JudikaturJustiz6Ob224/01m

6Ob224/01m – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Linz zu FN 83111y eingetragenen P***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Linz, wegen Offenlegung eines Jahresabschlusses, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Geschäftsführers Willy T*****, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber Partner Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 18. Mai 2001, GZ 6 R 70/01h-11, womit über den Rekurs des Geschäftsführers der Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 15. Jänner 2001, GZ 34 Fr 3594/00h-5, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang dahin abgeändert, dass die über den Geschäftsführer Willy T***** verhängte Zwangsstrafe ersatzlos behoben wird.

Text

Begründung:

Die Gesellschaft hat gemäß § 6 ihres Gesellschaftsvertrages mindestens zwei Geschäftsführer und wird durch zwei Geschäftsführer, einen Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen oder durch zwei Prokuristen mit den gesetzlichen Einschränkungen vertreten. Als gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen vertretungsbefugte Geschäftsführer sind Jean M***** und Willy T***** eingetragen, als gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem weiteren Prokuristen vertretungsbefugte Prokuristen sind Theres A***** und Christian F. S***** eingetragen. Am 26. 9. 2000 wurde namens der Gesellschaft der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1999 samt Anhang und Bekanntgabe der Größenmerkmale unter Verwendung von Formblättern eingereicht. Die Einreichung und Unterfertigung der eingereichten Unterlagen erfolgte durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einer Prokuristin. Das Erstgericht erteilte den Auftrag zur Verbesserung durch Unterfertigung des Jahresabschlusses durch die Geschäftsführer in vertretungsbefugter Anzahl. Die Gesellschaft kam diesem Auftrag nicht nach. Das Erstgericht wiederholte unter Androhung der Verhängung einer Zwangsstrafe von je 2.000 S über die beiden Geschäftsführer seine Aufforderung. Die Offenlegungsunterlagen für das Geschäftsjahr 1999 seien "in vertretungsberechtigter Anzahl" zu unterfertigen. Die Geschäftsführer kamen dieser Aufforderung weiterhin nicht nach.

Das Erstgericht verhängte die angedrohten Zwangsstrafen von je 2.000 S über die beiden Geschäftsführer und forderte sie neuerlich auf, dem Verbesserungsauftrag nachzukommen, widrigenfalls eine weitere Zwangsstrafe von 5.000 S verhängt werde.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Geschäftsführers Willy T*****, soweit dieser eine Aufhebung der über den anderen Geschäftsführer verhängten Zwangsstrafe anstrebte, zurück und gab im Übrigen dem Rekurs nicht Folge. Gemäß § 194 HGB sei der Jahresabschluss vom Kaufmann unter Beisetzung des Datums zu unterzeichnen. Bei Kapitalgesellschaften seien nach allgemeiner Meinung sämtliche Vorstandsmitglieder bzw Geschäftsführer unterzeichnungspflichtig. Dies ergebe sich aus § 222 Abs 1 HGB, der die gesetzlichen Vertreter zur Aufstellung des Jahresabschlusses verpflichte. Die Mitwirkung von in eine gemischte Gesamtvertretung einbezogenen Prokuristen sei weder nötig noch genügend. Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften müssten gemäß § 277 HGB die dort genannten Unterlagen beim Firmenbuchgericht am Sitz der Gesellschaft einreichen. Kleine Gesellschaften mbH müssten nur eine verkürzte Bilanz und einen verkürzten Anhang einreichen. Zu diesen Offenlegungsbestimmungen werde die Ansicht vertreten, dass es genüge, dass die Einreichung durch gesetzliche Vertreter in der vertretungsbefugten Anzahl erfolge. Die Einreichung durch einen Geschäftsführer mit einem mitzeichnungsberechtigten Prokuristen (§ 18 Abs 3 GmbHG) habe ihre Grenzen dort, wo die Vertretungshandlung unter strafrechtlicher Sanktion der Geschäftsführer stehe. Nach § 122 Abs 1 Z 1 GmbHG sei unter anderem zu bestrafen, wer als Geschäftsführer oder als Beauftragter in Jahresabschlüssen die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergebe oder erhebliche Umstände verschweige. Zu den Beauftragten zählten solche, die mit der Erstellung von Jahresabschlüssen beauftragt worden seien. Ein Gesamtprokurist, der den einzureichenden verkürzten Abschluss mitunterfertige, müsse nicht zugleich "Beauftragter" im Sinne dieser Gesetzesstelle sein. Er könne zwar an der Übermittlung der Unterlagen an das Firmenbuchgericht mitwirken. Die Unterfertigung der Unterlagen habe aber durch die Geschäftsführer zumindest in vertretungsbefugter Anzahl zu erfolgen. Dies habe das Erstgericht verlangt. Die Offenlegung sei nur gegenüber den Geschäftsführern erzwingbar. Hier sei die Offenlegung nicht durch die gesetzlichen Vertreter in vertretungsbefugter Anzahl erfolgt.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehlt, ob die Mitwirkung eines organschaftlichen Gesamtprokuristen an der Offenlegung ausreiche.

Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Geschäftsführer die Aufhebung der gegen ihn verhängten Zwangsstrafe.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurswerber steht auf dem Standpunkt, dass mit der Zeichnung des Jahresabschlusses durch einen Geschäftsführer und eine Prokuristin, die nach der Satzung zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind, der Vorschrift des § 194 HGB entsprochen worden sei. Im Übrigen habe diese Norm nur Ordnungscharakter. Die Unterzeichnungspflicht könne nicht durch Zwangsstrafen nach § 283 HGB durchgesetzt werden.

Kaufleute haben gemäß § 194 HGB den Jahresabschluss unter Beisetzung des Datums zu unterzeichnen. Diese Vorschrift gilt gemäß § 6 Abs 1 HGB auch für Handelsgesellschaften. Bei Kapitalgesellschaften vertritt die Lehre sowohl in Österreich als auch in Deutschland (zur vergleichbaren Bestimmung des § 245 dHGB) ganz überwiegend die Meinung, dass alle Vorstandsmitglieder bzw Geschäftsführer den Jahresabschluss zu fertigen hätten (Nowotny in Straube HGB Rechnungslegung2 Rz 9 zu § 194; Geist in Jabornegg HGB Rz 12 zu § 194; Wünsch, Kommentar zum GmbHG Rz 73 zu § 22; Torggler/Kucsko in Straube HGB1 Rz 4 zu § 41; Schiemer AktG2 520 Pkt 2.1. zu § 125;

Claussen in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz2 Rz 3 zu § 245 HGB;

Hüffer in Staub HGB Großkommentar4 Rz 10 zu § 245; Ballwieser in Münchener Kommentar HGB Rz 8 zu § 245). Diese Auffassung wird überwiegend damit begründet, dass die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft - also alle - die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Aufstellung des Jahresabschlusses haben (§ 222 Abs 1 HGB) und daher die Fertigung bloß in der zur Vertretung ausreichenden Zahl von Geschäftsführern nicht ausreiche (Geist aaO). Eine gegenteilige Meinung vertritt in Österreich lediglich A. Weilinger, Die Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses Rz 860 ff. Übereinstimmung besteht in der Lehre darüber, dass die Unterschrift auf dem Jahresabschluss beweisrechtliche Bedeutung habe und Dokumentationszwecken diene. Es werde mit der Unterschrift bestätigt, dass die Aufstellung des Jahresabschlusses abgeschlossen und die Feststellung durch das zuständige Gesellschaftsorgan (bei der Gesellschaft mbH gemäß § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG durch die Gesellschafter) erfolgt sei (Weilinger aaO Rz 843, 852, 853, 861 und 878), dass die Bilanz ordnungsgemäß entsprechend den Grundsätzen der ordentlichen Buchführung aufgestellt worden sei (Torggler/Kucsko aaO Rz 4 zu § 41), dass der Jahresabschluss aufgestellt und für die Gesellschaft verbindlich sei (Wünsch aaO Rz 73), dass der Jahresabschluss vollständig und richtig sei (Nowotny aaO Rz 3 zu § 194) oder dass der vorgelegte Abschluss die gültige und vollständige Fassung des festgestellten Jahresabschlusses sei (Zehetner in Straube HGB Rechnungslegung2 Rz 54 zu § 281). Ganz überwiegend vertritt die Lehre ferner die Auffassung, dass der schon festgestellte Jahresabschluss von den Geschäftsführern (Vorstandsmitgliedern) zu unterzeichnen sei (Nowotny aaO Rz 5; Geist aaO Rz 5; Wünsch aaO Rz 73; Ballwieser aaO Rz 5 zu § 245; Hüffer aaO Rz 5 zu § 245 mwN aus Lehre und Rechtsprechung). Bei einem nicht unterfertigten Jahresabschluss bestehe die Vermutung, dass er noch nicht endgültig (noch nicht festgestellt) sei (Nowotny aaO Rz 3; Weilinger aaO Rz 841; Hüffer aaO Rz 14).

