JudikaturJustiz6Ob65/18d

6Ob65/18d – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** H***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof Damian GmbH in Wien, Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Koller Schreiber Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Hermann Fröschl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 16.634,62 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2018, GZ 4 R 9/18z 25, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16. November 2017, GZ 35 Cg 38/16a 21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.175,22 EUR (darin 195,87 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig (§ 508 Abs 1 ZPO; RIS Justiz RS0042392 [T2]). Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS Justiz RS0042656).

2.1. Die mit dem Handelsrechts Änderungsgesetz BGBl I 2005/120 eingefügte Bestimmung des § 1170b ABGB sieht eine gesetzliche, vertraglich nicht abdingbare Sicherstellungspflicht des Werkbestellers unabhängig von der Unsicherheitseinrede des § 1052 Satz 2 ABGB vor. Die Sicherstellung nach dieser Gesetzesstelle kann nur bei Werkverträgen verlangt werden, in denen es um die Herstellung oder die Bearbeitung eines Bauwerks selbst, seiner Außenanlagen oder eines Teils davon geht. Kommt der Werkbesteller dem Sicherstellungsverlangen des Werkunternehmers nicht, nicht rechtzeitig oder sonst unzureichend nach, so kann dieser die Erbringung seiner Leistung verweigern und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären. In diesem Zusammenhang verweist § 1170b Abs 2 Satz 2 ABGB auf § 1168 Abs 2 ABGB. Damit soll klargestellt werden, dass der Entgeltanspruch des Unternehmers wie in den Fällen des § 1168 Abs 2 ABGB zu behandeln ist (1 Ob 107/16s; vgl auch 7 Ob 67/17d).

2.2. Zweck der Regelung ist es, den Insolvenzrisiken im Bau und Baunebengewerbe entgegenzuwirken. Die Obliegenheit des Werkbestellers, auf Verlangen des Unternehmers eine Sicherstellung zu leisten, wird mit dem Vertragsabschluss begründet und besteht bis zur vollständigen Bezahlung des Entgelts. Das Recht, Sicherstellung zu begehren, steht dem Werkunternehmer auch bei mangelhafter Bauleistung zu (1 Ob 107/16s mwN; vgl auch ErläutRV 1058 BlgNR 22. GP 72 f).

3.1. In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, das Recht auf Sicherstellung entstehe mit Vertragsabschluss (arg: „ab Vertragsabschluss“); die Geltendmachung setze nicht voraus, dass der Unternehmer bereits Vorleistungen erbracht habe ( Hörker in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 1170b Rz 31; Schauer in Krejci , Reform Kommentar ABGB § 1170b Rz 7; Schmidinger , Die Sicherstellung des Bauunternehmers nach § 1170b ABGB, bauaktuell 2012, 42).

3.2. Demgegenüber vertritt Schopper (Sicherstellung bei Bauverträgen – Der neue § 1170b ABGB, JAP 2006/2007/9, 55), für bloße Planungsarbeiten könne eine Sicherstellung nach § 1170b ABGB erst nach Beginn der faktischen Umsetzung des Plans durch konkrete Bautätigkeiten gefordert werden. Gleiches müsse gelten, wenn zwischen Vertragsabschluss und Baubeginn ein längerer Zeitraum liege und der Bauunternehmer Sicherstellung lange vor Baubeginn verlange. Dies ergebe sich vor allem aus dem Normzweck, wonach das besondere Insolvenzrisiko des vorleistungspflichtigen Bauunternehmers vermindert werden solle. Ein solches Risiko sei aber fernab jeder faktischen Bautätigkeit kaum erkennbar.

