JudikaturJustiz6Ob303/03g

6Ob303/03g – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Prückner, Dr. Schenk, Dr. Schramm und Dr. Jensik als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN ***** im Firmenbuch des Landesgerichtes Feldkirch eingetragenen M***** GmbH Co mit dem Sitz in W*****, über den Revisionsrekurs des vertretungsbefugten Gesellschafters Georg M*****, vertreten durch Mag. N. Schrottenbaum, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 10. November 2003, GZ 3 R 178/03f 27, womit der Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 22. September 2003, GZ 15 Fr 2440/03h 23, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Im Firmenbuch des Erstgerichts ist seit 26. 9. 2000 die durch Umwandlung aus der M***** Betriebs GmbH hervorgegangene M***** GmbH Co mit dem Sitz in W***** eingetragen. Persönlich haftende Gesellschafterin war zunächst nur die M***** GmbH, Kommanditist war deren Geschäftsführer Georg M*****. Stichtag für den Jahresabschluss der KG ist der 31. 12.

Am 8. 7. 2003 meldete die Gesellschaft den Eintritt des Georg M***** als weiteren persönlich haftenden Gesellschafter mit selbständiger Vertretungsbefugnis ab 15. 5. 2003 und gleichzeitig sein Ausscheiden als Kommanditist zur Eintragung ins Firmenbuch an. Georg M***** habe seine Stellung als Kommanditist in die eines persönlich haftenden Gesellschafters umgewandelt. Die Eintragung dieser Änderung ins Firmenbuch erfolgte am 26. 7. 2003.

Über Aufforderung des Erstgerichts vom 27. 5. 2003 reichte die KG am 20. 6. 2003 den Jahresabschluss zum 31. 12. 2001 unter Inanspruchnahme der für sogenannte "kleine" GmbHs geltenden Erleichterungen ein. Aus dem zugleich vorgelegten Formblatt ergab sich, dass die Gesellschaft in den Jahren 2000 und 2001 sowohl hinsichtlich der Bilanzsumme als auch hinsichtlich der Umsatzerlöse die Merkmale einer großen Kapitalgesellschaft im Sinn des § 221 Abs 3 HGB aufweist. Das Erstgericht wies auf diesen Umstand hin und forderte den Gesellschafter unter Fristsetzung auf, einen Jahresabschluss bestehend aus Bilanz, Gewinn und Verlustrechnung, Anhang, Lagebericht und Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers vorzulegen, weil die Gesellschaft bereits im Geschäftsjahr 2001 als große Kapitalgesellschaft gelte. Die Gesellschaft vertrat darauf hin den Standpunkt, § 221 Abs 5 HGB sei wegen des mittlerweile erfolgten Eintritts einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter nicht anzuwenden. Das Erstgericht wies diesen Standpunkt zurück und forderte unter Fristsetzung und Androhung einer Zwangsstrafe neuerlich am 29. 7. 2003 und erneut am 2. 9. 2003 zur Offenlegung auf. Nach ergebnislosem Ablauf der gesetzten Frist verhängte das Erstgericht die angedrohte Zwangsstrafe von 100 EUR und wiederholte seinen Auftrag unter Androhung einer weiteren Zwangsstrafe von 500 EUR für den Fall neuerlichen Zuwiderhandelns. Die Gesellschaft sei ihrer Offenlegungspflicht nur insoweit nachgekommen, als sie den Jahresabschluss unter Inanspruchnahme der Erleichterungen des § 278 HGB für kleine GmbHs vorgelegt habe, tatsächlich handle es sich um eine mittelgroße GmbH. Die Offenlegungspflicht für das Geschäftsjahr 2001 bestehe ungeachtet des mittlerweile erfolgten Eintritts einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter weiter.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des persönlich haftenden Gesellschafters Georg M***** teilweise Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht unter Hinweis auf § 282 HGB die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Erstgericht habe die Bestimmung des § 282 Abs 2 HGB außer Acht gelassen. Bei Prüfung des mit dem Jahresabschluss 2001 eingereichten Formblattes habe sich der Verdacht ergeben, dass die Gesellschaft als sogenannte große Kapitalgesellschaft einzustufen wäre und die größenabhängigen Erleichterungen zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Das Firmenbuchgericht hätte daher nach § 282 Abs 2 HGB zunächst die ziffernmäßige Mitteilung der Bilanzsumme, der Umsatzerlöse und der durchschnittlichen Arbeitnehmeranzahl verlangen müssen. Es hätte in diesem Verfahrensstadium noch keine Zwangsstrafe verhängen dürfen. Es werde sich erst nach Vorlage der im § 282 Abs 2 HGB angeführten weiteren Aufklärungen oder deren Unterlassung herausstellen, ob die Gesellschaft tatsächlich die größenabhängigen Erleichterungen für die Offenlegung zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Erst dann werde die Offenlegung zu erzwingen sein. Der Einwand des Rekurswerbers, die Gesellschaft sei aufgrund seines Eintritts als persönlich haftenden Gesellschafters mit Vertretungsbefugnis rückwirkend schon für das Jahr 2001 nicht mehr offenlegungspflichtig, sei aber nicht berechtigt. Die Gleichstellung der Offenlegungspflicht von Personengesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person mit Vertretungsbefugnis sei (sogenannte "verdeckte" Kapitalgesellschaften), mit Kapitalgesellschaften sei in der faktischen Haftungsbeschränkung auf das Vermögen der beteiligten juristischen Personen begründet. Die vorliegende KG sei sowohl im Geschäftsjahr 2001 und im Zeitpunkt des Abschlussstichtages (31. 12. 2001) als auch in dem für die Aufstellung des Jahresabschlusses und dessen Einreichung vorgesehenen Zeitpunkten (31. 5. 2002 bzw 30. 9. 2002) als "verdeckte" Kapitalgesellschaft anzusehen. Sie sei erst ab dem Eintritt der natürlichen Personen als persönlich haftender Gesellschafter mit Vertretungsbefugnis (das sei der 15. 5. 2003) von der Aufstellung und Offenlegung ihrer Jahresabschlüsse befreit. Für eine rückwirkende Befreiung fehle eine gesetzliche Handhabe. Die mit der Offenlegung verfolgten Zielsetzungen des Gesetzgebers würden unterlaufen werden, wenn sich offenlegungspflichtige Kapitalgesellschaften durch eine nachträgliche Rechtsformänderung ihrer Pflicht entziehen könnten. Gleiches müsse auch für eine nach § 221 Abs 5 HGB zur Offenlegung verpflichtete KG gelten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des persönlich haftenden Gesellschafters ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, er ist aber nicht berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber vertritt die Auffassung, mit seinem Eintritt als persönlich haftender Gesellschafter mit Vertretungsbefugnis sei die Verpflichtung zur Aufstellung, Prüfung und Offenlegung von Jahresabschlüssen auch für die Vergangenheit weggefallen. Die Gesellschaft sei daher auch in Bezug auf Geschäftsjahre, die vor seinem Eintritt liegen, nicht mehr offenlegungspflichtig.

