JudikaturJustiz6Ob2293/96s

6Ob2293/96s – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Januar 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Friedrich S*****, 2. Marie-Luise G*****, beide vertreten durch Dr.Martin Schatz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Marianne S*****, vertreten durch Dr.Gerhard Ebner und Dr.Joachim Tschütscher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Teilkündigung eines Dachbodenabteils, infolge ordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 28.Mai 1996, GZ 1 R 249/96s-11, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 2.Februar 1996, GZ 11 C 919/95d-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben zur ungeteilten Hand der beklagten Partei die mit 2.680,12 S (darin 446,68 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Wohnhaus. Die Beklagte ist Mieterin einer Parterrewohnung dieses Hauses. Ihr sind Nutzungsrechte an einem Dachbodenabteil mit einer Fläche von 12 m2 eingeräumt. Der Erstkläger bewohnt in diesem Haus eine Vierzimmerwohnung mit einer Wohnnutzfläche von ca 80 m2. Mitbewohner sind seine Ehegattin, sein 18jähriger Sohn und seine 23jährige Tochter. Beide Kinder sind ledig. Der Erstkläger beabsichtigt, den insgesamt ca 160 m2 großen Dachboden auszubauen, um dadurch Wohnraum für seine Kinder zu schaffen.

Mit der am 16.10.1995 beim Erstgericht eingelangten Aufkündigung kündigten die Kläger der Beklagten zum 1.2.1996 das Dachbodenabteil auf. Sie stützten die Aufkündigung auf § 30 Abs 2 Z 8 und 9 und § 31 iVm § 18c MRG. Durch den Ausbau des Dachbodens werde neuer Wohnraum geschaffen, der zur Abdeckung des dringenden Wohnbedürfnisses der Kinder der erstkündigenden Partei diene. Das dringende Wohnbedürfnis könne anderweitig nicht abgedeckt werden. Der Dachbodenabteil werde von der Kündigungsgegnerin ausschließlich zum Zwecke des Abstellens diverser Gegenstände verwendet. Ihr sei mehrmals für die Auflassung des Dachbodenabteils eine finanzielle Ablöse oder aber ein gleich großes, weiteres Kellerabteil angeboten worden.

Die Beklagte erhob rechtzeitig Einwendungen und bestritt das Vorliegen der geltend gemachten Kündigungsgründe. § 18c MRG sei nicht anzuwenden, weil die Beklagte mit der Wohnung das selbständig abgeschlossene Dachbodenabteil mitgemietet habe.

Das Erstgericht hob die Teilaufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es stellte zu dem schon wiedergegebenen Sachverhalt im wesentlichen noch folgendes fest:

Das Dachbodenabteil der Beklagten sei nach allen Seiten hin verschlossen. Vom Rechtsvorgänger der Beklagten sei überdies ein Kellerabteil angemietet worden. Die Beklagte verwende das Dachbodenabteil regelmäßig. Sie lagere dort diverse Wintersachen, wie Schischuhe, Rodeln, Schi, aber auch Fahrräder, Liegestühle und Sonnenschirme. Im Kellerabteil lagere sie Kohle und Holz zur Beheizung ihrer Wohnung. Im Keller befinde sich ein Naturboden, der Boden im Dachboden sei betoniert. Die Kläger hätten aus finanziellen Gründen beabsichtigt, den Dachboden zu verkaufen. Darüber sei die Beklagte auch informiert worden. Die Beklagte habe immer erklärt, daß sie mit einer Rückstellung des Dachbodenabteils nicht einverstanden sei. Derzeit seien sämtliche vorhandenen Kellerabteile durch Mieter des Hauses oder die Hauseigentümer belegt. Ein freier Kellerraum stehe nicht zur Verfügung. Der Erstkläger bewohne gemeinsam mit seiner Gattin und den beiden Kindern eine Vierzimmerwohnung. Die beiden Kinderzimmer wiesen Flächen von 15 m2 und 10 m2 auf. Sowohl der Sohn als auch die Tochter des Erstklägers seien ledig. Eine Eheschließung sei derzeit nicht absehbar. Nachdem die Schulden der Kläger aus Mitteln einer Erbschaft der Gattin des Erstklägers abgedeckt hätten werden können, habe der Erstkläger den Plan, den Dachboden zu verkaufen, fallengelassen. Er plane nunmehr den Ausbau des Dachbodens, um Wohnraum für die Kinder zu schaffen.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß bei der Vermietung eines Dachbodenabteils § 18c MRG nicht anwendbar sei. Bei der Aufkündigung wegen Eigenbedarfs des Vermieters müsse ein Notstand oder eine notstandsähnliche Situation vorliegen. Überdies sei es nach der Judikatur erforderlich, daß der Eigenbedarf hinsichtlich der gesamten Wohnung des Mieters vorliegen müsse. Davon könne hier keine Rede sein. Die festgestellte Wohnnutzfläche reiche zur Deckung der Wohnbedürfnisse des Erstklägers und seiner Familie aus. Abgesehen vom nicht vorliegenden Eigenbedarf wäre ein solcher auch selbst verschuldet. Die beiden Kläger hätten im Jahr 1994 die Nachbarwohnung des Erstklägers abverkauft, obwohl schon damals ein allfälliger Eigenbedarf der Kinder vorhersehbar gewesen sein müßte. Mangels Eigenbedarfs lägen die Voraussetzungen für eine Teilkündigung nach § 31 MRG nicht vor. Der Eigenbedarf müßte auch hinsichtlich aller Miteigentümer vorliegen. Hinsichtlich der Zweitklägerin sei ein Eigenbedarf nicht einmal behauptet worden. Ein allenfalls angebotenes Kellerabteil wäre kein adäquater Ersatz für das Dachbodenabteil, das im Gegensatz zum Kellerabteil über einen Betonboden verfüge.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Zum im Berufungsverfahren einzig relevierten § 18c Abs 2 MRG vertritt das Berufungsgericht die Rechtsansicht, daß diese Bestimmung nur die Verpflichtung der Mieter zur Duldung von Baumaßnahmen regle, wodurch die Rechte der Mieter zur Benützung von allgemeinen Teilen der Liegenschaft beeinträchtigt würden. Ein Dachbodenabteil, das einem Mieter zur ausschließlichen Benützung vermietet worden sei, gehöre nicht zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft. Ein in den Mietgegenstand integriertes mitvermietetes Dachbodenabteil könne dem Mieter nur bei Vorliegen eines entsprechenden Kündigungsgrundes entzogen werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsprechung zum § 18c Abs 2 MRG zulässig sei.

Mit ihrer Revision beantragen die Kläger die Abänderung dahin, daß die Teilkündigung als rechtswirksam festgestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Aus Gründen des Allgemeinwohls ist es wünschenswert, daß - vor allem in größeren Städten - leerstehende Dachbodenräumlichkeiten vom Liegenschaftseigentümer zur Beseitigung der bestehenden Wohnungsnot zu Wohnungen ausgebaut werden. Einem solchen Vorhaben können Benützungsrechte von Mietern entgegenstehen, sei es, daß es sich dabei nur um Nutzungsrechte an allgemeinen Teilen des Hauses (Dachboden, Keller) oder aber um mitvermietete, abgetrennte Räumlichkeiten (Dachboden- oder Kellerabteile) handelt, an denen dem einzelnen Mieter Sonderrechte zustehen. Im Anwendungsbereich des MRG idF vor dem am 1.3.1994 in Kraft getreteten 3.WÄG (BGBl 1993/800) war die oberstgerichtliche Rechtsprechung bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Dachbodenausbauten zu Lasten von Nutzungsrechten von Mietern nicht ganz einheitlich. Die in MietSlg 39.252 = EvBl 1988/1 veröffentlichte Entscheidung bejahte unter Subsumierung des Sachverhalts unter § 8 Abs 2 Z 2 MRG aF eine im außerstreitigen Verfahren durchzusetzende Duldungspflicht des Mieters zur Verlegung seiner mitgemieteten Abstellfläche im Dachboden des Hauses zu dem Zweck, daß der Vermieter den Dachboden zur Schaffung einer Kleinwohnung ausbauen könne. Die Duldungspflicht ergebe sich aufgrund einer Interessenabwägung. Demgegenüber wurde in der in WoBl 1991/140 veröffentlichten Entscheidung die Ansicht vertreten, daß für einen Dachbodenausbau unter Ausschaltung von Mietrechten am Dachboden eine Teilkündigung nach § 31 MRG notwendig sei.

