JudikaturJustiz6Ob116/04h

6Ob116/04h – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. September 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Aktiebolag, vertreten durch den Liquidator Nils Olof H*****, dieser vertreten durch Ferner Hornung Partner, Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei F***** AB ***** vertreten durch den Aufsichtsrat Anders Roland B*****, vertreten durch Mag. Alexander Heinrich, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Löschung einer Grundbuchseintragung, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. Februar 2004, GZ 2 R 122/03d 25, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 4. April 2003, GZ 7 Cg 151/02w 9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 3.760,56 EUR (darin 626,76 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.564,54 EUR (darin 1.061 EUR Barauslagen und 250,59 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist eine im schwedischen Patent und Registeramt seit 9. 6. 1983 eingetragene Aktiengesellschaft. Sie war bücherliche Eigentümerin von zwei Miteigentumsanteilen an Liegenschaften in Maishofen (Gerichtssprengel Zell am See), jeweils verbunden mit Wohnungseigentum. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde im Jahr 1993 in Schweden der Konkurs eröffnet. Der bestellte Konkursverwalter verkaufte am 14. 11. 1994 die beiden Eigentumswohnungen an die Beklagte, deren Eigentum im Grundbuch eingetragen wurde. Das Konkursverfahren wurde am 12. 9. 1997 beendet. Zum Zeitpunkt der Klageeinbringung befand sich die Gesellschaft in Liquidation. Die Beklagte ist ebenfalls eine Aktiengesellschaft nach schwedischem Recht.

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 1. 8. 2002 beim Erstgericht überreichten Löschungsklage, die Einverleibung des bücherlichen Eigentums der Beklagten an den mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteilen für unwirksam zu erklären und die Grundbuchseintragungen zu löschen. Der schwedische Konkursverwalter habe über das in Österreich gelegene Vermögen der Gemeinschuldnerin nicht wirksam verfügen dürfen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte dagegen ein, dass der Hauptgesellschafter und Vorstandsmitglied der Klägerin dem Kaufvertrag ausdrücklich zugestimmt und den Konkursverwalter zum Abschluss des Kaufvertrages bevollmächtigt habe. Die Klageführung erfolge rechtsmissbräuchlich. Es liege auch keine Parteifähigkeit der Klägerin vor, weil diese sich nicht mehr in Liquidation befinde.

Die Klägerin replizierte, dass aufgrund einer Nachtragsliquidation das Liquidationsverfahren noch nicht beendet sei. Eine Bevollmächtigung des Konkursverwalters durch das Vorstandsmitglied sei mangels notariell beglaubigter Vollmacht rechtsunwirksam.

Das Erstgericht gab der Löschungsklage statt. Von seinen Feststellungen ist noch Folgendes hervorzuheben:

