JudikaturJustiz6Ob218/20g

6Ob218/20g – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. November 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon. Prof. Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Ru*, Rechtsanwalt, *, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der T* GmbH (AZ * S * des Landesgerichts Linz), vertreten durch Beurle Rechtsanwälte GmbH Co KG in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. R*, vertreten durch Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Linz, wegen 1.160.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. Juli 2020, GZ 1 R 43/20d 108, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch bei nur leichtem Verschulden zum Ersatz des von ihm herbeigeführten Schadens verpflichtet ist (RS0049459). Der erkennende Senat hat in diesem Zusammenhang zwar in der Entscheidung 6 Ob 160/15w (GesRZ 2016, 293 [ Konwitschka , 113] = ZfS 2016, 58 [ Karollus ] = ecolex 2016/306 [ Reich Rohrwig ] = JEV 2016/10 [ Schima/Toscani , 74]) vor dem Hintergrund der Business Judgement Rule klargestellt, dass den Geschäftsführer keine Erfolgshaftung trifft, sondern dieser nur für ein ex ante pflichtwidriges Verhalten einzustehen hat; eine Haftung sei somit nur dann zu bejahen, wenn er seinen Ermessensspielraum eklatant überschreitet bzw eine evident unrichtige Sachentscheidung oder eine geradezu unvertretbare Entscheidung trifft; daraus folge, dass es in einer Entscheidungssituation nicht zwingend nur eine richtige Entscheidungsalternative gibt, sondern dass auch mehrere gegenteilige Handlungsalternativen sorgfaltskonform sein können. Daraus ist für den Beklagten als damaligem Geschäftsführer der Schuldnerin allerdings nichts gewonnen, entspricht es doch ebenfalls ständiger Rechtsprechung, dass sich der Geschäftsführer nicht wie ein beliebiger Unternehmer, sondern wie ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbständiger treuhändiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen verhalten muss (RS0116174). Vor diesem Hintergrund ist nämlich die Auffassung des Berufungsgerichts jedenfalls vertretbar, der Beklagte habe das Vermögen der Schuldnerin zumindest leicht fahrlässig geschädigt, als er zwar noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, jedoch zu einem Zeitpunkt, als die Schuldnerin bereits größte Liquiditätsprobleme hatte, trotz zahlreicher ausdrücklicher und dringender Warnungen leitender Mitarbeiter, Bankangestellter, eines italienischen Rechtsanwalts und des österreichischen Außenwirtschaftscenters in Mailand mit einem Bargeldbetrag der Schuldnerin in Höhe von 1 Mio EUR (!) nach U* reiste und dieses Geld einem vorbestraften (was dem Beklagten bekannt war) italienischen „Investor“ in einem Kaffeehaus übergab, damit dieser die Echtheit des Geldes prüfen konnte, woraufhin der „Investor“ mit dem Bargeld entkam und „der Verbleib des Geldes ungewiss“ ist. Ob bzw wie sich der Beklagte „von der Seriosität [ des ] italienischen Investors durch eine intensive Prüfung überzeugt“ hatte und dass es ihm lediglich darum gegangen sein mag, einen „außergerichtlichen Sanierungsversuch“ zu unternehmen (der „Investor“ hatte sich verpflichtet, der Schuldnerin 26 Mio EUR zur Verfügung zu stellen), ändert nichts daran, dass kein ordentlicher Geschäftsmann ein solches Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, eingehen würde.