JudikaturJustiz6Ob367/97g

6Ob367/97g – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Dezember 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde Z*****, vertreten durch Dr.Manfred Moser, Rechtsanwalt in Pöttsching, wider die beklagte Partei Christian S*****, vertreten durch Mag.Martin Machold, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zuhaltung eines Vertrages, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23.Oktober 1997, GZ 17 R 184/97x-38, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die klagende Gemeinde plante 1992 den Ankauf größerer Liegenschaften von verschiedenen Eigentümern zwecks Umwidmung in Bauland und Schaffung von Baugrundstücken. Der Beklagte und sein Vater offerierten mit dem Anbot vom 16.3.1993 (Beil A) im P I. Teilflächen zweier Grundstücke mit einer Tiefe von 50 m um 80 S je Quadratmeter (d i mehr als der damalige Verkehrswert für Grünland, jedoch weniger als die Hälfte des Verkehrswerts für Bauland). Im P II. wurde der Klägerin ein Aufgriffsrecht hinsichtlich weiterer Grundstücksflächen unter gewissen Bedingungen (ua Wertsicherung des Kaufpreises) eingeräumt. Am 4.5.1993 faßte der Gemeinderat einen Beschluß (Beil G) über den Erwerb der Grundstücke im Sinne des Punktes I des Anbots, ohne die in P II. angeführten Bedingungen (S 14 in ON 34). Die Klägerin übermittelte dem Beklagten Ende Mai 1993 eine Reinschrift des Anbots Beil A, welche mit dem Gemeindesiegel und den Unterschriften des Bürgermeisters, des Vizebürgermeisters und des Gemeindevorstandes versehen war (Beil B).

Rechtliche Beurteilung

Zur Zulässigkeit der Revision:

1. Die Auslegung des Anbots des Beklagten dahin, daß P I des Anbots ein von P II unabhängiges Anbot darstelle, ist nach den Feststellungen des Erstgerichtes über den Parteiwillen unbedenklich. Mit P II wollten der Beklagte und sein Vater sich entgegen den Intentionen der Gemeinde hinsichtlich der "Restflächen" nicht binden (S 10 f in ON 34). Daß die Bedingungen nur für die Restflächen gelten sollten, ergibt sich nicht nur aus der Gliederung des Anbots in zwei Punkte, sondern auch daraus, daß beispielsweise für die Kosten in P

II auf den P I verwiesen wird, also durchaus eine getrennte Regelung vorgesehen war (P I also nicht automatisch für P II gilt und umgekehrt). Das gefundene Auslegungsergebnis ist durchaus vertretbar. Dies gilt auch

2. für die Qualifizierung der Übermittlung der Beil B als Annahmeerklärung der Gemeinde (§ 862 ABGB). Gegen eine bloße "Reinschrift" spricht die besondere Form (Siegelung, Unterschriften des Bürgermeisters ua), wie sie nach dem Landesgesetz für Rechtsgeschäfte der Gemeinde vorgesehen ist.

3. Wenn auch einzuräumen ist, daß die Gemeinde ihre Verpflichtungen zur bücherlichen Durchführung des wirksam zustandegekommenen Kaufvertrags vernachlässigte (die vorgelegten Kaufvertragsentwürfe und Teilungspläne entsprachen bis zur letzten Tagsatzung nicht dem P

I des angenommenen Anbots), so fehlt dennoch für einen Vertragsrücktritt des Beklagten wegen Unzumutbarkeit (etwa aus dem Grund der fehlenden Indexsicherung des Kaufpreises) jede Rechtsgrundlage. Eine solche zeigt die Revision auch nicht auf. Der Standpunkt des Beklagten würde die Anerkennung einer Rechtsverwirkung bedeuten, was nach hM abzulehnen ist. Der Beklagte hat auch nie eine

P I des Anbots konforme Vorgangsweise der Klägerin verlangt, er bestreitet vielmehr eine Annahme des Anbots zur Gänze.

4. Abgesehen davon, daß der Verjährungseinwand im Verfahren erster Instanz nicht erhoben wurde, ist Verjährung auch nicht gegeben. Bei Liegenschaftskäufen gilt nicht die kurze dreijährige Verjährungsfrist. § 1486 Z 1 ABGB betrifft nur bewegliche Sachen und überdies nur den Anspruch des Verkäufers (arg.: "für"). Ansprüche des Käufers auf Lieferung des Kaufobjekts verjähren in 30 Jahren (Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 1486). Bei Liegenschaftskäufen gilt generell die lange Verjährungsfrist (JBl 1986, 244).

5. Ein Anfechtungsrecht des Beklagten nach § 934 ABGB kommt aus dem vom Berufungsgericht erkannten Grund, daß der Liegenschaftskauf auf seiten des beklagten Verkäufers zumindest im Zweifel als Handelshilfsgeschäft zu qualifizieren sei (§ 344 Abs 1 HGB) und daher kein Anfechtungsrecht bestehe (§ 351a HGB), nicht in Frage. Auch Grundstücksgeschäfte können Handelsgeschäfte sein (HS 9233; Kramer in Straube, HGB I2 Rz 15 zu § 344). Der Zusammenhang mit dem Baustoffhandel des Beklagten geht schon aus der Aussage seines Vaters (der früher das Unternehmen betrieb) hervor, wonach er verkaufen wollte, "damit die Leute bei mir die Baustoffe kaufen" (S 6 zu ON 4).

Die Revision zeigt insgesamt keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Das Berufungsgericht ist von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht abgewichen. Die Auslegung der Willenserklärungen der Parteien ist nicht bedenklich.