Zum Zeitpunkt der Klageeinbringung sei das Liquidationsverfahren noch nicht beendet gewesen. Der strittige Kaufvertrag sei ausschließlich vom Konkursverwalter der Klägerin abgeschlossen worden. Vollmachten von außerhalb des Konkurses vertretungsbefugten Personen der Klägerin hätten nicht vorgelegen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass die in Schweden über das Vermögen der Klägerin erfolgte Konkurseröffnung in Österreich keine konkurstypischen Wirkungen entfalten habe können. Die Gemeinschuldnerin sei hinsichtlich der Eigentumswohnungen verfügungsberechtigt geblieben. Dem schwedischen Masseverwalter habe es an der Legitimation gefehlt, für die Klägerin einen Kaufvertrag abzuschließen. Für die Eigentumseinverleibung der Beklagten habe ein Titel gefehlt. Die Grundbuchseintragung sei unwirksam und daher zu löschen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten statt und wies das Klagebegehren ab. Es traf nach Beweisergänzung zum Thema der Parteifähigkeit der Klägerin ergänzende Feststellungen: Am 19. 3. 2002 sei vom zuständigen schwedischen Gericht beschlossen worden, dass die Klägerin in Liquidation treten solle. Zum Liquidator sei Nils Olof H***** bestellt worden. Das Berufungsgericht traf ferner aufgrund der beigeschafften Rechtsauskunft des schwedischen Justizministeriums (aus dem Parallelverfahren 6 Cg 274/97s des Landesgerichtes Salzburg) ergänzende Feststellungen zum schwedischen Recht. Das schwedische Justizministerium habe mitgeteilt, dass in dem Fall, dass der Gemeinschuldner seinen Wohnsitz in Schweden habe, die Konkursverwaltung als dazu verpflichtet betrachtet werden könne, soweit wie möglich auch das ausländische Eigentum in den schwedischen Konkurs miteinzubeziehen. Die Aktivposten müssten als Bestandteil des Konkurses angesehen werden. In der schwedischen Rechtswissenschaft werde die Auffassung vertreten, dass ein schwedischer Domizilkonkurs auch das Eigentum des Gemeinschuldners im Ausland einschließen solle. Die Konkursverwaltung solle soweit wie möglich versuchen, auch Aktivposten in fremden Ländern einzuziehen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht im Wesentlichen aus, dass für den Erwerb und den Verlust dinglicher Rechte nach § 31 Abs 1 IPRG österreichisches Recht maßgeblich wäre, weil sich die beiden Eigentumswohnungen in Österreich befanden. Bei kausalen dinglichen Verfügungen komme es allerdings auf das Titelgeschäft an, also auf das einschlägige Schuldstatut. Dies gelte auch für Vollmachtsfragen. Auch nach den Bestimmungen des IPRG sei zwischen der dem "Belegenheitsstatut" des § 31 unterstehenden Beurteilung (Voraussetzungen und Wirkungen der sachenrechtlichen Rechtsänderung) und dem Bestand des schuldrechtlichen Grundverhältnisses zu unterscheiden. Dieses sei nach dem einschlägigen Schuldstatut zu beurteilen. Die Klägerin behaupte Titellosigkeit des sachenrechtlichen Verfügungsgeschäftes. Im Hinblick auf § 35 Abs 1 IPRG orientiere sich das Schuldstatut primär an einer ausdrücklichen oder schlüssigen Rechtswahl. Hier hätten die Parteien vereinbart, dass auf den gegenständlichen Vertrag einschließlich der Frage seines gültigen Zustandekommens schwedisches Recht anzuwenden sei. Im Übrigen unterlägen alle Fragen, die das Leben einer juristischen Person oder Gesellschaft begleiten, also die Bereiche der inneren und äußeren Organisation, dem Sitzrecht nach § 10 IPRG, hier also dem schwedischen Recht. Auch bei einer Berufung auf das Vollmachtsstatut des § 49 IPRG wäre die Anwendung schwedischen Rechts gegeben. Da schwedisches Recht anzuwenden sei, komme es auf den Standpunkt der österreichischen Rechtsprechung zur Frage der Wirkungen eines ausländischen Konkurses in Österreich nicht an. Der Masseverwalter der Klägerin habe rechtswirksam den Kaufvertrag abschließen können.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil das Berufungsgericht möglicherweise von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Auswirkungen eines schwedischen Konkurses in Österreich abgewichen sei.

Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu den Inlandswirkungen eines ausländischen Konkursverfahrens abgewichen ist. Die Revision ist auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die Fragen der Parteifähigkeit der Klägerin und der Vertretungsbefugnis des für sie einschreitenden Liquidators im Revisionsverfahren nicht mehr strittig sind. Unstrittig ist ferner, dass zwischen Österreich und Schweden zum entscheidungswesentlichen Zeitpunkt des Kaufvertrags keine bilateralen Staatsverträge existierten. Die §§ 240 ff KO idF des Bundesgesetzes über das Internationale Insolvenzrecht (IIRG), BGBl I 2003/36, über die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren sind hier noch nicht anzuwenden (Übergangsbestimmung des Art VI § 1 Abs 1 und 2 leg cit). Die Vereinheitlichung des europäischen Insolvenzrechts zur Verbesserung der Wirksamkeit von Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung ist erst mit der Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates vom 29. 5. 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) erfolgt und erst am 31. 5. 2002 in Kraft getreten (Art 47). Da der gegenständliche Konkurs schon im Jahr 1993 eröffnet worden war, ist der Sachverhalt hier nach der durch das IRÄG 1982, BGBl 1982/370, novellierten Rechtslage zu beurteilen. Die Revisionswerberin verweist im Wesentlichen auf die zu § 180 KO vorliegende oberstgerichtliche Judikatur. Mangels staatsvertraglicher Regelung sei der schwedische Masseverwalter über das in Österreich gelegene Liegenschaftsvermögen nicht verfügungsbefugt gewesen. § 180 KO habe das allgemeine internationale Privatrecht verdrängt. Die Beklagte steht dem gegenüber auf dem Standpunkt, dass § 180 KO eine Norm des internationalen Zivilprozessrechts und keine (materiellrechtliche) Kollisionsnorm gewesen sei. Die Verfügungsbefugnis des schwedischen Masseverwalters sei nach dem Titelgeschäft und im Sinne der Berufungsentscheidung nach schwedischem Recht zu beurteilen. Dazu ist Folgendes auszuführen:

