JudikaturJustiz6Ob541/86

6Ob541/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Klinger und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prof. Dr. Alfred M***, Zeitungsherausgeber, Oberweis, Haus Traunegg, vertreten durch Dr. Julius Jeanee, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D*** UND Z*** J.W*** Gesellschaft m.b.H., Linz,

Promenade 23, vertreten durch Dr. Hans Oberndorfer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses (Streitwert 600.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 7. November 1985, GZ 3 b R 90/85-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 17.April l985, GZ 7 Cg 442/84-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

1. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Die Revision wird, soweit mit ihr Nichtigkeit geltend gemacht wird, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Im übrigen wird der Revision nicht stattgegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 18.522,15 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 2.400 S und an Umsatzsteuer 1.465,65 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten Gesellschaft m.b.H. Seine Stammeinlage von 3.9 Mill.S entspricht 26 % des Stammkapitals von 15 Mill.S. Der zweite Gesellschafter ist eine Kommanditgesellschaft. Deren Stammeinlage von 11.1 Mill.S entspricht 74 % des Stammkapitals. Gesellschaftsvertraglich bestimmter Unternehmensgegenstand ist die Herausgabe, der Druck, der Verlag und der Vertrieb von Tages- und Wochenzeitungen, Büchern und Druckerzeugnissen aller Art. Der Gesellschaftsvertrag sieht ausdrücklich vor, daß die Gesellschaft einen oder mehrere, von der Generalversammlung zu bestellende und abzuberufende Geschäftsführer hat, wobei alle Willenserklärungen der Gesellschaft, wenn mehr als ein Geschäftsführer bestellt ist, durch zwei Geschäftsführer gemeinsam zu erfolgen haben.

Dazu stellte das Berufungsgericht ergänzend fest: In der Gesellschafterversammlung vom 17.Dezember 1982 haben die beiden

Gesellschafter erklärt:

"Die Gesellschafter stimmen überein, daß jede der beiden Gesellschaftergruppen das Recht hat, einen Geschäftsführer namhaft zu machen.

Im Falle der dauernden Verhinderung ihres Geschäftsführers hat also die jeweilige Gesellschaftergruppe das Recht und die Pflicht, umgehend einen geeigneten Geschäftsführer vorzuschlagen. Die Gesellschafterversammlung verpflichtet sich in diesem Falle, die Bestellung zum Geschäftsführer durchzuführen.

Für längerfristige Verhinderung ist von der jeweiligen Gesellschaftergruppe zunächst ein Bevollmächtigter zu bestellen."

Bis zur Abänderung des Gesellschaftsvertrages in der außerordentlichen Generalversammlung vom 14.Dezember 1984 traf diese keine Anordnung, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden sollten. Über die Beschlußfassung der Gesellschafter in der Generalversammlung ordnete der Gesellschaftsvertrag unter anderem an:

"Die Generalversammlung wird von dem oder den Geschäftsführern mittels eingeschriebenen Briefes einberufen, die mindestens eine Woche vor dem Tage der Generalversammlung zur Post aufzugeben sind.

Es ist auch jeder Gesellschafter, ohne Rücksicht auf die Höhe seines

Geschäftsanteiles berechtigt, eine Generalversammlung

einzuberufen.............. Die Ausübung des Stimmrechtes durch

Bevollmächtigte der Gesellschafter ist zulässig. Die Gesellschafter

sind berechtigt, die in diesem Vertrag oder im Gesetze ihnen

vorbehaltenen Beschlüsse auch im Wege der schriftlichen Abstimmung

zu fassen......... Die Generalversammlung faßt ihre Beschlüsse,

soweit gesetzlich oder in diesem Vertrag nicht etwas anderes

bestimmt ist, mit einfacher Mehrheit.

In folgenden Gegenständen ist die Entscheidung der

Beschlußfassung durch die Generalversammlung, und zwar mit einer

Mehrheit von wenigstens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen

vorbehalten: a) Bestellung der Geschäftsführer, des Chefredakteurs,

des stellvertretenden Chefredakteurs und des innenpolitischen

Redakteurs sowie Erteilung der Prokura;.......g) Abschluß von

Dienstverträgen bei welchen das Jahresgehalt S 100.000 (Schilling

hunderttausend) übersteigt;...... Die unter lit d, e, f, g genannten

Wertgrenzen erhöhen oder vermindern sich verhältnismäßig in dem Maße, als der vom Österreichischen Statistischen Zentralamt veröffentlichte Index der Kleinhandelspreise gegenüber dem Stand vom Jänner 1953 eine Veränderung erfährt. Veränderungen unter 5 % bleiben außer Anschlag."