Trotz der wiedergegebenen Ansichten kommt die österreichische Lehre zu dem überraschenden Schluss, dass die Unterschriftspflicht aller Geschäftsführer nicht mit Zwangsstrafen nach § 283 HGB (und gemeint wohl auch nicht nach § 24 FBG) durchsetzbar sein soll (Geist aaO Rz 2 zu § 194; Nowotny aaO Rz 3 zu § 194; Zehetner aaO Rz 55 zu § 281; Weilinger aaO Rz 895), obwohl andererseits vertreten wird, dass die Unterfertigung und das Datum Teile des nach den §§ 277 ff HGB offen zu legenden Jahresabschlusses sein sollen und dass beim Firmenbuchgericht ein unterzeichneter Jahresabschluss einzureichen sei (Zehetner aaO Rz 51). Dazu wird das Argument angeführt, dass die fehlende Unterzeichnung die Gültigkeit des Jahresabschlusses nicht berühre (in diesem Sinne auch HS XVI/XVII/5) und dass § 194 HGB eine reine Ordnungsvorschrift darstelle (Zehetner aaO Rz 55 zu § 281). Es ist fraglich, ob diese Begründung ausreicht, § 194 HGB als nicht durchsetzbare Vorschrift (lex imperfecta) aufzufassen und ein Vorgehen nach § 283 HGB (oder nach § 24 FBG) als unzulässig ansehen zu müssen.

Auch Weilinger (aaO Rz 895) hält die Durchsetzung der Unterzeichnungspflicht nach § 194 HGB mittels Zwangsstrafen nach § 283 HGB für unzulässig. Das österreichische Recht sehe anders als das deutsche Recht (§ 334 Abs 1 Nr 1 lit a dHGB) für die Ordnungswidrigkeit kein Bußgeld vor. Der Autor vertritt aber im Gegensatz zu den zitierten anderen Meinungen die Auffassung, dass die Unterzeichnungspflicht des § 194 HGB nicht alle Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH, sondern nur so viele Personen treffe, wie dies für eine gültige Vertretung der Gesellschaft, die allein unterzeichnungspflichtig sei, erforderlich sei. Der Geschäftsführer würde durch die Unterzeichnung keine neue, selbständige Verantwortung für die Richtigkeit der Angaben im Jahresabschluss übernehmen, sondern nur bestätigen, dass der vorliegende Jahresabschluss die festgestellte Fassung sei.

Die Vorinstanzen haben einen Mittelweg beschritten. Sie erachten zwar nicht die Unterzeichnung durch alle Geschäftsführer für erforderlich, lehnen aber trotz der in der Satzung vorgesehenen unechten gemischten Vertretung eine wirksame Zeichnungsberechtigung des Prokuristen ab und begründen dies mit der fehlenden Organstellung des Prokuristen und dem Umstand, dass die Vertretungshandlung der Geschäftsführer unter der Strafsanktion des § 122 Abs 1 Z 1 GmbHG stünde. Den Jahresabschluss müssten daher Geschäftsführer in vertretungsbefugter Anzahl unterschreiben.

Die Frage der Durchsetzbarkeit der Unterzeichnungspflicht nach § 194 HGB mittels Zwangsstrafen ist hier nicht zu entscheiden, wenn im Sinne der Auffassung Weilingers eine Fertigung durch das nach der Satzung vertretungsbefugte Kollektivorgan (§ 18 Abs 3 GmbHG) ausreichend sein sollte. Diese Frage ist aus folgenden Erwägungen zu bejahen:

