JudikaturJustiz5Ob8/06x

5Ob8/06x – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. April 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Schaumüller, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Dr. Erwin H*****, vertreten durch Mag. Alexandra Grainer und Mag. Nadja Horvath, beide Mietervereinigung Österreich, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen den Antragsgegner Erich P*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 15, 16 und 37 Abs 1 Z 8 MRG über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Juli 2005, GZ 39 R 37/05p-35, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 17. November 2004, GZ 43 Msch 25/01z-27, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat über Zulassungsvorstellung (§ 63 AußStrG nF) des Antragstellers seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses dahin abgeändert, dass dieser doch für zulässig erklärt werde, weil zur Frage, ob für den Belohnungstatbestand des § 46c MRG die Beurteilung eines Mietgegenstands als „Wohnung" auf den mit dem Vermieter vereinbarten Verwendungszweck und/oder die baubehördliche (Rück )Widmung oder auf jene Vorstellungen abzustellen sei, die der Gesetzgeber mit dem in § 1 MRG verwendeten Begriff der „Wohnung" verbunden hat, keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege. Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nF unzulässig; die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses kann sich in diesem Fall auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG nF):

1.1. Der Belohnungstatbestand des § 46c MRG, der für den Zeitraum von 20 Jahren den Vermieter in die Lage versetzt, ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs 1 MRG einen angemessenen Hauptmietzins zu vereinbaren, setzt nach seinem Wortlaut eine Standardanhebung nach dem 31. Dezember 1967 voraus. Eine Standardanhebung kommt begrifflich nur bei Wohnungen in Betracht. Das wird nicht zuletzt in der hier in Frage stehenden Bestimmung des § 46c MRG dadurch verdeutlicht, dass Standardanhebungen in die Ausstattungskategorie A oder B, wie sie § 15a MRG definiert, erforderlich sind. Standardanhebungen beziehen sich also auf Wohnungen unterschiedlicher Ausstattungskategorien des § 15a MRG. Dementsprechend vermag die Umwandlung eines Geschäftslokals in eine Wohnung der Ausstattungskategorie A den Belohnungstatbestand nicht zu verwirklichen (5 Ob 310/99w = MietSlg 51.487 = immolex 2000/97, 165 = WoBl 2000/125, 239; jüngst 5 Ob 225/05g).

1.2. Der Wohnungsbegriff wird im Mietrechtsgesetz nicht definiert. Es liegt dazu aber eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor, wonach unter einer Wohnung ein selbständiger und in sich baulich abgeschlossener Teil eines Gebäudes zu verstehen ist, der geeignet ist, der Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen zu dienen (RIS-Justiz RS0079355). Ob der Mietgegenstand zu Wohnzwecken dient, hängt nach stRsp insbesondere davon ab, ob er nach der Parteienabsicht zu Wohnzwecken in Bestand gegeben bzw genommen wurde (vgl RIS-Justiz RS0069605). Der erkennende Senat hat auch schon ausgesprochen, dass es - offenbar entgegen der Ansicht des Antragstellers - für den Wohnungsbegriff nicht darauf ankommt, zu welchem Zweck (Wohnzweck oder Geschäftszweck) der Mietgegenstand nach

der Bauordnung verwendet werden darf (5 Ob 102/85 = RdW 1986, 109 =

MietSlg 37.302 = MietSlg 37/51).

1.3. Soweit der Antragsteller den mehrfachen erstgerichtlichen Feststellungen zur Wohnungseigenschaft entgegnet, diese ignorierten „den vom Erstgericht beigezogenen Bauakt völlig sowie den vorgelegten Kaufvertrag und das Vorbringen des Antragstellers", handelt es sich um eine Frage der Beweiswürdigung. In § 66 Abs 1 AußStrG nF sind die Bekämpfung von Tatsachengrundlage und Beweiswürdigung nicht als Revisionsrekursgründe genannt; der Oberste Gerichtshof ist daher im Außerstreitverfahren auch weiterhin nicht Tatsacheninstanz, weshalb Fragen der Beweiswürdigung nicht mehr mit Erfolg Gegenstand eines Revisionsrekurses sein können (5 Ob 203/05x; vgl auch RIS-Justiz RS0070446).