§ 180 KO, der durch das IIRG erst mit Wirkung 1. 7. 2003 aufgehoben wurde, verfügte, dass für die Anerkennung von Maßnahmen, die im Ausland im Rahmen eines dem österreichischen Konkursverfahren entsprechenden Verfahrens getroffen werden, insbesondere für Entscheidungen, mit denen ein Organ bestellt oder unmittelbar über im Inland gelegenes Vermögen verfügt wird, die §§ 79 bis 86 EO gelten. Mit dieser durch das IRÄG 1982 geschaffenen, am 1. 1. 1983 in Kraft getretenen Gesetzesbestimmung wurde in Österreich ein striktes Territorialitätsprinzip normiert. Dazu wurde schon in der Entscheidung 2 Ob 560/87 (2 Ob 561/87) = JBl 1988, 653, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien ausgeführt: Bis zum Inkrafttreten des IRÄG 1982 sei aus § 67 KO (alt) gefolgert worden, dass der im Ausland in Konkurs verfallene Gemeinschuldner über sein österreichisches Vermögen die freie Verfügungsbefugnis behalte. Nunmehr verweise § 180 KO für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen im Konkursverfahren auf die §§ 79 bis 82, 84 EO. Die Gesetzesmaterialien begründeten die Beseitigung der nicht effektiv gewordenen §§ 66 und 67 KO mit den heutigen international konkursrechtlichen Verhältnissen. In Ermangelung der Gegenseitigkeit komme es weder dazu, dass bewegliches Auslandsvermögen in inländische Konkurse gezogen werde, noch dazu, dass österreichisches Vermögen ausgefolgt werde. Soweit daher nicht Insolvenzabkommen bestünden, beschränke sich der österreichische Konkurs auf das im Inland belegene Vermögen, möge auch § 1 KO vom Universalitätsgrundsatz ausgehen. Im Übrigen sorge § 180 KO dafür, dass Maßnahmen eines ausländischen Konkursgerichtes dann, wenn kein Staatsvertrag vorliege, wie bisher keine Inlandswirkungen hätten.

Das Territorialitätsprinzip beschränkt die Wirkungen eines Auslandskonkurses auf im Inland gelegenes Vermögen des Gemeinschuldners genauso wie die Wirkungen eines österreichischen Konkursverfahrens auf im Ausland gelegenes Vermögen des Gemeinschuldners. Diese Beschränkungen sind nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, die immer wieder auf das angeführte Motiv des Gesetzgebers verwies (2 Ob 316/99f = SZ 72/196) und die Anregungen der Lehre, dem Universalitätsprinzip zum Durchbruch zu verhelfen (Burgstaller, ZIK 2000, 20; Schumacher, RdW 1991, 36), ablehnte (1 Ob 159/01s = SZ 74/134; 1 Ob 2095/96m), im Wesentlichen Folgende:

1. Die Wirkungen eines inländischen Konkurses erstrecken sich nicht auf im Ausland gelegenes Vermögen des Gemeinschuldners (RIS Justiz RS0112780).

2. Maßnahmen eines ausländischen Konkursgerichtes haben dann, wenn kein Staatsvertrag vorliegt, keine Inlandswirkung (RS0065306).

3. Soweit nicht mit einem anderen Staat ein Insolvenzabkommen besteht, beschränkt sich das inländische Insolvenzverfahren auf Inlandsvermögen. Es wird weder Auslandsvermögen einbezogen noch Inlandsvermögen ausgefolgt. Ausländische Insolvenzmaßnahmen sind grundsätzlich wirkungslos. Ihre Anerkennung hängt von einer durch Staatsverträge verbürgten Gegenseitigkeit ab (RS0064089).

