JudikaturJustiz6Ob270/01a

6Ob270/01a – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. November 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1. Alfred L*****, 2. Roland D*****, 3. Monica W*****, alle vertreten durch Höhne, In der Maur Partner Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Klub der Wiener Landtagsabgeordneten und Gemeinderäte der FPÖ, ***** vertreten durch Mag. Huberta Gheneff-Fürst, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf, Veröffentlichung und Leistung (Streitwert im Provisorialverfahren 500.000 S) über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 30. Juli 2001, GZ 5 R 66/01i-8, womit die Einstweilige Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 16. Februar 2001, GZ 19 Cg 20/01i-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig, die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Kläger sind Hauptdarsteller der seit 1998 im Fernsehprogramm des Österreichischen Rundfunks ausgestrahlten Serie "MA 2412". Sie verkörpern darin drei Beamte (Herr Weber, Ing. Breitfuß und Frau Knackal), die sich durch charakteristische Eigenarten auszeichnen. Tonfall und Tonhöhe ihrer Stimmen wie auch die Sprachmelodie und der verwendete Dialekt sind äußerst einprägsam und charakteristisch.

Der beklagte Klub der Wiener Landtagsabgeordneten und Gemeinderäte der FPÖ beauftragte im Herbst 2000 die Einschaltung von Werbespots im Privatradio 92,9 und im Privatradio 88,6. Die Werbeeinschaltungen waren als "Belangsendungen der Freiheitlichen Partei Österreichs" bezeichnet und gaben Dialoge wieder, die den charakteristischen Gesprächston und den Tonfall der in Serie "MA 2412" handelnden Personen ebenso wiedergaben wie in der Serie verwendete charakteristische Bemerkungen und Wortfolgen.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragen die Kläger, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, für Zwecke der politischen Werbung die namentlich genannten Hauptfiguren der Fernsehserie MA 2412 in einer Weise einzusetzen, dass Verwechslungen mit den Figuren der Serie bzw den Klägern als ihren Darstellern möglich seien. Insbesondere solle dem Beklagten verboten werden, Belangsendungen des näher wiedergegebenen Inhalts im Hörfunk zu verbreiten bzw verbreiten zu lassen. Die Kläger hätten die Hauptfiguren der Serie MA 2412, die als Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes zu qualifizieren seien, in ihrer Eigenschaft als Darsteller, die Erst- und Zweitkläger auch in ihrer Eigenschaft als Autoren geschaffen. Die Werbespots des Beklagten seien darauf angelegt, einen Wiedererkennungseffekt zu provozieren. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Publikums werde glauben, dass die Charaktere der genannten Fernsehserie für eine politische Partei anlässlich des Wiener Gemeinderatswahlkampfes Werbung betrieben. Die Ausbeutung der von den Klägern dargestellten Figuren stelle einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Kläger dar, die es prinzipiell ablehnten, politische Werbung zu betreiben, weil dies mit ihrem Beruf als Kabarettisten unverträglich sei. Für Erwerb, Kredit und Fortkommen der Kläger sei es auch besonders schädlich, für Wahlhelfer der FPÖ gehalten zu werden. Der Beklagte sei als Klub im Rahmen einer gesetzgebenden Körperschaft passiv legitimiert; das Schalten von Belangsendungen gehöre zu seinem engsten Wirkungskreis.

Das Erstgericht erließ die begehrte einstweilige Verfügung. Es hielt noch als bescheinigt fest, dass die in der Belangsendung eingesetzten Sprecher Stimmlage, Tonfall, Sprachmelodie und Dialekt sowie Standardformulierungen in einer Weise verwendeten, dass der Eindruck erweckt werde, es handle sich tatsächlich um eine Unterhaltung der Hauptfiguren aus der Serie "MA 2412", die von den Klägern gesprochen werde. In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Kläger. Der Beklagte sei bei Erteilung der Einschaltungsaufträge unter Verwendung einer "Firmenstampiglie" als juristische Person privaten Rechts aufgetreten, seine Rechtsfähigkeit sei nach § 26 ABGB zu bejahen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Von den Feststellungen des Erstgerichts ausgehend bejahte es einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte der Kläger. Der Beklagte sei passiv legitimiert. Er habe mit seiner Stampiglie den Werbeauftrag erteilt; es bestehe kein Zweifel daran, dass das Einschalten von Belangsendungen zum engsten Wirkungskreis eines derartigen Klubs gehöre, sodass in Übereinstimmung mit maßgeblichen Lehrmeinungen von der Parteifähigkeit und Passivlegitimation des Beklagten auszugehen sei.

In ihrem Revisionsrekurs macht der Beklagte nur mehr geltend, er sei passiv nicht legitimiert, die Teilrechtsfähigkeit eines Abgeordneten-Klubs gehe nicht so weit, dass er Aufträge für die Führung des Wahlkampfs erteilen könne; die Führung des Wahlkampfes und dessen Finanzierung sei Aufgabe der politischen Partei, nicht eines Parlamentsklubs. Dass die als Belangsendung bezeichnete Einschaltung des Beklagten Persönlichkeitsrechte der Kläger verletzte, bezweifelt der Revisionsrekurs nicht mehr.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach § 26 ABGB genießen "erlaubte Gesellschaften" im Verhältnis zu Dritten in der Regel gleiche Rechte wie Einzelpersonen. Ob einem Personenverband demnach Rechtspersönlichkeit zukommt, richtet sich nach Auffassung der Lehre danach, ob er körperschaftlich in der Weise organisiert ist, dass nicht alle Mitglieder gemeinsam handeln, sondern Organe die Verwaltung führen, das Mehrheitsprinzip gilt, der Personenverband vom Wechsel seiner Mitglieder unabhängig ist und die Interessen der Gesellschaft von jenen ihrer Mitglieder gesondert werden können (Koziol/Welser Bürg. Recht I11 63 mwN). Die Lehre bejaht überwiegend die uneingeschränkte Partei- und Prozessfähigkeit von Abgeordnetenklubs, worunter nach der Geschäftsordnung des jeweiligen Vertretungskörpers gebildete Vereinigungen von Abgeordneten einer bestimmten wahlwerbenden Partei verstanden werden, denen die sich aus der Geschäftsordnung ergebenden Rechte zustehen (Kostelka, Politische Parteien in der österreichischen Rechtsordnung in FS Floretta (1983), 37, 40, 57; Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts9 Rz 352).

