JudikaturJustiz6Ob297/98i

6Ob297/98i – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. November 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Hurch als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 19. März 1998 verstorbenen Ingeborg G***** infolge Revisionsrekurses des erblasserischen Witwers Rudolf G*****, und der erblasserischen Tochter Claudia B*****, beide vertreten durch Dr. Otto Dietrich, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 12. August 1998, GZ 43 R 551/98t und 43 R 654/98i-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 25. Juni 1998, GZ 16 A 113/98p-8 und 9, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Mantelbeschluß des Erstgerichtes, der in seinem übrigen Teil als unbekämpft unberührt bleibt, in seinem Punkt 3. wie folgt zu lauten hat:

"Das eidesstättige Vermögensbekenntnis mit Aktiven von 143.709 S und Passiven von 133.834,69 S, somit einem Reinnachlaß von 9.874,31 S wird der Verlassenschaftsabhandlung zugrundegelegt."

Text

Begründung:

In der Verlassenschaftsabhandlung nach der am 19. 3. 1998 verstorbenen Erblasserin gaben Witwer und Tochter der Verstorbenen unbedingte Erbserklärungen aufgrund des Gesetzes ab und legten ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis mit Aktiven von 143.709 S und Passiven von 133.834,69 S vor. Darunter befand sich ein Betrag von 8.829 S für Trauerkleidung.

Mit dem nun angefochtenen Punkt 3. seines Mantelbeschlusses legte das Erstgericht das eidesstättige Vermögensbekenntnis mit Aktiven von 143.709 S und Passiven von 125.005,69 S, somit einem Reinnachlaß von 18.703,31 S der Abhandlung zugrunde. Das Mehrbegehren auf Aufnahme der Auslagen für Trauerkleidung in die Passiven wies es ab. Trauerkleidung zähle nicht zu den Begräbniskosten im Sinn des § 549 ABGB. Gleichzeitig antwortete das Erstgericht den Nachlaß dem Witwer zu 1/3 und der Tochter zu 2/3 ein.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Herausnahme der Kosten für Trauerkleidung gerichteten Rekurs der Erben nicht Folge. Es bestehe kein berücksichtigungswürdiger Zusammenhang zwischen Begräbniskosten und Trauerkleidung der Teilnehmer an einem Begräbnis, mag es sich auch um nahe Angehörige handeln. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Frage, ob Trauerkleidung zu den Begräbniskosten zähle, fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Erben ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 549 ABGB gehören zu den Nachlaßverbindlichkeiten auch die Kosten für ein dem Gebrauch des Ortes, des Standes und des Vermögens des Verstorbenen angemessenes Begräbnis. Die Frage, ob die Begräbniskosten im Sinn dieser Bestimmung auch Trauerkleidung umfassen, wird in Lehre und Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz nicht einheitlich beurteilt. Weiß (in Klang III 152) verweist auf eine Verordnung des Finanzministeriums aus dem Jahr 1888, wonach Trauerkleidung mangels eines ausreichend engen Zusammenhanges zum Begräbnis nicht als Begräbniskosten und damit nicht als (steuerliche) Abzugspost anzusehen seien. Derartige Aufwendungen würden jedoch - nach Auffassung von Weiß (aaO 152) dann zu den Begräbniskosten gezählt, wenn und soweit die Lebensstellung des Verstorbenen und das Herkommen am Bestattungsort Trauerkleidung für mittellose Angehörige und Angestellte des Erblassers erforderlich mache.

Dagegen versteht Welser (in Rummel, ABGB2 Rz 6 zu § 549) "Begräbnis" in einem weiteren Sinn und zählt Trauerkleidung zu seinen Kosten. Auch Eccher (in Schwimann, ABGB2 Rz 3 zu § 549) nennt Trauerkleidung als Teil der Begräbniskosten.

Der als Verwaltungsgericht tätige BGH hat in seiner Entscheidung vom 13. 10. 1934 (GH 1935, 55) Auslagen für Trauerkleidung nicht als Abzugspost von den aus Anlaß des Erbfalles entstehenden Erbgebühren anerkannt. Sie stünden in keiner ausreichend engen Beziehung zum Begräbnis des Verstorbenen und würden überdies nicht nur zum Begräbnis, sondern auch während der Trauerzeit durch Wochen und Monate getragen. Damit seien sie eine Anschaffung für den persönlichen Bedarf der Hinterbliebenen (so auch JBl 1935, 42).

Die Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz ist nicht einheitlich. In einer Reihe von Entscheidungen zählte zB das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien Trauerkleidung zu den Begräbniskosten (EFSlg 40.978, 43.432, 45.957, 68.953, 72.017), verneinte dies aber in anderen Entscheidungen (EFSlg 24.729, 30.594, 40.979, 48.513). Das Oberlandesgericht Wien berücksichtigte Trauerkleidung im Rahmen der Begräbniskosten nach § 549 ABGB (EFSlg 68.953). Das Landesgericht Feldkirch (RPflSlgA 5210) verwies auf die Ausführungen von Weiß in Klang und führt aus, Trauerkleider seien zwar nicht ohne weiteres als Begräbniskosten anzusehen. Mache jedoch die Lebensstellung des Erblassers und das Herkommen am Bestattungsort Trauerkleidung für mittellose Angehörige des Verstorbenen erforderlich, falle dieser Aufwand - Angemessenheit vorausgesetzt - unter die Begräbniskosten. Dieser Auffassung ist das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien in seinen Entscheidungen EFSlg 61.599 und EFSlg 76.571 gefolgt.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich im Zusammenhang mit § 12 Abs 1 Z 4 EKHG in der damals geltenden Fassung, wonach im Falle der Tötung auch die Kosten einer angemessenen Bestattung zu ersetzen waren, mit dieser Frage zu befassen. Er vertrat die Auffassung, welche Kosten angemessen seien, bestimme sich nach § 12 Abs 1 Z 5 EKHG und nach dem gemäß § 19 Abs 1 EKHG bei Verschulden anzuwendenden § 1327 ABGB. Für die Auslegung sei § 549 ABGB sinngemäß heranzuziehen, wonach der Gebrauch des Ortes sowie der Stand und das Vermögen des Verstorbenen maßgeblich seien. Damit seien aber jene Kosten zu ersetzen, die üblicherweise mit der Bestattung eines Toten verbunden sind und nach der Sitte gefordert werden. Dazu gehörten aber nicht bloß die Auslagen für den Sarg, das Grab, die Totengräberarbeit und ähnliches, sondern auch die Kosten eines Totenmahles und jene für Trauerkleidung (ZVR 1970/54).