2. Soweit der Antragsteller keine ausreichend überzeugende Beweisgrundlage für vom Vermieter vor dem 1. Oktober 1993 begonnene Arbeiten zur Standardanhebung zu erkennen vermag, bekämpft er neuerlich - unzulässig - die Beweiswürdigung.

3.1. Die Rechtsprechung zum "angemessenen Mietzins" des § 16 Abs 1 MRG geht dahin, sich zunächst einmal am marktkonformen (ortsüblichen) Mietzins zu orientieren, die besonderen Bemessungskriterien des § 16 Abs 1 MRG durch Zu- bzw Abschläge zu berücksichtigen, sich dabei der Fachkenntnis eines Immobiliensachverständigen zu bedienen und es letztlich unter Anwendung des § 273 ZPO der freien Überzeugung des Richters zu überlassen, den im konkreten Fall "angemessenen" Mietzins zu bestimmen. Bei dieser Wertermittlung müssen nicht bloß objektive Kriterien, sondern auch der individuelle konkrete Vertragszweck Berücksichtigung finden. Die Beurteilung der Angemessenheit des Mietzinses ist eine Rechtsfrage, die vom Richter - und nicht vom Sachverständigen - zu lösen ist. Die Ermittlung des üblichen Mietzinses - als Orientierungshilfe für die Angemessenheitsprüfung - gehört hingegen zur Tatfrage, zu deren Lösung der Richter auf die Hilfe eines Sachverständigen zurückgreifen kann. Dessen Bewertungsergebnis und die Aufgabenadäquanz der von ihm mangels gesetzlicher Vorgaben frei gewählten Methode sind vom Gericht frei zu würdigen. Wegen ihrer Zugehörigkeit zur Tatfrage entziehen sich Methodenwahl und Auf- oder Abwertungsmodus für Vergleichsobjekte der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof, während die richterliche Festsetzung des angemessenen Mietzinses als rechtliche Beurteilung revisibel ist. Hiebei wird der freien Überzeugung des Richters im Sinn des § 273 ZPO besonders große Bedeutung zukommen (5 Ob 294/98s mzN = MietSlg 50.325 = WoBl 2000/35 = immolex 1999/72, 103; vgl auch RIS-Justiz RS0070470; RS0070382).

3.2. Soweit nun der Antragsteller das zur Angemessenheitsprüfung eingeholte Gutachten insgesamt zur Beurteilung des angemessenen Mietzinses für methodisch untauglich und (allenfalls) dessen Ergänzung oder die Einholung eines weiteren Gutachtens als notwendig erkennt, stellt dies erneut eine vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfende Frage der Beweiswürdigung dar (vgl RIS-Justiz RS0043163).

3.3. Es mag dem Antragsteller einzuräumen sein, dass der im Sachverständigengutachten im Zuge der Richtwertmietzinsberechnung vorgenommene Zuschlag für die Küchenausstattung im Grundsätzlichen

nicht der vom erkennenden Senat in 5 Ob 296/02v = RZ 2003, 257 = wobl

2004, 59, krit Dirnbacher = immolex 2004, 49 vertretenen Ansicht

entspricht. Im vorliegenden Fall war allerdings im Mietvertrag der neuwertige Zustand (ua) der Einbauküche samt Geräten genannt und die Miete von Möbeln zwar nicht ausdrücklich vereinbart, wohl aber als wertbestimmendes Kriterium angeführt; damit bestehen gegen eine gewisse Bedachtnahme auf diese Ausstattung zumindest im Rahmen einer Gesamtabwägung gemäß § 273 ZPO und gegen den vom Rekursgericht insgesamt als angemessen angesetzten Hauptmietzins auch unter Berücksichtigung des von der MA 40 im Schlichtungsverfahren ermittelten, nicht unvertretbar abweichenden Werts keine Bedenken.

4. Soweit aus den Rechtsmittelausführungen auch die Geltendmachung eines Mangels des Rekursverfahrens abgeleitet werden könnte, führt der Antragsteller nicht nachvollziehbar aus, in welchem entscheidungswesentlichen Vorbringen oder Beweisanbot er sich durch die beanstandete Vorgangsweise des Rekursgerichts eingeschränkt erachtet.

Da der Antragsteller in seinem Revisionsrekurs keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nF geltend macht, ist das Rechtsmittel unzulässig und zurückzuweisen.

Rechtssätze
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