JudikaturJustiz6Ob571/93

6Ob571/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. August 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Andreas F*****, infolge Revisionsrekurses des Minderjährigen und des Wahlvaters Franz F*****, beide vertreten durch Dr.Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 4.Mai 1993, GZ 22a R 147/93-23, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 12.Jänner 1993, GZ 21 P 13/92-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der mj. Andreas F*****, ist der eheliche Sohn der Maria F***** und des Hieronim S*****, deren Ehe am 7.7.1987 geschieden wurde. Der Minderjährige ist polnischer Staatsbürger.

Am 6.7.1990 schlossen Franz F***** und der Minderjährige, vertreten durch seine Mutter, einen Vertrag über die Annahme an Kindesstatt, der mit Beschluß des Erstgerichtes vom 28.2.1991 genehmigt wurde.

Der Wahlvater und die leibliche Mutter hatten am 8.8.1989 vor dem Standesamt Salzburg die Ehe geschlossen; das Wahlkind lebte seit Juli 1989 mit ihnen im gemeinsamen Haushalt.

Mit rechtskräftigem Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 29.9.1992 wurde die Ehe gemäß § 55a EheG geschieden. Im Scheidungvergleich wurde die Übertragung der Obsorge für den Minderjährigen an die Mutter vereinbart. Der Wahlvater verpflichtete sich, "bis zur Auflösung der Adoption" für den Minderjährigen einen monatlichen Unterhalt von S 1.500,-- zu zahlen. Der Minderjährige besucht noch die Schule.

Am 15.12.1992 beantragte der Minderjährige, vertreten durch seine Mutter, die Aufhebung des Adoptionsvertrages gemäß § 184a Abs 1 Z 3 ABGB. Der hiezu vernommene Minderjährige sowie der Adoptivvater schlossen sich dem Antrag an. Die Parteien brachten vor, Mutter und Kind beabsichtigten, nach Polen zurückzukehren. Es sei für das Kind vorteilhaft, wiederum den polnischen Familiennamen zu tragen, da in Polen eine gewisse Abneigung gegen deutschstämmige Personen bestehe und dem Minderjährigen allenfalls gegenüber Behörden, der Bevölkerung und im Beruf Nachteile beim Tragen eines deutschen Familiennamens entstehen könnten. Die Urgroßmutter väterlicherseits bestehe unter Androhung, dem Minderjährigen die ihm zugedachte Erbschaft zu entziehen, darauf, daß dieser seinen früheren polnischen Namen trage. Der Adoptivvater brachte vor, daß ein polnischer Familienname die Integration in Polen erleichtern könnte. Die Parteien, die ihren Antrag ausdrücklich auf § 184a Abs 1 Z 3 ABGB stützten, stellten keine Behauptung auf, das Wohl des Minderjährigen sei im Falle der Aufrechterhaltung der Adoption ernstlich gefährdet.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Aufhebung des Adoptionsvertrages ab. Es erachtete die Voraussetzungen des § 184a Abs 1 Z 3 ABGB als nicht gegeben, weil die für den Fall einer von der Mutter erst geplanten Übersiedlung nach Polen befürchteten Nachteile wesentlich geringer einzuschätzen seien als der Verlust des Unterhaltsanspruches des Minderjährigen, der die Schule noch nicht abgeschlossen habe, gegenüber dem Wahlvater.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beteiligten keine Folge.