Im Jahre 1984 waren zwei Geschäftsführer bestellt. Der eine von ihnen war gleichzeitig alleinvertretungsbefugter Komplementär der Mehrheitsgesellschafterin. Die Bestellung des anderen Geschäftsführers war auf die Namhaftmachung des Minderheitsgesellschafters zurückgegangen. Dieser Geschäftsführer hatte bei einer vom anderen Geschäftsführer (im Sinne der Mehrheitsgesellschafterin) geforderten Kündigung von Dienstverhältnissen der Gesellschaft mit der Tochter des Minderheitsgesellschafters und mit zwei weiteren Dienstnehmern nicht mitgewirkt. Darauf kam es Ende Juni 1984 zu einer Abstimmung der Gesellschafter auf schriftlichem Wege über eine an die Geschäftsführer wegen der Dienstvertragskündigungen zu erteilende Weisung. Gegen die Stimme des Minderheitsgesellschafters und mit der Stimme der Mehrheitsgesellschafterin wurde deren Antrag gemäß beschlossen, den Geschäftsführern die Weisung zu erteilen, die erwähnten drei Dienstverträge zum nächst möglichen Termin zu kündigen. Der Minderheitsgesellschafter erhob gegen diesen Gesellschafterbeschluß eine Klage auf Nichtigerklärung hilfsweise stellte er das Begehren auf Feststellung, daß der Beschluß mangels Zustimmung des Aufsichtsrates unwirksam sei.

Der sich den Dienstnehmerkündigungen widersetzende Geschäftsführer verweigerte nun auch jede Mitwirkung an Prozeßhandlungen zur Abwehr des vom Minderheitsgesellschafter gestellten Klagebegehrens, insbesondere die Mitwirkung an der Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten für die beklagte Gesellschaft.

Zur Vermeidung prozessualer Säumnis lud der andere Geschäftsführer, der auch alleinvertretungsbefugter Komplementär der Mehrheitsgesellschafterin ist, mit Schreiben vom 19.November 1984 die beiden Gesellschafter für 29.November 1984 zu einer außerordentlichen Generalversammlung am Sitz der Gesellschaft. In dieser Einberufung war als Tagesordnung wörtlich angegeben:

"1. Beschlußfassung über die Erteilung der Weisung an die

Geschäftsführung für den gegen die......."

(Gesellschaft m.b.H.)......"zur GZ ......beim

Landesgericht.......anhängigen Prozeß auf Nichtigerklärung eines

Generalversammlungsbeschlusses Herrn Dr........Rechtsanwalt in...

spätestens am 30.11.1984 Prozeßvollmacht zu erteilen;

2. Bestellung des..."(zu Punkt 1 genannten

Rechtsanwaltes)... "als besonderen Vertreter der..."

(Gesellschaft m.b.H.)... "für die Durchführung des oben bezeichneten

Rechtsstreites für den Fall, daß Herrn Rechtsanwalt...vON.."(dem sich widersetzenden Geschäftsführer) "namens der..."(Gesellschaft m.b.H.) "nicht ohnehin bis spätestens 30.11.1984 Prozeßvollmacht erteilt worden sein sollte."