Soweit sich der Rechtsmittelwerber auf Nowotny/Tichy (in Straube HGB II² § 221 Rz 27) beruft, wonach im Fall des Eintritts einer natürlichen Person als Komplementär mit Vertretungsbefugnis die Gesellschaft nicht mehr dem zweiten Abschnitt des HGB unterliege und mit sofortiger Wirkung auch kein Jahresabschluss mehr in sinngemäßer Anwendung des Kapitalgesellschaftsrechtes aufzustellen, zu prüfen, offenzulegen bzw zu veröffentlichen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass diesem Zitat keineswegs der ihm vom Rechtsmittelwerber unterlegte Sinn entnommen werden kann. Ihm ist lediglich zu entnehmen, dass mit dem Zeitpunkt des Eintritts der natürlichen Person die im § 221 Abs 5 HGB vorgenommene Gleichstellung mit Kapitalgesellschaften entfällt, was aber nichts anderes bedeutet, als dass Jahresabschlüsse mit Stichtag nach diesem Zeitpunkt nicht mehr in der bisherigen Form aufgestellt und offengelegt werden müssen. Eine Aussage über die Erstellung und Offenlegung von Jahresabschlüssen über vergangene Geschäftsjahre, die schon längst hätten ausgestellt und veröffentlicht werden müssen, ist dieser Belegstelle hingegen nicht zu entnehmen.

Gemäß § 221 Abs 5 HGB unterliegen Personengesellschaften des Handelsrechts, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person mit Vertretungsbefugnis ist, hinsichtlich der in den §§ 222 bis 243 und den §§ 268 bis 283 HGB geregelten Tatbeständen den der Rechtsform ihres vertretungsbefugten Gesellschafters entsprechenden Vorschriften. Diese Gleichstellung der in der Literatur als "verdeckte Kapitalgesellschaften" benannten Personengesellschaften des Handelsrechts in Bezug auf Jahresabschlüsse, deren Prüfung, Offenlegung und Veröffentlichung hat ihre Ursache in der faktischen Haftungsbeschränkung auf das Vermögen der beteiligten juristischen Personen ( Geist in Jabornegg HGB § 221 Rz 29; Nowotny/Tichy in Straube HGB II² § 221 Rz 38) und dient damit offenkundig dem Schutz der Gläubiger.

