JudikaturJustiz6Ob67/17x

6Ob67/17x – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GesmbH, *****, vertreten durch Sutterlüty Klagian Brändle Gisinger Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen die beklagte Partei L***** SPA, *****, Italien, vertreten durch Dr. Günther Riess und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 263.017 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 23. Juni 2016, GZ 10 R 21/16p-89, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 12. Februar 2016, GZ 8 Cg 3/14i-76, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben .

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 5.151,60 EUR (darin 858,60 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Streitteile standen bis 2013 über beinahe 20 Jahre in geschäftlicher Beziehung und betrieben Viehhandel. Geschäftsführer der in Vorarlberg situierten Klägerin war zunächst E***** F*****, seit 2008 übt dessen Sohn A***** F***** diese Funktion aus. Geschäftsführer der in Italien situierten Beklagten ist seit etwa 12 bis 15 Jahren F***** M*****, dessen Vater G***** M***** wiederum seit 2010 Geschäftsführer der ebenfalls in Italien situierten C***** S.A.S. ist, die sowohl mit der Klägerin als auch mit der Beklagten geschäftliche Beziehungen unterhält. G***** M***** ist an der Beklagten nicht beteiligt und verfügt auch über keine Vertretungsbefugnis. Die Klägerin unterschied im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehung zur Beklagten nie, ob G***** M***** für die Beklagte oder für C***** S.A.S. auftrat; sie ging stets davon aus, dass er über eine Vertretungsbefugnis für die Beklagte verfügte. Im Rahmen der von den Streitteilen betriebenen Viehhandelsgeschäfte wurde nie konkret besprochen, für wen G***** M***** die Tiere erwirbt.

Die Beklagte und C***** S.A.S. erwarben bei Versteigerungen in der Viehmarkthalle in Dornbirn und bei verschiedenen Landwirten in Vorarlberg ab Hof Rinder, und zwar sowohl Kälber als auch Kühe. Im Zuge des Erwerbs gab G***** M***** jeweils vor, ob an die Beklagte oder an C***** S.A.S. fakturiert werden sollte und an wen die Frachtpapiere und die Veterinärzeugnisse auszustellen seien, wobei es über seine Anweisung oder über eine solche der Beklagten bisweilen auch zu nachträglichen Korrekturen in den Rechnungen und den Frachtpapieren kam.

Der Braunviehzuchtverband tritt bei Versteigerungen zwischen den Landwirten als Verkäufer und den Erwerbern als Vermittler auf. In den vom Verband herausgegebenen „Verkaufsbestimmungen“ sind Gewährleistungsbedingungen enthalten; zur Art und dem Ort der Übergabe ist darin jedoch nichts Konkretes erwähnt. Da Ausländer nur ausnahmsweise bei Barzahlung direkt bei Versteigerungen Vieh erwerben dürfen, verfügt die Klägerin über zwei „Winker“ (Nr 129 und 130), von denen einer F***** oder G***** M***** zur Verfügung gestellt wurde; allerdings war F***** M***** im Jahr 2013 bei keiner Versteigerung in Dornbirn dabei, während G***** M***** an mehreren Versteigerungen teilnahm.

In den vom Braunviehzuchtverband geführten Versteigerungsprotokollen wurde im Fall eines Zuschlags an die Winker Nr 129 oder 130 immer die Klägerin vermerkt, auch wenn der Winker von G***** oder F***** M***** hochgehoben wurde. Bei einer Zuschlagserteilung wurde die Klägerin als Erwerberin ausgerufen; von Seiten des Braunviehzuchtverbands wurde demnach zwischen der Klägerin oder F***** bzw G***** M***** als Erwerber nicht unterschieden, sodass im Auftrag des jeweiligen Verkäufers die Rechnungen auch jeweils an die Klägerin gestellt wurden.

Die Abrechnung nach der Versteigerung erfolgt durch den Braunviehzuchtverband, der dafür eine Vermittlungsgebühr kassiert. Das Geld läuft beim Verband über ein Durchläuferkonto, wobei die Vermittlungsgebühr auf diesem Konto verbleibt und der Rest als Kaufpreis an den Verkäufer überwiesen wird.

