JudikaturJustiz6Ob120/00s

6Ob120/00s – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Baumann, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der L***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in *****, über den Revisionsrekurs des Geschäftsführers Rodolphe S*****, vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Verhängung einer Zwangsstrafe, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 3. März 2000, GZ 3 R 24/00d-26, womit der Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Handelsgericht vom 13. Jänner 2000, GZ 15 Fr 6751/99w-23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Zur Durchsetzung der Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses (§ 277 HGB) verhängte das Firmenbuchgericht über den alleinigen Geschäftsführer der Gesellschaft mbH (einer kleinen Kapitalgesellschaft gemäß § 221 Abs 1 HGB) eine Zwangsstrafe von 5.000 S.

Das Rekursgericht wies den Antrag auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zurück und gab dem Rekurs des Geschäftsführers nicht Folge. Es verwarf dessen Einwand, die Offenlegungsvorschriften der §§ 277 bis 279 HGB würden das Grundrecht auf Datenschutz verletzen. Gegen die Umsetzung der Publizitätsrichtlinie (Erste gesellschaftsrechtliche Richtlinie des Rates vom 9. 3. 1968, 68/151/EWG) und der Bilanzrichtlinie (Vierte gesellschaftsrechtliche Richtlinie des Rates vom 25. 7. 1978, 78/660/EWG) in das österreichische Recht bestünden vor allem im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 4. 12. 1997, Rs C-97/96 ("Daihatsu") keine Bedenken. Die Offenlegung der Jahresabschlüsse diene nicht nur der Information der Gesellschafter und der Gläubiger der Gesellschaft, sondern aller an der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft interessierter Dritter. Der Zweck des Gläubigerschutzes stelle eine für das wirtschaftliche Wohl des Landes notwendige Maßnahme dar, die nach Art 8 Abs 2 EMRK und damit auch nach § 1 Abs 2 DSG zulässig sei. Die Strafhöhe sei nicht zu beanstanden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Geschäftsführer der Gesellschaft erkennbar die Abänderung dahin, dass die verhängte Zwangsstrafe ersatzlos behoben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung; hilfsweise wird beantragt, die Zwangsstrafe "mit einem geringeren Betrag" festzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes unzulässig:

Der Oberste Gerichtshof hat in jüngster Zeit mehrfach die Frage geprüft, ob die handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen verfassungskonform sind (auch im Hinblick auf den Datenschutz) und dem Europarecht entsprechen. Er ist zum Ergebnis gelangt, dass gegen die Umsetzung der Publizitätsrichtlinie und der Bilanzrichtlinie durch die österreichischen Offenlegungsvorschriften keine Bedenken bestehen und dass die Richtlinien grundrechtskonform sind (6 Ob 307/99m = RdW 2000, 281, 6 Ob 5/00d; 6 Ob 14/00b). Auf die eingehende Begründung etwa in der Entscheidung 6 Ob 14/00b kann verwiesen werden.

Zur Strafhöhe zeigt der Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG auf.

Das Rechtsmittel ist demnach zurückzuweisen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
6
  • RS0113282OGH Rechtssatz

    14. September 2021·3 Entscheidungen

    1. Die zwingenden Offenlegungsvorschriften der §§ 277 ff HGB an die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften richten sich an alle Geschäftsführer. Adressaten der Zwangsstrafenandrohung sind alle Mitglieder eines kollegialen Vertretungsorganes, unabhängig von einer Geschäftsverteilung. Die Verhängung von Zwangsstrafen gegen jeden Geschäftsführer führt weder zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung von Gesellschaften mit mehreren Geschäftsführern, noch übt das Gericht damit unverhältnismäßigen Zwang aus. 2. Die Offenlegungsbestimmungen und Sanktionsbestimmungen wurden durch das GesRÄG 1996 in richtlinienkonformer Umsetzung der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie des Rates (Publizitäts-RL 68/151/EWG und Bilanz-RL 78/660/EWG) formuliert, die ihrerseits auf Art 44 Abs 2 lit g EG beruhen. Danach liegt der Zweck in der Koordination von Schutzbestimmungen, die den Gesellschaften in ihren Mitgliedstaaten im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu halten. Die detaillierten Bestimmungen dieser Richtlinien lassen dem nationalen Gesetzgeber nur geringen Umsetzungsspielraum; er ist auch dann zur Umzusetzung verpflichtet, wenn dies nur unter Verletzung von Grundrechten möglich wäre. 3. Es besteht kein Zweifel, dass die Offenlegungsbestimmungen und Sanktionsbestimmungen der 1. und 4. Richtlinie des Rates mit den Grundrechten der Gemeinschaft vereinbar sind.