Gschnitzer/Faistenberger/Barta (Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts 376) meinen, billige die Rechtsordnung einem außermenschlichen Gebilde auch nur ein einziges Recht zu, sei eine juristische Person geschaffen; die Rechtspersönlichkeit von Parlamentsklubs entstehe mit ihrer Konstituierung (s. auch SZ 63/216, wonach für die Rechtsfähigkeit die faktische Tätigkeit des Rechtsträgers genüge = RIS-Justiz RS0009093); Ballon (Zur Parteifähigkeit von politischen Personenvereinigungen, JBl 1990, 2 zur Entscheidung JBl 1990, 33 = SZ 62/1) fordert ein Mindestmaß an Organisation, Abstimmungsmechanismen, willensbildende Organe, finanzielle Mittel und eine gewisse Verwaltung als Voraussetzung unbeschränkter Parteifähigkeit. Vonkilch (Zur privatrechtlichen Rechtsfähigkeit und Vertretung von Klubs und Fraktionen in den allgemeinen Vertretungskörpern, JBl 2000, 77, 81,

85) und ihm folgend Aicher (in Rummel ABGB I3 § 26 Rz 7) bejahen die Rechtsfähigkeit von Klubs und Fraktionen politischer Parteien unter Hinweis auf ihre körperschaftliche Struktur, ihrem vom Wechsel der Mitglieder unabhängigen Stand und ihre Erlaubtheit im Sinn des § 26 ABGB. Nationalrats- und Landtagsklubs erfüllten diese Voraussetzungen, sie seien somit juristische Personen des privaten Rechts, denen unbegrenzte Rechtsfähigkeit zukomme. Dem gegenüber vertritt Paul Doralt (Ein kleiner Blumenstrauß von Fragen zur juristischen Person, RdW 1999, 263) die Auffassung, (Abgeordneten)Klubs seien - sofern ihnen aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen überhaupt Rechtspersönlichkeit zugestanden werde - im Sinn der Ultra-Vires-Lehre - nur teilrechtsfähig (vgl auch Kostelka aaO 59).

Unter Berücksichtigung der dargestellten, im Schrifttum entwickelten Grundsätze gelangt der Oberste Gerichtshof zur Auffassung, dass dem beklagten Klub der Wiener Landtagsabgeordneten und Gemeinderäte der FPÖ als einer juristischen Person des privaten Rechts Rechtsfähigkeit zukommt. Der nach § 18 Wiener Stadtverfassung iVm § 3 der Geschäftsordnung des Wiener Landtages konstituierte Abgeordnetenklub verfügt über die geforderte körperschaftliche Struktur und Organisation, sein Bestand ist unabhängig vom Wechsel seiner Mitglieder, seine Interessen sind von jenen seiner Mitglieder zu trennen und es stehen ihm die von der Geschäftsordnung eingeräumten Befugnisse zu.

Die Frage nach dem Umfang der Rechtsfähigkeit, nämlich ob der beklagte Klub unbegrenzt rechtsfähig im Sinn der Meinung von Vonkilch oder nur teilrechtsfähig im Sinne der Auffassung P. Doralts ist, kann im hier gegebenen Zusammenhang offen bleiben. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der beklagte "Klub der Wiener Landtagsabgeordneten und Gemeinderäte der FPÖ" unter Verwendung einer diese Bezeichnung tragenden Stampiglie den Auftrag zur Werbeeinschaltung im eigenen Namen erteilt. Er trat damit als Teilnehmer am Geschäftsverkehr auf. Sein Auftrag diente der Förderung von Parteiinteressen im ausschließlichen Zusammenhang mit der Wiener Gemeinderatswahl und damit der Wahl jenes Vertretungskörpers, in dessen Rahmen der Beklagte (der Geschäftsordnung entsprechend) selbst auch tätig wird. Bei dieser Konstellation kann aber von vornherein keine Rede davon sein, das das Tätigwerden des Klubs nicht im Rahmen seines Wirkungsbereiches und in Verfolgung von Klubinteressen erfolgt wäre. An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass das "Führen eines Wahlkampfs" an sich in den Aufgabenbereich der Landespartei fällt. Von einem "Führen des Wahlkampfs" kann bei der vorliegenden Werbemaßnahme der Beklagten nicht gesprochen werden, umfasst doch dieser Begriff - wie die Kläger in ihrer Revisonsbeantwortung zutreffend aufzeigen - nicht bloß das Einschalten zweier bestimmter Werbespots, sondern vielmehr die Wahlkampfplanung und -strategie einschließlich der Schaffung der dafür erforderlichen Organisationseinheiten.

Dem Revisionsrekurs des Beklagten wird somit nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht in Ansehung der klagenden Parteien auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung des Beklagten auf §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm §§ 41 und 50 ZPO.