Im Jahr 2013 wurden mit den Winkern der Klägerin mehr Tiere von G***** M***** als von der Klägerin selbst ersteigert. E***** F***** nahm mit Wissen und Willen seines Sohnes für die Klägerin an den Versteigerungen teil. Er und G***** M***** schrieben in einem vom Braunviehzuchtverband zur Verfügung gestellten Katalog mit, wer welche Tiere ersteigerte. Die endgültige Auswahl durch G***** M***** erfolgte im Stall bei der Viehmarkthalle, in dem nach den Versteigerungen die Tiere vorsortiert wurden. Dort markierte er jeweils die Tiere, die er erwerben wollte.

Im Anschluss an die Versteigerungen ist es Aufgabe des Amtstierarztes, allfällige Reklamationen zu überprüfen und die „Traces“ (tierärztliche Bescheinigungen für den innergemeinschaftlichen Handel) auszustellen. Auf diesen Bescheinigungen schien jeweils die Klägerin als Absenderin auf. Die Angaben in diesen Bescheinigungen betreffend Absender und Empfänger bzw Bestimmungsort erhielt der Amtstierarzt von der Klägerin.

Bis zu der jeweils zwei bis drei Tage nach den Versteigerungen erfolgten Verladungen der Tiere stellt der Braunviehzuchtverband die Stallungen und das Futter zur Verfügung. Zu diesen Zeitpunkten war G***** M***** bereits nicht mehr in Dornbirn anwesend.

Bei den Landwirten und dem Braunviehzuchtverband besteht die Auffassung, dass dem Erwerber eines Tieres im Rahmen einer Versteigerung das Tier ab dem Zeitpunkt gehört, in dem er den Winker hochhält und den Zuschlag erhält. E***** und A***** F***** waren immer der Meinung, dass nach Überprüfung in der Viehmarkthalle jene Tiere, die G***** oder F***** M***** wollten, diesen ab dem Zeitpunkt gehörten, nachdem sie durch die Ställe gegangen waren.

Der Kontakt zum Transporteur wurde durch E***** F***** oder G***** M***** hergestellt. Für den Transport wurde regelmäßig ein deutsches Unternehmen herangezogen. Dabei rief in der Regel E***** F***** beim Transportunternehmen an und erklärte, er sei mit G***** M***** zusammen und es seien Tiere zu verladen. Die Terminabsprachen und Terminbestätigungen erfolgten zwischen dem Transportunternehmen einerseits und E***** F***** oder G***** M***** andererseits. Etwa zur Hälfte wurden die Terminbestätigungen bei G***** M***** eingeholt; in Fällen, die wichtig waren, holte das Transportunternehmen die Terminbestätigung aber auch bei E***** F***** ein, weil die Kommunikation aufgrund der deutschen Sprache einfacher war. Das Transportunternehmen ging davon aus, dass der Auftrag für den Transport von G***** M***** erteilt wurde; die Rechnungen wurden von der Beklagten bezahlt und die Rechnungslegung vom Transportunternehmen allmonatlich mit der Beklagten und C***** S.A.S. abgestimmt. Von diesen Firmen wurde vorgegeben, welcher Transport an C***** S.A.S. und welcher an die Beklagte zu verrechnen sei. Die Frachtpapiere wurden von der Klägerin, die jeweils als Absenderin aufschien, ausgefüllt; Empfängerin waren entweder die Beklagte oder C***** S.A.S.. Die Klägerin wurde deshalb als Absender angeführt, weil deren Geschäftsführer der Meinung waren, dass der Frachtbrief zu den Rechnungen passen muss, und dass jeder ausländische Händler einen inländischen Exporteur brauche; deshalb trat die Klägerin ja auch bei den Versteigerungen als solcher auf. Das Transportunternehmen wiederum achtete aufgrund der CMR-Bestimmungen darauf, ob auf den CMR-Papieren noch eine Besonderheit steht. Für den Fall, dass es keine besonderen Vermerke gab, hätte das Unternehmen während des Transports Anweisungen der Klägerin akzeptiert und ausgeführt. Hätte umgekehrt der Empfänger in Italien während der Fahrt Anordnungen getroffen, hätte man nicht darauf reagiert. Der jeweilige Empfänger bestätigte auf dem Frachtpapier die Übernahme der Ware in Italien; dies war im Jahr 2013 jeweils C***** S.A.S.. Bisweilen wich allerdings der tatsächliche Abladeort in Italien von der Anschrift des Empfängers im Frachtpapier ab. In diesem Fall fand eine direkte Kommunikation zwischen den LKW-Fahrern und dem betreffenden Unternehmen in Italien statt. Zudem kam es auch vor, dass G***** M***** Tiere mit der Begründung, er habe sie nicht gekauft, nicht annahm.