Nach § 26 Abs 1 IPRG sei österreichisches Recht anzuwenden. Gemäß § 184a Abs 1 Z 3 ABGB sei die Wahlkindschaft auf Antrag des Wahlkindes vom Gericht aufzuheben, wenn die Aufhebung nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe der Wahleltern oder nach dem Tode des Wahlvaters (der Wahlmutter) dem Wohl des Wahlkindes diene und nicht einem gerechtfertigten Anliegen des (der) von der Aufhebung betroffenen, wenn auch bereits verstorbenen Wahlvaters (Wahlmutter) widerspreche. Nach Abs 2 dürfe die Aufhebung im Sinne des Abs 1, wenn die Wahlkindschaft gegenüber einem Wahlvater und einer Wahlmutter bestehe, nur beiden gegenüber bewilligt werden; die Aufhebung gegenüber einem von ihnen allein sei nur im Falle der Auflösung oder Nichtigerklärung ihrer Ehe zulässig. Die Bestimmung des Abs 1 Z 3 leg.cit. nenne ausdrücklich nur den Fall der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe der Wahleltern, beziehe somit den Fall der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe des Wahlelternteiles mit einem leiblichen Elternteil nicht unter die Aufhebungsgründe ein. Da nach § 185a ABGB ein Widerruf oder eine Aufhebung der Adoption aus anderen als den im § 184 und 184a angeführten Gründen unzulässig sei, komme eine Erweiterung dieser Gründe im Wege der Analogie nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes und dessen Zweck, durch rigorose Einschränkung der Auflösungsgründe der Adoption Dauer zu verschaffen, nicht in Betracht. Dem von den Auflösungswerbern ausdrücklich auf § 184a Abs 1 Z 3 ABGB gestützten Auflösungsantrag stehe daher der klare Wortlaut des Gesetzes entgegen. Eine Analogie auf einen Fall wie den vorliegenden komme nicht in Betracht.

Für eine amtswegige Aufhebung des Adoptionsvertrages nach § 184a Abs 1 Z 2 ABGB sei kein Raum, weil die Aufrechterhaltung der Wahlkindschaft das Wohl des nicht eigenberechtigten Kindes keineswegs ernsthaft gefährde. Solche Anzeichen seien dem gesamten Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu der über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Frage, ob § 184a Abs 1 Z 3 ABGB auch auf den Fall der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe eines leiblichen Elternteiles mit dem Wahlelternteil anzuwenden sei, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Es trifft zu, daß im § 184a Abs 1 Z 3 ABGB als Aufhebungsgrund nach dem Wortlaut des Gesetzes nur der Fall der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe der Wahleltern oder der Tod des Wahlvaters (der Wahlmutter) als Aufhebungsgrund angeführt ist, wenn die Aufhebung dem Wohl des Wahlkindes dient und nicht einem gerechtfertigten Anliegen des von der Aufhebung betroffenen (wenn auch bereits verstorbenen) Wahlvaters (bzw der Wahlmutter) widerspricht und § 185a ABGB eine Aufhebung aus anderen als den in §§ 184 und 184a ABGB angeführten Gründen verbietet, somit eine Analogie ausschließt. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ist jedoch die Frage, ob die Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe zwischen einem leiblichen Elternteil und einem Wahlelternteil unter die Bestimmung des § 184a Abs 1 Z 3 ABGB zu subsumieren ist, nicht im Wege der Analogie, sondern durch bloße Gesetzesauslegung zu lösen.

Da in den §§ 184 und 184a ABGB Widerruf und Aufhebung der Adoption geregelt sind, es also nur um die Rechtsbeziehungen zwischen Wahlkind und Wahleltern oder Wahlelternteil geht, werden die leibliche Eltern, die ja nicht Vertragsparteien waren, darin nicht gesondert erwähnt. Das Gesetz geht aber von einem übergeordneten Elternbegriff aus.

Die Regierungsvorlage zum Adoptionsgesetz (107 BlgNR 9.GP, 27) führt zur Z 3 des § 184 aus: "Es ist vorgesehen, daß die Wahlkindschaft bei der Annahme durch Wahleltern beiden, oder nach Abs.2 2.Halbsatz auch nur einem von ihnen gegenüber aufgehoben werden kann, wenn die Ehe der Wahleltern durch Gerichtsurteil oder durch Tod aufgelöst oder für nichtig erklärt wird. In diesen Fällen schreitet oft ein Wahlelternteil zu einer neuen Ehe. Nun soll die Möglichkeit bestehen, nach Aufhebung der Wahlkindschaft zu dem nicht mehr in Hausgemeinschaft mit dem Wahlkind lebenden oder bereits verstorbenen Wahlelternteil eine neue Wahlkindschaft zu begründen. Hiefür wird besonders der neue Ehegatte des verbliebenen Wahlelternteiles in Frage kommen. Voraussetzung ist jedoch, daß die Aufhebung der Wahlkindschaft dem Wohl des Wahlkindes dient ...., das Wohl des Wahlkindes wird in der Begründung oder Erhaltung geordneter Familienverhältnisse liegen" und zu Abs.2: "Die Annahme an Kindesstatt darf nur beiden Wahlelternteilen gegenüber gemeinsam aufgehoben werden. Dieser Grundsatz findet sein Vorbild in der natürlichen Familie, in der man ebenfalls nicht die Elternteile nach Belieben wechseln kann".

