JudikaturJustiz6Ob58/21d

6Ob58/21d – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Firmenbuchsache der E*-Privatstiftung, FN *, über den Revisionsrekurs des Mitglieds des Stiftungsvorstands S*, vertreten durch Mag. Harald Stockinger, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. Februar 2021, GZ 6 R 34/21w 34, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 1. Februar 2021, GZ 72 Fr 16974/18x 32, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien ist zu FN * die E*-Privatstiftung und als deren Vorstandsmitglied (Stellvertreterin des Vorsitzenden) die Antragstellerin und nunmehrige Revisionsrekurswerberin eingetragen. Der vormalige Vorsitzende des Stiftungsvorstands ist am 19. 1. 2015 verstorben und seit 3. 11. 2016 im Firmenbuch gelöscht. Derzeit ist kein Vorsitzender des Stiftungsvorstands im Firmenbuch eingetragen.

[2] Nach der Stiftungsurkunde werden die Mitglieder des Stiftungsvorstands zu Lebzeiten des (einzigen) Stifters von diesem bestellt, und kann ein Mitglied des Stiftungsvorstands jederzeit ohne Angabe von Gründen zurücktreten, wobei die schriftliche Mitteilung über den Rücktritt an den Vorsitzenden des Vorstands oder dessen Stellvertreter zu richten ist.

[3] Die Antragstellerin will seit Jänner 2016 als Vorstandsmitglied zurücktreten. Sie konnte ihre Rücktrittserklärung an den Vorsitzenden des Stiftungsvorstands wegen dessen Ablebens nicht richten. Ein Versuch, die Rücktrittserklärung dem Stifter im Jahr 2016 zuzustellen, scheiterte, weil dieser un bekannten Aufenthalts war. Gegenüber dem Firmenbuchgericht erklärte sie erstmals am 19. 11. 2020 (eingelangt am 20. 11. 2020) ihren Rücktritt als Vorstandsmitglied. Sie beantragt ihre Löschung als Vorstandsmitglied im Firmenbuch.

[4] Die Vorinstanzen wiesen diesen Antrag ab. Das Rekursgericht führte aus, eine Rücktrittserklärung gegenüber dem Firmenbuchgericht komme im konkreten Fall nur dann in Betracht, wenn der Stifter als zur (Nach )Bestellung berufene Stelle unbekannten Aufenthalts sei , weil auch nur dann die bloß subsidiäre Bestellungskompetenz des Gerichts nach § 27 Abs 1 PSG bestehe. Die vom Gesetz für die Bestellung eines Zustellkurators (nach § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG bzw § 116 ZPO) geforderte Abwesenheit liege erst vor ( sei erst für bescheinigt zu halten), wenn der Aufenthalt einer Person auch dem Personenkreis unbekannt ist, der üblicherweise vom Aufenthalt Kenntnis haben müsste. Der Antragsteller müsse vergeblich versucht haben, den Aufenthaltsort (die Abgabestelle) des Empfängers zu ermitteln, und dies behaupten und bescheinigen. Ein Postfehlbericht sei ebenso wie negative Meldeauskünfte im Regelfall unzureichend. Berücksichtige man, dass die Abgabe einer Rücktrittserklärung dem Firmenbuchgericht und nicht der in der Stiftungsurkunde dazu vorgesehenen bzw zur (Nach )Bestellung berufenen Stelle gegenüber nur ausnahmsweise, nämlich bei Fehlen der genannten Stelle, möglich sein soll, seien die Bescheinigungsmaßstäbe für die Bestellung eines Zustellkurators auch für die Möglichkeit, die Rücktrittserklärung (subsidiär) gegenüber dem Firmenbuchgericht abzugeben, heranzuziehen . Davon ausgehend reichten Erhebungen i m Jahr 2016 – auch im Zusammenhalt mit einer aktuellen negativen ZMR Auskunft – nicht aus, den fortdauernden unbekannten Aufenthalt des Stifters im Jahr 2021 zu bescheinigen.

[5] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu; es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Parteistellung eines Mitglieds des Stiftungsvorstands im Firmenbuchverfahren auf Löschung infolge Rücktrittserklärung sowie zu den näheren Voraussetzungen der Löschung eines Mitglieds eines Stiftungsvorstands bei Ableben des in der Stiftungsurkunde für die Rücktrittserklärung vorgesehenen Erklärungsadressaten sowie Abwesenheit der zur Bestellung berufenen Stelle.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist unzuläss ig .

[7] 1. Selbst wenn das Rekursgericht – zu Recht – ausgesprochen hatte, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist der Revisionsrekurs trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RS0102059). Dieser Grundsatz gilt auch im außerstreitigen Verfahren jedenfalls dann, wenn im Revisionsrekurs eine erhebliche Rechtsfrage nicht einmal angesprochen wird (RS0102059 [T15, T18]).

[8] Die Revisionsrekurswerberin führt zu den vom Rekursgericht in seiner Zulassungsbegründung angesprochenen Rechtsfragen nichts aus.

[9] 2. Das Rechtsmittel zeigt aber auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[10] 2.1. Unzutreffend ist der Vorwurf der Revisionsrekurswerberin, das Erstgericht habe entgegen der Anweisung des Rekursgerichts im Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang vom 24. 7. 2020 von sich aus keine Verfahrensergänzungen durchgeführt: Die ausführlichen Rechtsausführungen des Rekursgerichts im Aufhebungsbeschluss zeigen ergänzenden Handlungsbedarf der Antragstellerin, nicht aber des Erstgerichts auf.

[11] 2.2. Es mag sein, dass die von der Revisionsrekurswerberin im Jahr 2016 durchgeführten Erhebungsschritte über den Aufenthalt des Stifters ausreichend waren. Da sie ihren Rücktritt gegenüber dem Firmenbuchgericht aber erstmals Ende 2020, somit mehr als vier Jahre nach den seinerzeitigen Erhebungen, erklärt hat, begegnet die Beurteilung des Rekursgerichts keinen Bedenken, weil die Unauffindbarkeit des Stifters zeitnah zur Rücktrittserklärung gegenüber dem Firmenbuchgericht bescheinigt sein muss. Dies ist bei mehr als vier Jahren Zeitabstand nicht der Fall.

[12] 2.3. Um ein gerichtliches Abberufungsverfahren aus wichtigem Grund nach § 27 Abs 2 PSG handelt es sich hier nicht, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen der Revisionsrekurswerberin ins Leere gehen.

[13] 2.4. Dass das Rekursgericht weitere (qualitativ über die im Jahr 2016 getätigten hinausgehende) Nachforschungen über den Verbleib des Stifters verlangt hätte, lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Dass eine Wiederholung der im Jahr 2016 behauptetermaßen durchgeführten Recherchen jetzt unzumutbar oder unfinanzierbar wäre, behauptet die Revisionsrekurswerberin ebenfalls nicht.

[14] 3. Mangels aufgezeigter erheblicher Rechtsfrage ist der Revisionsrekurs somit zurückzuweisen.

[15] 4. Da aus dem Akt durchaus Indizien für die (auch von der Antragstellerin behauptete) Vermögenslosigkeit der Stiftung vorliegen, kann vom Erstgericht in weiterer Folge auch ein Amtslöschungsverfahren nach § 42 iVm §§ 39 bis 41 FBG erwogen werden.