E***** bzw A***** F***** und G***** bzw F***** M***** sprachen nie über einen Lieferort der Tiere oder über den Ort der Übergabe. Auf den von der Klägerin ausgestellten Rechnungen steht neben dem Lieferdatum und der Zahlungskondition jeweils der Vermerk: „Lieferkondition: ab Dornbirn“. Weiters enthält das Rechnungsformular ganz unten eine Zeile mit folgendem vorgedruckten Vermerk: BEI ZIELÜBERSCHREITUNG BERECHNEN WIR BANKMÄSSIGE VERZUGSZINSEN. ERFÜLLUNGSORT UND GERICHTSSTAND BEZAU. DIE GELIEFERTE WARE BLEIBT BIS ZUR VOLLSTÄNDIGEN BEZAHLUNG UNSER EIGENTUM.

Im Jahr 2013 erwarb G***** M***** auch Tiere von Landwirten ab Hof. Er war dabei jeweils gemeinsam mit E***** F***** bei den Landwirten und gab bekannt, für welche Tiere er sich interessierte, und suchte diese aus. Die Preisverhandlungen fanden zwischen G***** M***** oder E***** F***** und den Landwirten statt. Die Klägerin verfügte über eine Sammelstelle im Sinne der Binnenmarktverordnung, von der aus die Tiere ins Ausland transportiert werden dürfen. Der Landwirt übergab die ausgesuchten Tiere jeweils an die Klägerin, die sie zunächst für sich erwarb. In weiterer Folge erwarb G***** M***** die Tiere von der Klägerin. Möglich war aber auch eine Zwischenschaltung eines Viehhändlers, der die Tiere von den einzelnen Landwirten nach der Wahl von G***** M***** übernahm. Die Klägerin erwarb von diesen Händlern die Tiere aber nur unter der Voraussetzung, dass sie an G***** M***** weiterverkauft werden. Der jeweilige Händler oder die Klägerin brachten die Tiere zur Verladestelle der Klägerin; zu diesem Zeitpunkt war G***** M***** nicht mehr vor Ort. Auch bei Ab-Hof-Verkäufen gab G***** M***** jeweils vor, dass an die Beklagte zu fakturieren ist. Zwischen E***** F***** und G***** M***** wurde jeweils an Hand der Ohrnummern der Tiere konkret festgelegt, welche Tiere G***** M***** erwerben möchte. E***** F***** und G***** M***** organisierten gemeinsam den Transport. Die Kosten für den Transport bezahlte die Beklagte.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung von insgesamt elf noch offenen Rechnungen aus dem Jahr 2013 betreffend die Lieferung von Tieren, und zwar sowohl solchen, die mit den Winkern ersteigert, als auch solchen, die bei Landwirten ab Hof erworben worden waren.

Die Beklagte wendet die mangelnde internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte und auch die fehlende passive Klagslegitimation ein. Sie behauptet, die Kaufverträge seien nicht mit ihr, sondern mit C***** S.A.S. zustandegekommen.

Das Erstgericht wies die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurück. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung liege ebensowenig vor wie die Vereinbarung eines Erfüllungsorts, weshalb nach Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO der tatsächliche Lieferort maßgeblich sei, der hier jedenfalls in Italien gelegen sei; G***** M***** habe in Dornbirn lediglich die endgültige Auswahl der Tiere getroffen.

Das Rekursgericht bejahte die internationale Zuständigkeit und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, ließ diesen dann aber über Antrag der Beklagten zu; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Markierung von Rindern in einer Viehmarkthalle durch den Käufer als tatsächliches Kriterium ausreicht, um einen Erfüllungsort iSd Art 5 Nr 1 EuGVVO zu begründen, und ob Tiere bewegliche Sachen im Sinn dieser Bestimmung sind.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Nach § 527 Abs 2 ZPO ist zwar ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof bei Aufhebung einer erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht nur zulässig, wenn das Rekursgericht dies ausgesprochen hat. Diese Bestimmung gilt aber nur für „echte“ Aufhebungsbeschlüsse und nicht (auch) für nur scheinbar aufhebende Beschlüsse, wenn diese tatsächlich eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses bedeuten. Ein solcher Fall liegt hier vor. Das Rekursgericht hat – im Gegensatz zum Erstgericht – die internationale Zuständigkeit bejaht. Der Revisionsrekurs ist somit nicht jedenfalls unzulässig (6 Ob 163/16p).

