekurses bereits am 8. 11. 1968 gefasst hat.

Da das Rekursgericht im Sinne der obigen Ausführungen über einen Rekurs entschieden hat, der von einem nicht legitimierten Kurator erhoben wurde, war dem Revisionsrekurs stattzugeben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und der in zweiter Instanz sachlich erledigte Rekurs zurückzuweisen.