Nach der notariellen Niederschrift über die am 29.November 1984 abgehaltene außerordentliche Generalversammlung fanden sich der alleinvertretungsbefugte Komplementär der Mehrheitsgesellschafterin, ein von dieser mit Stimmrechtsvollmacht ausgestatteter Rechtsanwalt und ein vom Minderheitsgesellschafter bevollmächtigter Rechtsanwalt ein und wurden im Protokoll als "gegenwärtig" bezeichnet. Nach der Feststellung, daß das gesamte Stammkapital der Gesellschaft vertreten, die Generalversammlung somit in allen Punkten voll beschlußfähig und die Einladungen rechtzeitig erfolgt seien, beantragte der Vertreter der Mehrheitsgesellschafterin die Weisung an die Geschäftsführer zur Erteilung der Prozeßvollmacht im Sinne des Punktes 1 der Tagesordnung. Der Vertreter des Minderheitsgesellschafters erklärte, in der beantragten Beschlußfassung eine - vertraglich - unzulässige Majorisierung des Minderheitsgesellschafters zu erblicken, erachtete aus diesem Grunde den von ihm klageweise angefochtenen Gesellschafterbeschluß über die Weisung zu den Dienstnehmerkündigungen als zu Recht angefochten und sprach sich gegen die beantragte Beschlußfassung aus. Der Vertreter der Mehrheitsgesellschafterin widersprach der geäußerten Ansicht über eine unzulässige Majorisierung und machte ausdrücklich geltend, daß dem Minderheitsgesellschafter gemäß § 39 Abs4 GmbHG kein Stimmrecht zustehe, weil es "um die Erledigungen eines Rechtsstreites zwischen ihm und der Gesellschaft geht". Dem entgegnete der Vertreter des Minderheitsgesellschafters, der Sache nach liege ein Streit zwischen den beiden Gesellschaftern vor; wäre nach § 39 Abs4 GmbHG der Minderheitsgesellschafter als Kläger im Rechtsstreit vom Stimmrecht in der Generalversammlung ausgeschlossen, müßte das in gleicher Weise auch für die Mehrheitsgesellschafterin gelten. Der Vertreter des Minderheitsgesellschafters folgerte weiter aus dem Motiv der sogenannten paritätischen Willensbildung, die Gesamtvertretungsbefugnis bewirke, daß mangels Einigkeit der beiden Geschäftsführer die Prozeßführung (wie jeder andere Geschäftsführungsakt) zu unterbleiben habe. Der Vertreter der Mehrheitsgesellschafterin stimmte für, der Vertreter des Minderheitsgesellschafters gegen den Antrag im Sinne des ersten Tagesordnungspunktes. Nach der Niederschrift wurde der Antrag im Stimmenverhältnis von 74 : 26 als angenommen festgestellt. Hierauf erhob der Vertreter des Minderheitsgesellschafters unter Hinweis auf seine protokollierten Ausführungen Widerspruch gegen die Beschlußfassung.

Zum zweiten Punkt der Tagesordnung beantragte der Vertreter der Mehrheitsgesellschafterin a) nicht den in der Einberufung genannten Rechtsanwalt, sondern dessen Kanzleikollegen und b) nicht bloß für die Vertretung der Gesellschaft im bereits anhängigen Rechtsstreit, sondern darüber hinaus auch "für den Fall eines weiteren Rechtsstreites auf Nichtigerklärung der heutigen Generalversammlungsbeschlüsse" als besonderen Vertreter der Gesellschaft zu bestellen. Der Vertreter des Minderheitsgesellschafters verwahrte sich gegen diese als "Erweiterung der Tagesordnung" bezeichneten Abweichungen des Beschlußantrages von der bekanntgegebenen Tagesordnung, machte die bereits zum ersten Tagesordnungspunkt ausgeführten Einwendungen und sprach sich gegen die Bestellung des genannten Rechtsanwaltes als besonderen Vertreters der Gesellschaft aus, weil diesen infolge seiner Beziehungen zur Mehrheitsgesellschafterin und deren Gesellschaftern die Eignung zur unparteiischen Vertretung der Gesellschaft fehle. Der Vertreter des Minderheitsgesellschafters wies auch auf einen bereits gestellten gerichtlichen Antrag hin, den nach dem Antrag vorgeschlagenen Prozeßvertreter als Notgeschäftsführer im Sinne des § 15 a GmbHG zu bestellen, und erblickte darin ein Hindernis gegen die beabsichtigte Beschlußfassung. Der in der Generalversammlung formulierte Antrag der Mehrheitsgesellschafterin zur Bestellung eines Prozeßvertreters für die Gesellschaft wurde im selben Stimmenverhältnis angenommen wie der Antrag zum ersten Tagesordnungspunkt. Der Vertreter des Minderheitsgesellschafters erhob unter Hinweis auf seine protokollierten Ausführungen Widerspruch gegen den Beschluß. Im Rechtsstreit über die Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses auf Erteilung einer Weisung an die Geschäftsführer zu den Dienstnehmerkündigungen schritt für die Gesellschaft der Rechtsanwalt ein, dessen Bestellung als Prozeßvertreter mit dem Generalversammlungsbeschluß vom 29. November 1984 beschlossen worden war.