4. Rechtshandlungen des ausländischen Gemeinschuldners über sein in Österreich befindliches Vermögen bleiben gegenüber den Konkursgläubigern wirksam. Er kann in Österreich seine Rechte gerichtlich und außergerichtlich geltend machen. Dem ausländischen Masseverwalter kommt keine Prozessführungsbefugnis in Bezug auf das in Österreich gelegene Vermögen zu (1 Ob 120/00d mwN).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts basiert auf materiellrechtlichen Erwägungen nach dem IPRG. Sowohl nach dem Schuldstatut des Kaufvertrags (nach der getroffenen Rechtswahl der Parteien im Sinne des § 35 Abs 1 IPRG alt), als auch nach dem Vollmachtsstatut (§ 49 IPRG) oder dem Personalstatut der juristischen Person (§ 10 IPRG) ergäbe sich der Anwendungsvorrang schwedischen Rechts hinsichtlich der Frage der Verfügungsbefugnis des schwedischen Konkursverwalters über das in Österreich gelegene gemeinschuldnerische Vermögen. Die Bejahung dieser Befugnis setzt die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der aktenkundigen Auskunft des schwedischen Justizministeriums voraus, dass ein Verfolgungsrecht des Konkursverwalters im Ausland besteht. Damit stellt sich die von den Parteien relevierte Frage nach der Rechtsnatur der Bestimmung des hier noch anzuwendenden § 180 KO im Verhältnis zu den Kollisionsnormen des IPRG:

Grundsätzlich gilt, dass Verfahrensrecht nach der lex fori anzuwenden ist, die Anwendung des materiellen Rechts aber nach der lex causae. Die Qualifikation, was zum materiellen oder zum formellen Recht gehört, ist mitunter schwierig. In den Fällen mit Auslandsberührung ergibt sich die zusätzliche Schwierigkeit, dass ausländische Normen auszulegen sind. Ob sie als verfahrensrechtlicher oder rein materieller Natur qualifiziert werden können, soll nach der Entscheidung 1 Ob 2095/96m "ohne strenge Bindung" an die im Ausland vorgesehene dogmatische Einordnung geprüft werden. Eine "Einbettung" ausländischer insolvenzrechtlicher Vorschriften in die inländische Rechtsordnung sei möglich. Der Oberste Gerichtshof qualifizierte in der zitierten Entscheidung einen sogenannten Verlustschein nach schweizerischem Recht (der beklagte Darlehensnehmer, über dessen Vermögen in der Schweiz der Konkurs eröffnet worden war, wandte gegen die auf schweizerisches Recht gestützte Rückzahlungsklage die gesetzliche Haftungsbeschränkung aufgrund des Verlustscheins ein) als im österreichischen Verfahren anzuwendende materiellrechtliche Haftungsbeschränkung. Der 1. Senat beurteilte allerdings nicht den Verlustschein als Maßnahme im Sinne des § 180 KO, weil der Klageanspruch der Schweizer Bank nicht auf eine Verfügung eines Konkursverwalters, sondern auf eine gesetzliche Haftungsbeschränkung gestützt wurde. Im vorliegenden Verfahren ist aber eine andere Fragestellung entscheidungswesentlich, nämlich diejenige nach der Rechtsnatur der schwedischen Konkurseröffnung, der Bestellung des schwedischen Masseverwalters und seine gerichtliche und außergerichtliche Vertretungsbefugnis hinsichtlich des im Ausland (in Österreich) befindlichen Vermögens der Gemeinschuldnerin und die damit im Zusammenhang stehende weitere Frage, was unter den "Maßnahmen" des ausländischen Konkursverfahrens im Sinne des § 180 KO zu verstehen ist.

Die Befugnisse des Masseverwalters bzw des Konkursverwalters haben sowohl eine materiellrechtliche Dimension (Sachlegitimation) als auch eine prozessrechtliche (1 Ob 159/01s = SZ 74/134). Ob eine gesetzliche Norm diese Befugnisse allseitig, nur materiellrechtlich oder nur verfahrensrechtlich einräumt, ist im Wege der Auslegung zu erforschen. Zu fragen ist daher, ob § 180 KO eine reine Verfahrensvorschrift oder auch eine materiellrechtliche Kollisionsnorm ist, die als lex specialis den Bestimmungen des IPRG vorgeht.