2. Es ist im Revisionsrekursverfahren zutreffend unstrittig, dass auf den vorliegenden Sachverhalt im Hinblick auf die Verfahrenseinleitung am 14. 1. 2014 die Bestimmungen der VO (EG) 2001/44 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO 2000) anzuwenden sind; die Verordnung (EU) des europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 12. 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO 2012 bzw Brüssel Ia-VO) ist im Hinblick auf deren Art 81 nur auf Verfahren anzuwenden, die ab 10. 1. 2015 eingeleitet wurden ( Mayr in Czernich/Kodek/Mayr , Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht 4 [2014] Art 81 Rz 1).

3. Im Revisionsrekursverfahren beruft sich die Klägerin auf eine Gerichtsstandsvereinbarung „Erfüllungsort und Gerichtsstand Bezau“; diese sei während der gesamten „jahrzehntelangen“ Geschäftsbeziehung der Streitteile auf ihren Rechnungen aufgeschienen und erfülle deshalb den zwischen ihnen entstandenen Gepflogenheiten (Art 23 Abs 1 Satz 3 lit b EuGVVO). Sie übersieht dabei jedoch, dass es sich bei der Frage, ob im konkreten Fall zwischen den Parteien eine bestimmte Gepflogenheit besteht, um eine Tatfrage handelt, die unabhängig vom anzuwendenden Recht zu beantworten ist ( Simotta in Fasching/Konecny ² V/1 [2008] Art 23 EuGVVO Rz 188 mwN). Eine derartige Feststellung haben die Tatsacheninstanzen hier jedoch nicht getroffen; das Rekursgericht hat die Frage vielmehr verneint.

4. Nach Art 5 Nr 1 EuGVVO 2000 kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre (lit a), wobei im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – der Erfüllungsort der Verpflichtung für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat ist, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen (lit b). Der Erfüllungsort wird hier autonom bestimmt, weshalb nicht das auf den Vertrag anwendbare Recht ermittelt zu werden braucht ( Simotta in Fasching/Konecny ² V/1 Art 5 Rz 154; ebenso Garber , EvBl 2011/12 [Entscheidungsanmerkung]). Der Ort, an dem die bewegliche Sache geliefert worden ist, ist der Ort, an dem sie an den Käufer ausgehändigt worden ist, und zwar unabhängig davon, wer den Transport organisiert oder bezahlt hat, also jener Ort, an dem der Käufer die Ware entgegengenommen hat und deshalb die Verfügungsgewalt über die Sache erlangte (vgl die zahlreichen Nachweise bei Simotta aaO Rz 183). Bei der Beurteilung, ob der Erfüllungsort tatsächlich nicht am Beklagtensitz gegeben ist, muss auch auf die Rechtsprechung Bedacht genommen werden, wonach die Tatbestände des Art 5 EuGVVO infolge Durchbrechung des Grundsatzes der Allzuständigkeit am Beklagtensitz eng auszulegen (vgl RIS Justiz RS0112833), im Zweifel also eher zu verneinen sind.

Diese Rechtslage ist auch für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts maßgeblich. Dem Umstand, dass nach § 285a ABGB Tiere keine Sachen sind, worauf die Beklagte im Revisionsrekursverfahren zutreffend hinweist, kommt insoweit keine weitere Bedeutung zu. Es entspricht herrschender Auffassung (vgl die zahlreichen Nachweise bei Simotta aaO EuGVVO Rz 159), dass der Begriff „Verkauf beweglicher Sachen“ autonom auszulegen ist. Es ergeben sich aber weder aus der EuGVVO 2000 selbst noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Hinweise darauf, dass Tiere nicht als „bewegliche Sachen“ im Sinne dieser Regelung verstanden werden sollten; auch die Beklagte vermag keine konkreten Hinweise anzuführen und hält in ihrem verbesserten Revisionsrekursschriftsatz ihre ursprüngliche Anregung, in diesem Zusammenhang ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art 267 AEUV an den EuGH zu richten, offensichtlich selbst nicht mehr aufrecht.