1. Die materielle Rechtswirksamkeit der Aufstellung des Jahresabschlusses durch die Geschäftsführer (§ 222 Abs 1 HGB) und der Feststellung (Genehmigung) durch die Gesellschafter hängt nicht von der Unterschrift auf dem Jahresabschluss ab. § 194 HGB normiert nicht ein konstitutives Formerfordernis, wie eine gesetzlich angeordnete Notariatsaktsform oder eine gesetzliche Schriftform im Sinne einer "Unterschriftlichkeit". Auch nicht unterschriebene Geschäftsbilanzen können rechtswirksam sein (HS XVI/XVII/5). Dies entspricht dem einhelligen Standpunkt der Lehre. Die fehlende Unterzeichnung berührt die Gültigkeit des Jahresabschlusses nicht (Geist aaO Rz 2 zu § 194; Zehetner aaO Rz 55 zu § 281 mwN; Weilinger aaO Rz 893; Hüffer aaO Rz 14 zu § 245). Es kann der Lehre zugestimmt werden, wonach in der Unterschriftsleistung des Geschäftsführers eine deklarative Bestätigung zu erblicken ist, dass der unterschriebene Jahresabschluss derjenige ist, den die Geschäftsführer im Sinn des § 222 Abs 1 HGB aufgestellt und den Gesellschaftern vorgelegt haben und dass diese den Jahresabschluss genehmigten. Nur mit der Einreichung eines derartigen Jahresabschlusses beim Firmenbuchgericht wird den Offenlegungsvorschriften entsprochen. Offenlegungspflichtig ist die Gesellschaft, die nur durch ihre Organe handeln kann. Das Firmenbuchgericht hat im Rahmen seiner materiellen und formellen Prüfungspflicht die Gesetzmäßigkeit der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses zu prüfen, insbesondere also, ob der vorgelegte Jahresabschluss von den Geschäftsführern erstellt und von den Gesellschaftern festgestellt wurde. Beides kann auch ohne Unterschrift auf dem Jahresabschluss feststehen und vom Firmenbuchgericht überprüft werden, etwa wenn schon ein Generalversammlungsbeschluss vorliegt, womit konkret der Jahresabschluss genehmigt wurde, sodass über den relevanten Sachverhalt keine Zweifel bestehen. Im Regelfall beseitigt aber ein vom Geschäftsführer (oder von allen Geschäftsführern) unterschriebener Jahresabschluss die Zweifel, die ein nicht unterschriebener Jahresabschluss auslöst. Die Unterschrift hat also Beweis- und Bestätigungscharakter. Das Fehlen der Unterschrift indiziert Zweifel daran, ob schon ein festgestellter Jahresabschluss vorgelegt wurde oder ob er von den Geschäftsführern aufgestellt worden war und löst damit eine Nachforschungspflicht des Gerichtes aus, das die erwähnte Bestätigung über den ordnungsgemäßen Hergang der Aufstellung und Feststellung abzuverlangen hat. Ein Verbesserungsverfahren erübrigt sich jedoch, wenn ohnehin keine Zweifel über die Wirksamkeit des vorgelegten Jahresabschlusses bestehen. Andernfalls wäre die Einleitung eines Zwangsstrafenverfahrens nach § 283 HGB (oder auch nach § 24 FBG) rein repressiv, was dem primären Gesetzeszweck widespricht. § 283 HGB ordnet die Verhängung von Beugemitteln zur Erzwingung der Offenlegung an und ist grundsätzlich nicht eine Grundlage zur Bestrafung von reinen Ordnungswidrigkeiten. Nur wenn das Fehlen der Unterschrift (also der Bestätigung des Geschäftsführers) eine Unüberprüfbarkeit des Jahresabschlusses auslöste, wäre es denkbar, wegen unvollständiger Offenlegung ein Zwangsstrafenverfahren ins Auge zu fassen.