Nach der Ansicht Leitners (Der grenzüberschreitende Konkurs) ist das gesetzliche Territorialitätsprinzip, das der Autor im Übrigen rechtspolitisch kritisiert, als ein Prinzip "im kollisionsrechtlichen Anknüpfungssinn" zu verstehen. Die Rechtsfolgen eines Konkursverfahrens seien auf das Hoheitsgebiet des Konkurseröffnungsstaates beschränkt. Kollisionsrechtlicher Zweck sei es, dass im Inland grundsätzlich nur inländisches Recht angewendet werde, auch wenn ausländisches materielles Recht Geltung beanspruche. Der ausländische Konkurs werde im Inland ignoriert. Die inländische einseitige Kollisionsnorm berufe nur eigenes Recht zur Anwendung (Leitner aaO 22 f). Die lex fori gelte grundsätzlich für das gesamte materielle Konkursrecht. Dies ergebe sich schon aus dem besonders engen inneren Zusammenhang von formellem und materiellem Konkursrecht (aaO 201). Konkursrechtliche Maßnahmen nähmen nach der Art ihres Zustandekommens, nach ihrer Zwecksetzung und ihren Rechtsfolgen eine Zwischenstellung zwischen dem internationalen Privatrecht bzw dem internationalen Gesellschaftsrecht auf der einen Seite und dem internationalen Verfahrensrecht auf der anderen Seite ein (aaO 211 f). Leitner erteilt deshalb den "privatistischen Theorien", die ausschließlich an der durch materielle Kollisionsnormen angeordneten Anwendung ausländischen Konkursrechts anknüpfen, eine Absage (aaO 212) und subsumiert unter die "Maßnahmen" des § 180 KO auch die Konkurseröffnungsentscheidung, die Verwalterbestellung und die Vermögensbeschlagnahme (aaO 214) und gelangt zum Ergebnis, dass der Gemeinschuldner des ausländischen Konkurses weiterhin über sein in Österreich befindliches Vermögen verfügungsbefugt bleibe und dass dem im Ausland bestellten Masseverwalter hinsichtlich dieses Vermögens die Vertretungsmacht fehle, er also in Österreich sein Funktionen nicht wahrnehmen könne (aaO 221). Dieser Auffassung ist aus folgenden Gründen zu folgen:

Würde man § 180 KO als rein verfahrensrechtliche Norm begreifen und ihren kollisionsrechtlichen Charakter verneinen, führte dies zu dem bedenklichen Ergebnis, dass der im Ausland bestellte Konkursverwalter zwar über das in Österreich gelegene Vermögen rechtsgeschäftlich verfügen, also eine Liegenschaft verkaufen könnte, dass es ihm aber wegen des Vorranges des österreichischen Verfahrensrechts nach der lex fori verwehrt wäre, Ansprüche aus dem Kaufvertrag, etwa auf Zahlung des Kaufpreises, gerichtlich durchzusetzen, weil ihm die prozessuale Handlungsfähigkeit wegen des Anwendungsvorranges österreichischen Verfahrensrechts fehlte. Die zitierte oberstgerichtliche Rechtsprechung legte das aus § 180 KO abgeleitete Territorialitätsprinzip umfassend aus und anerkannte die weiterhin gegebene materielle Verfügungsbefugnis des Gemeinschuldners über sein inländisches Vermögen trotz Eröffnung des Auslandskonkurses. Der Oberste Gerichtshof lehnte bisher eine Einführung des Universalitätsprinzips im Wege der Rechtsfortbildung durch Judikate (wie dies beispielsweise in Deutschland mit der "Wendeentscheidung" des BGH, BGHZ 95, 256 bei allerdings nicht vergleichbarer Gesetzeslage erfolgte) wegen der eindeutig geäußerten gesetzgeberischen Absicht ab. Daran ist bei neuerlicher Prüfung des Gesetzeswortlauts auch festzuhalten:

Um zu dem Ergebnis des Berufungsgerichtes zu gelangen, müsste § 180 KO restriktiv dahin interpretiert werden, dass nur für solche Entscheidungen des ausländischen Konkursgerichts die inländische Anerkennung zu versagen ist, die einen Exekutionstitel darstellen, auf die die §§ 79 bis 82, 84 EO Anwendung finden sollen. Der Konkurseröffnungsbeschluss und der Beschluss auf Bestellung eines Masseverwalters (Konkursverwalters) fiele dann nicht darunter. Dann stellt sich aber die Frage, warum der Gesetzgeber ausdrücklich die Entscheidungen anführt, "mit denen ein Organ bestellt oder unmittelbar über im Inland gelegenes Vermögen verfügt wird" und dass auch für diese Entscheidungen die Voraussetzungen der §§ 79 bis 82 EO verlangt werden. Gegenteilige Anhaltspunkte fallen auch der Konkurseröffnungsbeschluss und die Verwalterbestellung durch das ausländische Gericht unter die "Maßnahmen" bzw "Entscheidungen", für die § 180 KO eine qualifizierte Gegenseitigkeit vorsieht, nämlich die Verbürgung der Gegenseitigkeit durch Staatsverträge (§ 79 EO in der hier anzuwendenden Fassung vor der EO Novelle 1995). Wenn die ausländische Konkurseröffnung und die Verwalterbestellung nicht unter § 180 KO fielen, stellte sich die weitere Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Anerkennung dieser Entscheidungen außerhalb von Anerkennungs und Vollstreckbarkeitsübereinkommen in einem inländischen Verfahren über inländisches Vermögen des Gemeinschuldners erfolgen sollte. Dies könnte nur dann geschehen, wenn man die ausländischen Entscheidungen als auf ausschließlich materiellrechtlicher Grundlage ergangen qualifizierte. Für eine solche Auffassung lassen sich aber für den schwedischen Rechtsbereich keine Anhaltspunkte finden. Dass die Konkurseröffnung im Ausland materiellrechtliche Folgewirkungen hat, ist Ausdruck der von Leitner beschriebenen engen Verknüpfung von materiellem Recht und Verfahrensrecht, die es rechtfertigt, § 180 KO auch als materiellrechtliche Kollisionsnorm zu begreifen. Die rechtsgeschäftliche Verfügungsbefugnis des schwedischen Konkursverwalters kann daher nicht von der Anerkennungsfrage losgelöst und ausschließlich nach den materiellen Anknüpfungstatbeständen des IPRG beurteilt werden.

Da schon die Organbestellung im ausländischen Konkursverfahren für den vorliegenden Inlandsfall nicht anerkennungsfähig ist, konnte der Konkursverwalter über das in Österreich gelegene Liegenschaftsvermögen der Beklagten mangels Vertretungsbefugnis nicht rechtsgeschäftlich verfügen. Der Kaufvertrag als Rechtstitel der Einverleibung des Eigentums der Beklagten ist materiell unwirksam. Dass in einem solchen Fall die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Löschungsklage vorliegen (zum Wegfall des Titels: SZ 69/39), ist im Revisionsverfahren nicht weiter strittig. Der Revision ist daher stattzugeben und das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen, ohne dass noch auf die Auslegung der Auskunft des schwedischen Justizministeriums über das Vermögensverfolgungsrecht des schwedischen Konkursverwalters näher eingegangen werden müsste. Hinzuweisen ist allerdings, dass die Auskunft lediglich davon spricht, dass der Konkursverwalter in einem schwedischen Domizilkonkurs "soweit als möglich" versuchen sollte, Eigentum des Gemeinschuldners im Ausland einzuziehen. Diese Wortwahl könnte entgegen der Auslegung des Berufungsgerichtes auch dahin verstanden werden, dass auch nach schwedischem Recht das Vertretungsrecht des Konkursverwalters unter dem Vorbehalt der Anerkennung seiner Befugnisse nach ausländischem Recht steht. In diese Richtung deutet auch die Begründung der im Parallelverfahren im zweiten Rechtsgang ergangenen Entscheidung 1 Ob 80/04b (= Folgeentscheidung zu 1 Ob 120/00d). Eine nähere Befassung mit diesem Thema und die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des schwedischen Ministeriums sind jedoch entbehrlich, weil der Löschungsklage schon aus den dargelegten Gründen stattzugeben ist.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.