4.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erfolgte nach den Versteigerungen, bei denen die Klägerin als Erwerberin auftrat, die endgültige Auswahl durch G***** M***** im Stall bei der Viehmarkthalle, in dem nach den Versteigerungen die Tiere vorsortiert wurden; dort markierte er jeweils die Tiere, die er erwerben „wollte“. Auf diesen Umstand stützte das Rekursgericht seine Auffassung, die Übergabe der ersteigerten Tiere sei in Österreich erfolgt. Allerdings kam es im Anschluss daran zur Ausstellung der tierärztlichen Bescheinigungen, auf denen die Klägerin als Absenderin aufschien; die Angaben in diesen Bescheinigungen betreffend Absender und Empfänger bzw Bestimmungsort erhielt der Amtstierarzt von der Klägerin. In weiterer Folge stellten E***** F***** oder G***** M***** den Kontakt zum Transportunternehmen her; die Ausführungen des Rekursgerichts, G***** M***** habe im Anschluss an die Versteigerungen die Verladung und den Transport der Tiere veranlasst, weichen somit von den erstinstanzlichen Feststellungen ab. Tatsächlich rief in der Regel E***** F***** beim Transportunternehmen an und erklärte, es seien Tiere zu verladen. Zwar ging das Transportunternehmen davon aus, dass der Auftrag für den Transport von G***** M***** erteilt wurde; es wurden auch die Rechnungen von der Beklagten bezahlt. Allerdings schien in den Frachtpapieren die Klägerin als Absenderin auf und das Transportunternehmen hätte – bei Fehlen besonderer Vermerke in den Frachtpapieren – während des Transports (nur) Anweisungen der Klägerin akzeptiert und ausgeführt, nicht aber solche der Empfänger in Italien.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (C-381/08, Car Trimm/KeySafety , EuZW 2010, 301 [ Leible ] = NJW 2010, 1059 [ Piltz ] – ErwGr 61 f; ebenso 1 Ob 137/10v EvBl 2011/12 [ Garber ]) ist der Ort, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, bei einem Versendungskauf auf der Grundlage der Regelungen in diesem Vertrag zu bestimmen. Lässt sich der Lieferort auf dieser Grundlage ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen, sei dieser Ort derjenige der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Dieser Lieferort entspreche dem Ziel der räumlichen Nähe, weil es eine enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht gewährleistet. Ferner sei das grundlegende Ziel eines Vertrags über den Verkauf beweglicher Sachen ihre Übertragung vom Verkäufer an den Käufer; dieser Vorgang sei erst bei der Ankunft dieser beweglichen Sachen an ihrem endgültigen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen.

Da sich den Feststellungen im vorliegenden Fall nicht eindeutig entnehmen lässt, dass tatsächlich G***** M***** die Auswahl des Transportunternehmens und die Übergabe der Tiere an dieses zum Transport nach Italien veranlasste (insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von dem der Entscheidung 6 Ob 176/08p zugrunde liegenden), sondern vielmehr die Klägerin als Absenderin aufschien und auch E***** F***** den Transport organisierte, sind diese Grundsätze auch hier anzuwenden. Mangels einer konkret festgestellten Übergabe der Tiere in die Verfügungsmacht von G***** M***** in Österreich war die Übertragung vom Verkäufer an den Käufer erst bei der Ankunft der Tiere an ihrem endgültigen Bestimmungsort in Italien vollständig abgeschlossen.

4.2. Dies gilt erst recht für die Viehkäufe bei Landwirten ab Hof. Diese Tiere wurden von der Klägerin oder einem Zwischenhändler erworben und dann über eine Sammelstelle ins Ausland transportiert. Der jeweilige Händler oder die Klägerin brachten die Tiere zur Verladestelle der Klägerin; zu diesem Zeitpunkt war G***** M***** nicht mehr vor Ort. Es ist nicht ersichtlich, wo in Österreich die Tiere in die Verfügungsgewalt von G***** M***** gelangt sein sollten; er suchte diese vielmehr aus, die Klägerin oder der Zwischenhändler erwarben sie und versendeten sie nach Italien.

5. Damit fehlt es aber dem Erstgericht – und auch jedem anderen Gericht in Österreich – an der internationalen Zuständigkeit, weshalb der Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts wiederherzustellen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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  • RS0112833OGH Rechtssatz

    27. Juni 2023·3 Entscheidungen

    Als Ausnahme von der allgemeinen Zuständigkeitsregel des Art 2 ist Art 16 - vor allem zum Schutz der beklagten Partei und zur Vermeidung der Gefahr weiterer Ausdehnungen - im Zweifel eng auszulegen.