JudikaturJustiz6Ob128/16s

6Ob128/16s – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Juli 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers E***** M*****, vertreten durch hubmer ebmer partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN ***** eingetragene B*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Ludwig Beuerle und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Bucheinsicht (§ 22 Abs 2 GmbHG), über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 28. April 2016, GZ 6 R 83/16t 12, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 16. März 2016, GZ 13 Fr 7919/15x 7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit 2.197,92 EUR (darin 366,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es habe keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage aufgefunden werden können, ob ein dem Bucheinsichtsbegehren stattgebender Spruch als Duldungs- und Unterlassungsbefehl oder als Leistungsbefehl zu qualifizieren sei. Davon hänge es wesentlich ab, ob ein Anspruch auf wiederholte Bucheinsicht bestehe oder ob der Antragsgegner erfolgreich Erfüllung einwenden könne.

1. Im vorliegenden Fall geht es weder um die Vollstreckung eines einem Antrag auf Bucheinsicht stattgebenden Beschlusses (vgl allgemein dazu EvBl 1985/15; SZ 57/92; SZ 57/146; OLG Wien 6 R 136/94; RIS Justiz RS0125606; Rassi , Verfahrensrechtliche Fragen der Bucheinsicht, ÖJZ 1997, 891) noch um die Frage, ob die mit einem derartigen Beschluss auferlegte Verpflichtung bereits erfüllt ist und daher nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden kann. Im vorliegenden Fall ist vielmehr lediglich zu beantworten, ob die vor der Antragstellung stattgefundene Übermittlung von Kopien der Stattgebung des Einsichtsbegehrens entgegensteht. Diese Frage ist aber durch die ständige Rechtsprechung bereits geklärt:

2.1. Der Bucheinsichtsantrag des Gesellschafters ist nach ständiger Rechtsprechung nur im Fall der rechtsmissbräuchlichen Ausübung abzuweisen (6 Ob 245/99v; 6 Ob 11/08y). Diesen Abweisungsgrund hat der Gegner zu behaupten und zu beweisen (vgl RIS Justiz RS0107752).

2.2. Auch dem ausgeschiedenen Gesellschafter in einer GmbH steht ein Einsichtsrecht für den Zeitraum bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens zu, wenn er vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis verfolgt ( Unger in Straube , GmbHG § 22 Rz 42). Ebenso steht dem ausgeschiedenen Gesellschafter ein Informationsrecht zu, soweit die begehrte Einsicht Unterlagen betrifft, die in die Zeit fallen, in der er noch Gesellschafter war (RIS Justiz RS0111743, RS0060098 [T3]). Ein ausgeschiedener Gesellschafter hat sein Informationsinteresse konkret darzulegen und gegebenenfalls zu bescheinigen, weil das Interesse an der Informationserteilung nach dem Ausscheiden und dem damit verbundenen Verlust der Leitungs und Prüfungsrechte nicht mehr evident ist ( Unger aaO mwN).

3. Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen nicht abgewichen.

3.1. Dass die Geltendmachung eines Anspruchs auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens bzw Übernahmspreises ein ausreichendes Informationsinteresse des ausgeschiedenen Gesellschafters begründet, entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 96/13f).

3.2. Für die dem Rechtsstandpunkt der Revisionsrekurswerberin zugrundeliegende Auffassung, das Recht auf Bucheinsicht könne nur ein einziges Mal ausgeübt werden, besteht keine Grundlage. Der bloße Umstand, dass einem Gesellschafter früher einmal Einsicht gewährt wurde, macht ein Einsichtsbegehren in der Folge nicht rechtsmissbräuchlich. Zutreffend verweist das Rekursgericht auf den Fall, dass ein Gesellschafter später ein Detail genauer prüfen will oder etwas übersehen haben könnte oder dass er aus technischen Gründen die Speicherung wiederholen will, etwa bei Datenverlust, bei minderer technischer Datenqualität oder einer sonstigen technischen Unzulänglichkeit. Ein derartiges wiederholtes Einsichtsbegehren könnte missbräuchlich sein, wenn es dem Gesellschafter überwiegend darum ginge, durch exzessive Ausübung seines Einsichtsrechts den Geschäftsablauf beim Gegner möglichst lange und nachhaltig zu stören. Dass dem Einsichtsbegehren im vorliegenden Fall eine derartige Überlegung zugrundeläge, behauptet aber die Antragsgegnerin selbst nicht, zumal die Einsicht antragsgemäß in den Räumen eines Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers stattfinden soll.

3.3. Auch die Übermittlung von Kopien von Belegen lässt das Einsichtsrecht nicht entfallen, zumal es dem Gesellschafter freistehen muss, die Übereinstimmung der Kopien mit den Originalbelegen vor Ort zu überprüfen.

4. Eine relevante Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG). Sofern es sich bei einem bestimmten Beleg, in den Einsicht begehrt wird, – wie die Antragsgegnerin behauptet – um eine bloße Korrekturbuchung handelt, für die kein separater Beleg existiert, ist die Entscheidung des Erstgerichts zwanglos dahin zu verstehen, dass auch dieser Umstand im Zuge der Bucheinsicht überprüft werden kann.

5. Zusammenfassend bringt die Antragsgegnerin daher keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 AußStrG. Dabei war aufgrund der systematischen Nähe des Bucheinsichtsverfahrens zum Firmenbuchverfahren die Bemessungsgrundlage des § 10 Z 5c RATG zugrundezulegen (vgl 6 Ob 198/12d), zumal beide Parteien übereinstimmend von dieser Bemessungsgrundlage ausgehen. Die Antragstellerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.