2. Die zwingenden Offenlegungsvorschriften der §§ 277 ff HGB richten sich zwar an alle Geschäftsführer. Auf die im Innenverhältnis maßgebende Geschäftsverteilung kommt es nicht an. Bei der Verletzung von Offenlegungspflichten können Beugemittel gegen alle Mitglieder des kollegialen Vertretungsorgans angewendet werden (6 Ob 14/00b = wbl 2000, 286 [Gruber 251] ua). Wenn entsprechend einer Ressortverteilung ein Geschäftsführer den Jahresabschluss erstellt, dieser von den Gesellschaftern genehmigt und in der Folge dem Firmenbuchgericht vorgelegt wird, liegt auch dann ein materiell wirksamer Jahresabschluss vor, wenn er nicht von allen Geschäftsführern gefertigt ist. Aus der Unterschriftsleistung allein kann eine strafgerichtliche Verantwortlichkeit der Geschäftsführer für die Richtigkeit der Darstellungen im Jahresabschluss nicht abgeleitet werden. § 122 GmbHG normiert ein Vorsatzdelikt (RS0060170). Dieses wird nicht dadurch verwirklicht, dass ein Geschäftsführer den von einem anderen Geschäftsführer nach der Ressortverteilung erstellten Jahresabschluss fertigt und allenfalls damit ein Überwachungsverschulden verbunden ist. Es ist nicht die Unterschrift, die den strafrechtlichen Tatbestand herstellt, sondern die Erstellung des Jahresabschlusses mit falschen, für den Geschäftsverkehr schädlichen Angaben. Die Unterschrift hat nur die schon mehrfach erwähnte Bedeutung, dass damit bestätigt wird, der Jahresabschluss sei von allen Geschäftsführern entsprechend ihrer gesetzlichen Buchführungspflicht (§ 22 GmbHG) erstellt worden, genauso wie die Offenlegungspflicht alle gesetzlichen Vertreter trifft. Diese Pflichten und die Verantwortlichkeiten aller Geschäftsführer bestehen aber unabhängig von der Unterschriftsleistung nach § 194 HGB.

3. Ausgehend vom dargelegten bestätigenden Charakter der Unterschrift gemäß § 194 HGB kann eine Kapitalgesellschaft die Bestätigung durch ihre vertretungsbefugten Organe erbringen. Die Vertretungserleichterung des § 18 Abs 3 GmbHG erlaubt eine unechte gemischte Gesamtvertretung. Die sogenannte organschaftliche Gesamtprokura macht den Prokuristen zwar noch nicht zum gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft, räumt ihm aber eine über den Umfang der eigentlichen Prokura hinausgehende Zeichnungsberechtigung ein (Reich-Rohrwig GmbHR2 Rz 2/204). Die sonst bestehenden gesetzlichen Beschränkungen der Vertretungsmacht eines Prokuristen treten nicht ein. Seine Befugnisse werden um organschaftliche Funktionen erweitert (SZ 56/177). Die Gesellschaft mbH kann daher ihre Verpflichtung zur Unterzeichnung des Jahresabschlusses durch die Unterzeichnung des zur Vertretung befugten Organs erfüllen, im Falle einer in der Satzung vorgesehenen gemischten Vertretung (§ 18 Abs 3 GmbHG) durch Zeichnung des Jahresabschlusses durch den Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen. Die Unterzeichnung des Jahresabschlusses durch alle Geschäftsführer oder aber auch durch Geschäftsführer in der in der Satzung vorgesehenen Anzahl ist nicht erforderlich.

Damit fehlt aber die Grundlage für die Verhängung einer Zwangsstrafe über den Rechtsmittelwerber.

Rechtssätze
5
  • RS0113282OGH Rechtssatz

    14. September 2021·3 Entscheidungen

    1. Die zwingenden Offenlegungsvorschriften der §§ 277 ff HGB an die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften richten sich an alle Geschäftsführer. Adressaten der Zwangsstrafenandrohung sind alle Mitglieder eines kollegialen Vertretungsorganes, unabhängig von einer Geschäftsverteilung. Die Verhängung von Zwangsstrafen gegen jeden Geschäftsführer führt weder zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung von Gesellschaften mit mehreren Geschäftsführern, noch übt das Gericht damit unverhältnismäßigen Zwang aus. 2. Die Offenlegungsbestimmungen und Sanktionsbestimmungen wurden durch das GesRÄG 1996 in richtlinienkonformer Umsetzung der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie des Rates (Publizitäts-RL 68/151/EWG und Bilanz-RL 78/660/EWG) formuliert, die ihrerseits auf Art 44 Abs 2 lit g EG beruhen. Danach liegt der Zweck in der Koordination von Schutzbestimmungen, die den Gesellschaften in ihren Mitgliedstaaten im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu halten. Die detaillierten Bestimmungen dieser Richtlinien lassen dem nationalen Gesetzgeber nur geringen Umsetzungsspielraum; er ist auch dann zur Umzusetzung verpflichtet, wenn dies nur unter Verletzung von Grundrechten möglich wäre. 3. Es besteht kein Zweifel, dass die Offenlegungsbestimmungen und Sanktionsbestimmungen der 1. und 4. Richtlinie des Rates mit den Grundrechten der Gemeinschaft vereinbar sind.