Mit der am 19.Dezember 1984 bei Gericht eingelangten Klage begehrte der Minderheitsgesellschafter die Nichtigerklärung der beiden in der Generalversammlung vom 29.November 1984 gegen seine Stimme zustande gekommenen Gesellschafterbeschlüsse. Hilfsweise begehrte er die Feststellung, daß diese beiden Beschlüsse der Genehmigung des Aufsichtsrates bedürften und infolge unterbliebener Genehmigung nicht rechtswirksam seien.

Der Kläger stützte sein Hauptbegehren im wesentlichen auf die bereits in der Generalversammlung vorgebrachten Argumente unzulässiger Umgehung der gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Organstellung der bloß gesamtvertretungsbefugten beiden Geschäftsführer, der vertraglich unzulässigen Majorisierung des Minderheitsgesellschafters (Erfordernis der Dreiviertelmehrheit) sowie der unzulässigen Parallelität zum gerichtlichen Bestellungsverfahren gemäß § 15 a GmbHG; in Ansehung der Bestellung des Prozeßvertreters machte der Kläger überdies formelle Mängel durch Überschreitung der bekannt gegebenen Tagesordnung geltend. Sein Hilfsbegehren gründete der Kläger auf die Wertung der den Gegenstand der Gesellschafterbeschlüsse vom 29.November 1984 bildenden Geschäftsfälle als außerordentlich und deshalb der Genehmigung des Aufsichtsrates bedürftig.

Die beklagte Gesellschaft wendete ein, die Erteilung von Weisungen der Generalversammlung an die Geschäftsführer sei zulässig, sie unterliege nach richtiger Auslegung des Gesellschaftsvertrages weder einer Beschlußfassung mit Dreiviertelmehrheit noch der Zustimmung des Aufsichtsrates; ein Gesellschafterbeschluß dürfte der gerichtlichen Nachprüfung keinesfalls durch eine vom Kläger (und dem von ihm namhaft gemachten Geschäftsführer) gewählte Vorgangsweise entzogen werden; die vom Kläger gerügte Formverletzung liege nicht vor, wäre aber überdies im Sinne des § 38 Abs4 GmbHG unerheblich; davon abgesehen wäre die Formverletzung auf das Abstimmungsergebnis ohne jeden Einfluß geblieben.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Hilfsbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil; dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.

Das Erstgericht hatte in rechtlicher Beurteilung gefolgert:

Der vom Kläger geltend gemachte Formverstoß wäre einerseits im Sinne des § 38 Abs4 GmbHG geheilt und andererseits schon deshalb unbeachtlich, weil der Willensbildungsprozeß in der Generalversammlung auch bei Beobachtung der vom Kläger als verletzt angesehenen Formvorschrift nicht anders ausgefallen wäre. In erweiternder Auslegung des § 20 GmbHG könnten den Geschäftsführern durch Gesellschafterbeschluß verbindliche Weisungen erteilt werden; in der Festlegung einer Gesamtvertretungsbefugnis der Geschäftsführer liege kein genereller Verzicht auf dieses Weisungsrecht. Mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag seien Gesellschafterbeschlüsse auf Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer mit einfacher Stimmenmehrheit zu fassen. § 28 Abs1 GmbHG anerkenne die Vertretung der Gesellschaft durch "sonstige Bevollmächtigte", der Gesellschaftsvertrag schließe diese Vertretungsart nicht aus; ein solcher besonderer Vertreter könne von der Generalversammlung mit einfacher Mehrheit bestellt werden, weil eine Analogie zu den nach dem Gesellschaftsvertrag einer Beschlußfassung mit Dreiviertelmehrheit unterworfenen Bestellung eines Geschäftsführers oder gar ein Größenschluß aus der demselben Mehrheitserfordernis unterworfenen Erteilung der Prokura im Hinblick auf den ein bestimmtes Einzelgeschäft (Rechtsstreit) beschränkten Aufgabenbereich des besonderen Vertreters nicht gerechtfertigt seien. Die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 15 a GmbHG beraube die zuständigen Gesellschaftsorgane in keiner Weise der Berechtigung, ihrerseits für eine ordnungsgemäße Vertretung der Gesellschaft vorzusorgen.