Nach § 31 Abs 5 MRG setzt die Teilkündigung nach ständiger Rechtsprechung (MietSlg 35.386/34 und 36.452/26) und Lehre (Call in WoBl 1991, 230) einen dringenden Eigenbedarf des Vermieters voraus. Der kündigende Vermieter müßte also die im Dachboden zu errichtenden Wohnräumlichkeiten selbst dringend benötigen. Call leugnete in seiner Kritik der Entscheidung WoBl 1991/140 die Notwendigkeit einer Teilkündigung und erachtete auch ohne dringenden Eigenbedarf einen Dachbodenausbau für zulässig, wenn dies nach einer Interessenabwägung gerechtfertigt sei (Call in WoBl 1991, 234). Dessenungeachtet schlug er eine Novellierung des § 31 Abs 5 MRG zur Klarstellung im Sinne seiner Lehrmeinung vor (WoBl 1991, 230), welchem Vorschlag Würth beitrat (WoBl 1991, 231).

Der Gesetzgeber hat mit dem 3.WÄG die nachträgliche Neuerrichtung von Mietgegenständen neu geregelt. § 18c Abs 2 MRG idgF normiert für die nachträgliche Errichtung einer Wohnung zur Wahrung der Mieterrechte folgendes:

"Stünden den Baumaßnnahmen Rechte zur Benützung von allgemeinen Teilen der Liegenschaft, wie etwa von Dachboden- oder Kellerräumen, Grünanlagen oder Hofflächen entgegen, so haben dennoch die bisherigen Benützungsberechtigten die Baumaßnahmen unter der Voraussetzung zu dulden, daß ihnen gleichwertige Benützungsrechte oder die sonstige Möglichkeit zur gleichwertigen Befriedigung ihrer Interessen eingeräumt werden, oder daß ihnen der Verlust des Benützungsrechtes unter Berücksichtigung der bisherigen Ausübung abgegolten wird". Die Bestimmungen des MRG über die Teilkündigung, also auch die im vorliegenden Fall relevante Bestimmung des § 31 Abs 5, blieben unverändert.

Die Kläger haben die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß bei ihnen kein dringender Eigenbedarf vorliegt, bereits in der Berufung nicht bekämpft. Sie erachten aber die Kündigung unrichtigerweise aus dem Grund des § 18c Abs 2 MRG für berechtigt. Die mit der zitierten Gesetzesstelle angeordnete Duldungspflicht ist im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen (§ 37 Abs 1 Z 5 MRG). Ein solcher Anspruch wurde nicht geltend gemacht. Im Rechtsweg kann nur ein Teilkündigungsanspruch durchgesetzt werden, dessen Grund in einem dringenden Eigenbedarf des Kündigenden liegt. Dazu kann auf die schon zitierte Judikatur (MietSlg 35.386/34 ua) verwiesen werden. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist hier ein mitvermietetes, abgegrenztes Dachbodenabteil zu beurteilen, es liegt also ein Fall des § 31 Abs 5 MRG vor. § 18c MRG ist eine Spezialbestimmung für die Neuerrichtung von Wohnraum. Entgegenstehende Mietrechte (Benützungsrechte) an allgemeinen Teilen der Liegenschaft werden geschützt. Nach dem Gesetzeswortlaut und dessen grammatikalischer Auslegung sind darunter nur diejenigen Benützungsrechte zu verstehen, die allen Mietern des Hauses gemeinsam eingeräumt sind, also etwa das Recht zur Wäscheaufhängung im Dachboden uä, nicht aber die den einzelnen Mietern eingeräumten Sonderrechte an räumlich abgegrenzten, mitgemieteten Räumlichkeiten. Ob § 18c Abs 2 MRG in extensiver Interpretation auch diese Sonderrechte umfaßt, ist hier nicht näher zu untersuchen, weil die Kläger keinen nur im außerstreitigen Verfahren durchsetzbaren Duldungsanspruch geltend machen. Ihre (Teil )Kündigung ist ausschließlich nach § 31 MRG zu beurteilen. § 18c MRG normiert keinen eigenen Kündigungsgrund. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß der geplante Dachbodenausbau zur Schaffung von Wohnraum, ohne daß gleichzeitig auch ein dringender Eigenbedarf des Vermieters bestünde, keinen Kündigungsgrund darstellt. Der Revision ist daher nicht stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 46 Abs 2 und 50 ZPO.