An der durch Umwandlung aus einer Kapitalgesellschaft hervorgegangenen und am 29. 6. 2000 ins Firmenbuch eingetragenen GmbH Co KG war zunächst (und bis zum Eintritt des Rechtsmittelwerbers im Jahr 2003) neben dem Rechtsmittelwerber als Kommanditisten eine Kapitalgesellschaft als vertretungsbefugte Komplementärin beteiligt. Die KG unterlag daher für das auf die Umwandlung folgende Geschäftsjahr 2001 den der Rechtsform ihrer Komplementärin entsprechenden Vorschriften (§ 221 Abs 4 und Abs 5 HGB). Dass - wie der Rechtsmittelwerber meint die im Jahr 2003 eingetretene Veränderung im Stande der Gesellschafter die bereits in Bezug auf den Jahresabschluss 2001 entstandene Verpflichtung zur Aufstellung, Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses (der die Gesellschafter noch nicht nachgekommen waren) rückwirkend wieder beseitigen könnte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und kann auch dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden. Der Gesetzgeber lässt nämlich auch die Rechtsfolgen der Größenmerkmale im Fall von Änderungen der für ihre Bestimmung maßgeblichen Kriterien erst nachträglich (ab dem auf die Änderung folgenden Geschäftsjahr) eintreten (§ 221 Abs 4 HGB).

Dass die vom Rechtsmittelwerber angestrebte rückwirkende Befreiung der KG von der Offenlegungspflicht auch für Geschäftsjahre, in denen sie wegen Fehlens der unbeschränkten Haftung einer natürlichen Person einer Kapitalgesellschaft gleichzuhalten war, die mit § 221 Abs 5 HGB verfolgten Zielsetzungen des Gesetzgebers in Bezug auf den Schutz von Gläubigern unterlaufen würde, hat das Rekursgericht zutreffend ausgeführt. Auch diese Erwägung spricht gegen eine rückwirkende Entlastung der Geschäftsführer von ihrer in Bezug auf den Jahresabschluss 2001 bestehenden Verpflichtung, der sie bisher nicht nachgekommen sind.

Der Eintritt einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter mit Vertretungsbefugnis in eine Personengesellschaft des Handelsrechts, der davor keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter mit Vertretungsbefugnis angehörte, lässt die Verpflichtung nach § 221 Abs 5 HGB zur Aufstellung, Prüfung und Offenlegung eines Jahresabschlusses für davor vergangene Geschäftsjahre jedenfalls dann unberührt, wenn die in §§ 222 Abs 1 und 277 Abs 1 HGB angeführten Fristen zum Zeitpunkt des Eintritts der natürlichen Person bereits abgelaufen waren.

Im Übrigen hat der Senat auch im Zusammenhang mit der Frage, ob angesichts der die Rechnungslegung einer in Liquidation befindlichen GmbH regelnden Bestimmung des § 91 Abs 1 GmbHG die Rechnungslegungspflicht für die der Auflösung vorangegangene Zeit entfällt, bereits erkannt, dass die zwischenzeitige Auflösung der GmbH durch Konkurseröffnung die Verpflichtung, den Jahresabschluss für die vor Auflösung der Gesellschaft abgelaufenen Geschäftsjahre aufzustellen und offenzulegen, nicht beseitigt, wenn für diese noch kein Abschluss vorhanden ist (6 Ob 152/02z). Es blieb daher im damals zu beurteilenden Fall die Verpflichtung zur Aufstellung des Jahresabschlusses für vergangene Geschäftsjahre unberührt, obwohl neue Tatumstände hinzutraten, die eine Änderung der Aufstellung des Jahresabschlusses und dessen Offenlegung im Liquidationsstadium für die Zukunft bewirkten.

Das Rekursgericht hat den Auftrag zur Verfahrensergänzung zutreffend begründet (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO). Das Erstgericht wird daher im Sinn des § 282 Abs 2 HGB vom Rechtsmittelwerber die Mitteilung der Bilanzsumme, der Umsatzerlöse und der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer zu verlangen haben. Unterlässt die Gesellschaft die fristgerechte Mitteilung, so gelten die von ihr in Anspruch genommenen Erleichterungen als zu Unrecht in Anspruch genommen (§ 282 Abs 2 HGB letzter Satz). Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass in einem solchen Fall die Vorschriften für "große" Kapitalgesellschaften anzuwenden sind (6 Ob 307/99m = RIS Justiz RS0113087).

Der angefochtene Beschluss ist daher zu bestätigen.

Rechtssätze
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