3.3. Rebhahn/Kietaibl (in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1170b Rz 9) gehen zwar davon aus, dass die Sicherstellung ab Vertragsabschluss begehrt werden könne. Aus der in § 1170b Abs 2 ABGB normierten angemessenen Frist für die Leistung der Sicherheit schließen sie jedoch, dass aufgrund der besonderen Interessenlage auch darauf abzustellen sei, wann nach dem Vertrag mit der geschuldeten Werkleistung (jeweils) begonnen werden solle. Dies sei insbesondere bei Werken relevant, die in Abschnitten zu erbringen und abzurechnen seien. Könne der Unternehmer sogleich Sicherstellung für das Entgelt für alle, auch die späteren Abschnitte verlangen, so würde der Besteller mit unnötigen Finanzierungskosten belastet. Bei manchen Sicherstellungsarten wäre er einem erhöhten Risiko einer Insolvenz des Unternehmers ausgesetzt, wenn er bereits bei Vertragsschluss die gesamte Sicherstellung leiste, obwohl der Unternehmer erst viel später mit der Werkherstellung beginnen müsse und die Sicherstellung unredlicherweise realisieren und/oder mit seinem eigenen Vermögen vermengen würde.

3.4. Nach den Gesetzesmaterialien fällt auch die Planung eines Hauses oder einer Heizungsanlage in den Anwendungsbereich des § 1170b ABGB. Damit wird klargestellt, dass auch rein planerisch tätige Personen wie zB Architekten, Statiker oder Ingenieure unter den Begriff des „Unternehmers eines Bauwerks, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teils hievon“ fallen können.

3.5. Nach Högel / Wiesinger (Offene Fragen zu § 1170b ABGB, JBl 2009, 156) ist § 1170b ABGB auch anwendbar, wenn die Planungsleistungen (noch) nicht im Bauwerk umgesetzt wurden und daher (noch) nicht zur Wertsteigerung des Grundstücks beigetragen haben: Die Sicherstellung nach § 1170b ABGB erfolge nicht durch das Baugrundstück selbst (in Form einer Hypothek); anders als bei der Sicherungshypothek des § 648 BGB handle es sich daher um eine grundstücksunabhängige Sicherheitsleistung. Die österreichische Regelung sei somit von einer unmittelbaren Beziehung zum Baugrundstück losgelöst.

3.6. Damit wird zutreffend ein bedeutsamer Unterschied zwischen § 1170b ABGB und § 648a BGB, der als Vorbild für die österreichische Regelung diente, aufgezeigt. Aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts entsteht der Anspruch auf Sicherstellung unabhängig von der Erbringung von Vorleistungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Eine jener Konstellationen, die nach Schopper und Rebhahn/Kietaibl eine einschränkende Auslegung des § 1170b ABGB rechtfertigen sollen, liegt hier nicht vor: Weder handelt es sich bei den beauftragten Leistungen um bloße Planungstätigkeiten, noch sollte das Werk in mehreren Abschnitten erbracht werden oder hätte eine ungewöhnlich lange Zeit zwischen Vertragsabschluss und Erbringung der Leistung liegen sollen. Im Übrigen verlangte die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ohnehin erst mehr als ein Jahr nach Vertragsabschluss Sicherstellung. Das Argument der Revisionswerberin, dass auch Bürgschaft und Pfandrecht vom Entstehen bzw vom Bestand des zu sichernden Rechts abhingen, geht ins Leere, weil § 1170b ABGB gerade keine derartige Akzessorietät zu einer Vorleistung des Werkunternehmers vorsieht. Vielmehr normiert diese Bestimmung in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit, dass die Sicherstellung grundsätzlich ab Vertragsschluss gefordert werden kann, also einem Zeitpunkt, in dem der Werkunternehmer in den seltensten Fällen bereits eine Vorleistung erbracht haben wird.

4. Entgegen den Revisionsausführungen hat das Berufungsgericht auch nicht etwa die als reine Obliegenheit des Bestellers gar nicht einklagbare Sicherstellung, sondern den Werklohn abzüglich der Ersparnis der Klägerin zugesprochen.

5. Zusammenfassend bringt die Revision sohin keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.