Das Hilfsbegehren erachtete das Erstgericht als unzulässig, weil es außerhalb der Nichtigkeitsklage keine Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen gäbe; das Feststellungsbegehren sei aber auch materiell nicht gerechtfertigt, weil nach der im Zeitpunkt der Beschlußfassung vom 29.November 1984 geltenden Fassung des Gesellschaftsvertrages der beklagten Gesellschaft deren Aufsichtsrat im Sinne des § 30 j Abs5 GmbHG die Zustimmung zu keiner Art von Geschäften übertragen gewesen sei.

Das Berufungsgericht stellte an die Spitze seiner rechtlichen Beurteilung die Erwägung, die Lahmlegung der Geschäftsführung durch einen von zwei gesamtvertretungsbefugten Geschäftsführern dürfe - auch bei einem zwischen Minderheits- und Mehrheitsgesellschafter abgesprochenen Erfordernis der Einstimmigkeit in allen Geschäftsführungsfällen - nicht zur Verhinderung einer Sachentscheidung in einem Rechtsstreit nach § 41 GmbHG führen. Im Falle einer gegen die Gesellschaft anhängig gemachten Klage auf Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses müsse die Möglichkeit bestehen, daß andere Gesellschaftsorgane für eine Vertretung der beklagten Gesellschaft im Rechtsstreit sorgten. Die Generalversammlung sei als oberstes Organ der Gesellschaft zur Bestellung eines Prozeßvertreters im Sinne des § 28 GmbHG befugt. Sei die Nichtbeachtung einer von der Generalversammlung den Geschäftsführern erteilten Weisung vorauszusehen, wie dies für den im Sinne des Punktes 1 der Tagesordnung in der außerordentlichen Generalversammlung vom 29.November 1984 gefaßten Beschluß der Fall gewesen sei, könne die Generalversammlung auch schon für diesen Fall die nötigen Maßnahmen zur Abhilfe selbst treffen. Das Berufungsgericht billigte die erstgerichtlichen Folgerungen zum gerügten Mangel des Einberufungsvorganges, daß nämlich ein solcher Mangel, wenn er tatsächlich unterlaufen wäre, gemäß § 38 Abs4 GmbHG unschädlich wäre und er überdies keinen Einfluß auf das konkrete Abstimmungsergebnis gehabt hätte. Ebenso teilte das Berufungsgericht die erstrichterliche Beurteilung, daß zur Beschlußfassung der Generalversammlung über die Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten für bestimmte Passivprozesse der Gesellschaft die einfache Mehrheit genügt habe und eine Zustimmung des Aufsichtsrates nicht erforderlich gewesen sei. Das Berufungsgericht erachtete aber die Frage nach der erforderlichen Mehrheit deshalb als gegenstandslos, weil der Kläger bei der Beschlußfassung über die Vertretung der Gesellschaft in dem von ihm gegen die Gesellschaft anhängig gemachten und noch anhängig zu machenden Rechtsstreit gemäß § 39 Abs4 GmbHG von der Ausübung des Stimmrechtes ausgeschlossen gewesen sei. Ein solcher Ausschluß des prozeßführenden Gesellschafters von der Stimmrechtsausübung erfasse inhaltlich auch alle Angelegenheiten der Prozeßvorbereitung, zu denen vor allem die Bestellung eines Vertreters für die Gesellschaft gehöre. Dieser Ausschluß rechtfertige es auch, dem betroffenen Gesellschafter bei der Auswahl des für die Gesellschaft zu bestellenden Vertreters keinen Einfluß einzuräumen.

Der Kläger ficht das bestätigende Berufungsurteil aus den Revisionsgründen nach § 503 Abs1 Z 1, 3 und 4 ZPO mit einem Antrag auf Wahrnehmung der Nichtigkeit, einem Abänderungsantrag im Sinne des Klagebegehrens und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Die Anfechtung wegen Nichtigkeit ist unzulässig; im übrigen ist die Revision nicht berechtigt.