Die gleiche Situation und der gleiche Zweck liegen vor, wenn eine Ehe zwischen dem leiblichen Elternteil und dem Wahlelternteil aufgelöst oder für nichtig erklärt wird. Auch hier verbleibt ein Elternteil, sogar der natürliche, der zu einer neuen Ehe schreiten und, um wieder eine einheitliche vollständige Familie zu gründen, den Wunsch haben kann, eine neue Wahlkindschaft zu begründen. Noch viel weniger werden hier die Elternteile "nach Belieben gewechselt". Der Gesetzgeber geht also von einem einheitlichen Elternbegriff aus und spricht nur deshalb - nicht einschränkend gemeint - nur von Wahleltern, weil es ja um adoptionsrechtliche Regelungen geht. Auch die Auflösung oder Nichtigerklärung einer Ehe zwischen einem leiblichen Elternteil und einem Wahlelternteil ist daher dem Aufhebungsgrund des § 184a Abs 1 Z 3 ABGB zu unterstellen.

Über die Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe hinaus ist für die Aufhebung des Adoptionsvertrages aber erforderlich, daß diese auch dem Wohl des Wahlkindes dient. Der Minderjährige hat zumindest seit 1989 (seit wann er sich tatsächlich in Österreich aufhält, geht aus dem Akteninhalt nicht hervor) in Österreich gelebt, hier mit seiner Berufsausbildung begonnen und die Schule noch nicht abgeschlossen. Die Mutter hat angegeben, für den Fall der Aufhebung der Adoption unmittelbar nach Polen zurückkehren zu wollen, wo sie versuchen werde, ihren Sohn weiter ausbilden zu lassen. Da er zu alt sei, werde er aber wahrscheinlich in eine Abendschule gehen müssen. Wenn sie aber "hier bleiben müsse", werde er das dritte Lehrjahr (als Mechaniker- und Autoelektrikerlehrling) absolvieren. Der Wahlvater hat sich im Scheidungsvergleich zu Unterhaltszahlungen "bis zur beantragten Auflösung der Adoption" verpflichtet. Wägt man den Unterhaltsanspruch gegenüber dem Wahlvater und die Möglichkeit, in absehbar kurzer Zeit einen Abschluß der in Österreich begonnenen Berufsausbildung in einem gefragten Beruf zu erlangen, gegen die doch wesentlich übertrieben dargestellten Auswirkungen eines deutschen Namens eines Polen polnischer Abstammung in Polen (der Minderjährige selbst meint hiezu, er habe keine direkten Schwierigkeiten wegen seines Namens; es wäre für ihn wegen seiner Personenstandsurkunden nur einfacher, wenn er so wie früher heißen könnte) sowie die ungewisse Chance auf eine Erbschaft in ungewisser Höhe gegeneinander ab, so erscheint die Aufrechterhaltung des Adoptionsverhältnisses derzeit im Interesse des Wohles des Minderjährigen gerechtfertigt. Diesem bleibt es unbenommen, nach seiner schon bald eintretenden Volljährigkeit selbständig darüber zu entscheiden, ob er unabhängig vom Willen seiner Mutter im Einvernehmen mit seinem Wahlvater einen Aufhebungsantrag nach § 184a Abs 1 Z 4 ABGB stellen will.

Dem Revisionsrekurs war daher im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.