Auch Reischauer (in Rummel, ABGB2 Rz 7 und Rz 9 zu § 1327) verweist zur Auslegung der nach § 12 Abs 1 Z 5 EKHG zu ersetzenden Kosten "angemessener Bestattung" auf § 549 ABGB und zählt auch die Trauerkleidung für die nächsten Angehörigen dazu.

Zur Frage, ob Auslagen für Trauerkleidung zu den Begräbniskosten nach § 549 ABGB gehören, hat der erkennende Senat erwogen:

Zu den Begräbniskosten gehören alle Auslagen, die nach der Sitte mit der Bestattung des Toten verbunden sind, in einer dem Ortsgebrauch, dem Stand und den Vermögensverhältnissen des Verstorbenen angemessenen Höhe. Für die Zuordnung zu den Begräbniskosten sind als im Einzelfall zu prüfende Kriterien maßgeblich:

1. die Kosten müssen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bestattung des Verstorbenen stehen.

2. Art und Umfang der Aufwendungen müssen dem Ortsgebrauch (und der Sitte) entsprechen und

3. die Kosten müssen der nach außen tretenden Lebensstellung und den Vermögensverhältnissen des Verstorbenen angemessen sein.

Zu einem angemessenen Begräbnis im Sinn der Kriterien des Ortsgebrauches und der Sitte gehört das Erscheinen der Angehörigen in entsprechender Trauerkleidung, wonach es der Sitte entspricht, daß die nächsten Angehörigen (zumindest der Ehegatte und die Kinder sowie Eltern des Verstorbenen) in rein schwarzer Kleidung ohne jeglicher Verzierung teilnehmen. Hingegen ist es nicht mehr üblich, Trauerkleider während einer früher oft Wochen und Monate dauernden Trauerzeit zu tragen. Das in den Entscheidungen des BGH GH 1935, 55 und JBl 1935, 42 gegen eine Anerkennung der Auslagen für Trauerkleidung als Abzugspost von Erbgebühren gebrauchte Argument, für das Begräbnis angeschaffte Trauerkleidung diene dem persönlichen Bedarf des Hinterbliebenen, weil sie über Wochen und Monate getragen werde, trifft daher in der heutigen Zeit nicht mehr zu. Die für das Begräbnis der nächsten Angehörigen angeschaffte Trauerkleidung führt damit heute nicht mehr zwangsläufig zu einer Einsparung bei der sonst getragenen Kleidung, es sei denn, sie würde der Bereicherung und Ergänzung der übrigen Garderobe und damit einem persönlichen Nutzen des Angehörigen dienen. Davon kann aber in aller Regel nicht ausgegangen werden. Die Revisionsrekurswerber weisen zu Recht darauf hin, daß Kleidungsstücke, die für das Begräbnis eines nahen Verwandten wie des Gatten, eines Kindes oder Elternteiles angeschafft und dort getragen werden, wegen der damit verbundenen negativen Gefühle in aller Regel nicht auch zu anderen Anlässen verwendet werden. Ein persönlicher Nutzen aus dieser Kleidung scheidet daher - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - von vornherein aus.

Wird daher Trauerkleidung von den nächsten Angehörigen des Verstorbenen aus Anlaß des Todesfalles angeschafft und zum Begräbnis getragen (ohne daß dadurch erkennbar ein weiterer persönlicher Bedarf gedeckt wird), stehen sie in einer ausreichend engen Beziehung zur Bestattung, die ihre Einordnung unter die Begräbniskosten unter der Voraussetzung rechtfertigt, daß die durch die Anschaffung entstandenen Kosten den Vermögensverhältnissen des Verstorbenen angemessen sind. Auf die Vermögensverhältnisse der nahen Angehörigen kommt es hingegen für die Einordnung der Kosten der Trauerkleidung unter die Nachlaßverbindlichkeiten nicht an.

Die im vorliegenden Fall vom Gatten und der Tochter der Verstorbenen aus Anlaß des Begräbnisses angeschaffte Trauerkleidung umfaßte einen Anzug, ein Kostüm und einen Mantel im Gesamtbetrag von 8.829 S. Angesichts der aus den Aktiven der Verlassenschaft ersichtlichen Vermögensverhältnisse der Verstorbenen erscheinen die aufgewendeten Beträge nicht unangemessen. Umstände, die auf einen persönlichen Nutzen der Angehörigen an der angeschafften Bekleidung schließen lassen, sind nicht hervorgekommen.

Die aufgewendeten Kosten für Trauerkleidung sind daher im vorliegenden Fall den Nachlaßverbindlichkeiten zuzurechnen.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher entsprechend abzuändern.