Den Anfechtungsgrund der Nichtigkeit wegen nicht ordnungsgemäßer Vertretung der Gegenpartei führt der Revisionswerber der Sache nach in derselben Weise aus wie die entsprechende Anfechtung in der Berufung. Das Berufungsgericht hat die Berufung insoweit beschlußmäßig verworfen. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Die Frage der ordnungsgemäßen Vertretung im Rechtsstreit ist bei gleichbleibendem Sachverhalt für das gesamte Verfahren einheitlich und unteilbar zu entscheiden. Ist die in einer Instanz aufgeworfene Frage der ordnungsgemäßen Vertretung zum Gegenstand einer Entscheidung gemacht worden, ist zwar diese Entscheidung unter Beachtung der Rechtsmittelbeschränkungen anfechtbar, sie bleibt aber für das weitere Verfahren in allen Instanzen bindend und kann mangels Sachverhaltsveränderung nicht, wie das der Revisionswerber versucht, abermals zum Gegenstand einer "Erstprüfung" der Verfahrensvoraussetzung gemacht werden. Die Vertretung der beklagten Gesellschaft durch den von ihr mit Generalversammlungsbeschluß vom 29. November 1984 zum Prozeßbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalt ist nach dem dargestellten Verfahrensablauf unter dem Gesichtspunkt des § 477 Abs1 Z 5 ZPO nicht mehr nachprüfbar.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision war deshalb, soweit sie eine Nichtigkeit des Berufungsverfahrens geltend macht, zurückzuweisen.

Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, weil das Berufungsgericht den Antrag der Mehrheitsgesellschafterin in der außerordentlichen Generalversammlung vom 29.November 1984 zu Punkt 2 der Tagesordnung und das Abstimmungsverhalten der Gesellschafter in voller Übereinstimmung mit dem Inhalt der notariellen Niederschrift über die Generalversammlung zur Grundlage seiner Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht genommen hat, die vom Revisionswerber bekämpfte Auslegung des Beschlußinhaltes auf Grund seines Wortlautes aber einen Akt der rechtlichen Beurteilung darstellt, der den Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit nicht zu erfüllen vermag.

Auch die Rechtsrüge ist nicht stichhältig:

Gegenstand der vom Minderheitsgesellschafter bekämpften Beschlüsse war die Vertretung der Gesellschaft in dem vom Minderheitsgesellschafter gegen die Gesellschaft bereits eingeleiteten Rechtsstreit und in einem zu erwartenden Rechtsstreit über die Beschlüsse vom 29.November 1984 selbst. Der Minderheitsgesellschafter war als Prozeßgegner der Gesellschaft gemäß § 39 Abs4 GmbHG von der Stimmrechtsausübung ausgeschlossen. Der sachliche Inhalt dieses Verbotes erstreckt sich insbesondere auch auf Beschlüsse, die die Prozeßvertretung der Gesellschaft zum Gegenstand haben (vgl.Reich-Rohrwig GmbH-Recht, 348; Gellis/Feil Komm.zum GmbHG 2 zu § 39 Anm.24; SZ 25/200). Die Berechtigung der beiderseitigen Prozeßstandpunkte und die Erfolgsaussichten der Klage sind für den Ausschluß von der Stimmrechtsausübung ohne Belang. Diese Fragen waren entgegen den Revisionsausführungen auch nicht "als Vorfrage" zu prüfen. Der Mehrheitsgesellschafter, mit dessen Stimme die vom Minderheitsgesellschafter klageweise bekämpften Beschlüsse gefaßt wurden, hätte dem vom Kläger gegen die Gesellschaft geführten Rechtsstreit gemäß § 42 Abs5 GmbHG als (ein im Sinne des § 20 ZPO, § 42 Abs6 GmbHG streitgenössischer) Nebenintervenient beitreten, aber niemals eine der der Gesellschaft g e g e n s ä t z l i c h e Prozeßstellung einnehmen können. Er war daher nach § 39 Abs4 GmbHG im Gegensatz zum Kläger von der Ausübung des Stimmrechtes nicht ausgeschlossen.

Daß der Kläger ungeachtet seines gesetzlichen Ausschlusses von

der Stimmrechtsausübung (jede gegenteilige Auslegung von

Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag oder von Abreden der

Gesellschafter über die Ausübung ihrer Gesellschafterrechte wäre

unzulässig, weil sie zu dem als sittenwidrig zu wertenden Ergebnis

einer Verhinderung gerichtlicher Nachprüfung von

Gesellschafterbeschlüssen führte) durch Stimmabgabe am

Abstimmungsvorgang zu den angefochtenen Beschlüssen teilgenommen

hat, kann ihm selbst keinesfalls zum Nachteil gereicht haben, so daß

er darauf keine Anfechtung im Sinne des § 41 Abs1 Z 1 GmbHG zu

stützen vermag.

Soweit der Kläger von der Stimmrechtsausübung ausgeschlossen

war, konnte er auch nicht in einer Vorbereitung zur Stimmabgabe

dadurch verkürzt worden sein, daß, wie er als Verletzung formeller

Beschlußvoraussetzungen bemängelte, der Mehrheitsgesellschafter bei

seiner Antragstellung in der Generalversammlung von der in der

Einberufung mitgeteilten Tagesordnung in unvorhersehbarer Weise

abgewichen wäre.

Die Erwägungen der Vorinstanzen zu § 38 Abs4 GmbHG treffen zwar entgegen den Revisionsausführungen zu, sind aber aus dem dargelegten Gesichtspunkt des Ausschlusses von der Stimmrechtsausübung unerheblich.

Nach den Ausführungen zum Ausschluß des Klägers von der Stimmrechtsausübung stellt sich die Frage nach dem Erfordernis bestimmter Stimmenmehrheiten nicht, da der Mehrheitsgesellschafter als einziger von der Stimmrechtsausübung nicht ausgeschlossener Gesellschafter für seine Anträge gestimmt hat.

Den Revisionsausführungen zur vertraglichen Bindung der beiden Gesellschafter an eine sogenannte paritätische Willensbildung ist die bereits oben angestellte Erwägung entgegenzusetzen, daß jede Regelung als sittenwidrig unbeachtet bleiben müßte, die im Ergebnis darauf hinausliefe, die Frage nach der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses im vorhinein grundsätzlich nur bei Einmütigkeit der Geschäftsführer hierüber einer sachlichen Nachprüfung durch die Gerichte zu unterwerfen. Die bereits erwähnte Möglichkeit einer Nebenintervention gemäß § 42 Abs5 GmbHG vermag der Gesellschaft selbst nicht das Interesse daran zu benehmen, als beklagte Partei wirksame Prozeßhandlungen setzen zu können.

Zum Hauptbegehren bleibt danach nur noch die Frage, ob nach der konkreten Verfassung der Gesellschaft die Generalversammlung unmittelbar den Vertretungsakt der Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten setzen durfte.

Im Falle eines Rechtsstreites der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer ordnet § 30 1 GmbHG die Prozeßführung durch den Aufsichtsrat hilfsweise für den Fall an, daß "die Gesellschafter nicht besondere Vertreter gewählt haben". Die Bestellung eines Prozeßvertreters für die Gesellschaft in einem Rechtsstreit, in dem die Vertretung durch die Geschäftsführer wegen Interessenwiderstreites ausgeschlossen ist, ist durch § 30 l GmbHG vorgezeichnet. Diese Regelung ist auf den rechtsähnlichen Fall, daß eine aktive Prozeßvertretung der Gesellschaft durch ihre zwei gesamtvertretungsbefugten, aber uneinigen Geschäftsführer faktisch ausgeschlossen wird, analog anwendbar. Der Generalversammlung fehlte es daher nicht an der Zuständigkeit zur Bestellung des Prozeßvertreters.

Die Betrauung des im Gesellschafterbeschluß genannten

Rechtsanwaltes mit der Prozeßvertretung der Gesellschaft war nicht

bedingt, bedingt war nur der Bestellungsakt durch den

Generalversammlungsbeschluß, der bei richtigem Verständnis erst in

Kraft treten sollte, falls nicht innerhalb der genannten Frist ein

inhaltsgleicher Bestellungsakt ohnedies durch die beiden

gesamtvertretungsbefugten Geschäftsführer gesetzt sein sollte.

Die Vorinstanzen haben aus diesen Erwägungen das Hauptbegehren auf Nichtigerklärung der angefochtenen Gesellschafterbeschlüsse vom 29. November 1984 mit Recht abgewiesen.

Zum hilfsweise gestellten Feststellungsbegehren ist den Erwägungen der Vorinstanzen im Hinblick auf die zur Zeit der Beschlußfassung vom 29.November 1984 geltende Fassung des Gesellschaftsvertrages nichts hinzuzufügen. Der Revisionswerber unterließ hiezu auch jede Rechtsmittelausführung.

Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO, § 3 Abs1 GJGebGes 1962 in der Fassung der Zivilverfahrens-Novelle 1983.

Rechtssätze
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