JudikaturJustiz5Ob53/61

5Ob53/61 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. März 1961

Kopf

SZ 34/30

Spruch

Möglichkeit der Geltendmachung der Kuratorkosten gegenüber dem Kuranden im Fall der Uneinbringlichkeit beim Prozeßgegner, jedoch kein Kostenanspruch bei Nichtigerklärung des gesamten Kuratelsverfahrens.

Entscheidung vom 1. März 1961, 5 Ob 53/61.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20. September 1954 wurde der Rechtsanwalt Dr. Siegmund S. auf Antrag der Rückstellungswerber Blime G. und Salomon P. gemäß § 276 ABGB. zum Abwesenheitskurator des Beklagten zum Zweck seiner Vertretung im Rückstellungsverfahren bestellt. Mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 1. August 1957 wurde das ganze Pflegschaftsverfahren für nichtig erklärt und der Antrag der Rückstellungswerber auf Bestellung eines Abwesenheitskurators abgewiesen, da der Kurator durch einen Rechtspfleger bestellt worden war, der nach den §§ 11 bis 14 der V. BGBl. Nr. 184/1950 hiezu nicht befugt war, und der Beklagte überdies seit 1950 in Wien wohnhaft und gemeldet war. Demgemäß wies das Pflegschaftsgericht den Antrag des Kurators auf Bestimmung seiner Kosten ab. Im Rückstellungsverfahren genehmigte der Beklagte in der Verhandlung vom 3. Mai 1957 die Prozeßführung seines bisherigen Abwesenheitskurators.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der klagenden Verlassenschaft nach Dr. Siegmund S. die Kosten seiner Vertretung durch Dr. S. zu ersetzen. Es erachtete den Rechtsweg für zulässig, da über den Kostenbestimmungsantrag des Dr. S. schon im Pflegschaftsverfahren abgesprochen worden und hier nur zu prüfen sei, ob der Anspruch gegen den Beklagten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes gegeben sei. Infolge Nichtigerklärung des Kuratelsverfahrens könnten die Kosten auch nicht den Antragstellern nach § 10 ZPO. auferlegt werden.

Mit der Genehmigung der Prozeßhandlungen des Kurators durch den Beklagten sei allerdings kein Anerkenntnis verbunden. Der Kurator werde aber im § 1034 ABGB. als Bevollmächtigter behandelt, dessen Vertretungsmacht in der Anordnung des Gerichtes wurzle. Dadurch, daß diese Anordnung fehlerhaft war, liege der im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Fall der irrigen Annahme einer Verpflichtung zum Handeln im fremden Namen vor, der gemäß § 7 ABGB. analog dem einer richtigen Kuratorbestellung, somit dem eines Bevollmächtigungsvertrages, zu behandeln sei. Dieser müsse bei einem Rechtsanwalt auch ohne ausdrückliche Vereinbarung als entgeltlich angesehen werden. Dies gelte auch für den gemäß § 276 ABGB. im Außerstreitverfahren bestellten Kurator, für dessen Bestellung die Voraussetzungen nach § 116 ZPO. vorlagen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es verneinte das Vorliegen der in der Berufung behaupteten Verfahrensmängel, pflichtete der Beweiswürdigung des Erstgerichtes bei und übernahm auch dessen Feststellungen. Es stimmte weiters dem Erstgericht darin zu, daß der Rechtsweg zulässig sei und in der Genehmigung der Prozeßführung des Kurators durch den Beklagten kein Anerkenntnis seiner Honorarforderung liege, zumal der Beklagte schon vorher im Pflegschaftsverfahren ausdrücklich erklärt hatte, daß er diese Kosten nicht anerkenne und deren Zahlung ablehne.

Die Bestellung des Dr. S. zum Kurator sei jedoch auf Antrag sowie im ausschließlichen Interesse der Rückstellungswerber geschehen, die sonst das Rückstellungsverfahren nicht hätten fortführen können. Daher könne nicht gesagt werden, daß der Abwesenheitskurator eine Tätigkeit zum Vorteil oder Nutzen des Beklagten geleistet habe. Überdies sei der Rückstellungsanspruch ohnedies anerkannt worden. Wohl sei der weitere Antrag der Rückstellungswerber auf Verrechnung und Herausgabe der Erträgnisse abgewiesen worden, doch sei im Rückstellungsverfahren die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben. Die Vertretung durch den Abwesenheitskurator sei dem ohnedies anwesenden Beklagten hinter seinem Rücken und ohne seine nachträgliche Genehmigung aufgedrängt worden. Es liege daher weder ein wirkliches noch ein Quasi-Vollmachtsverhältnis vor, weshalb der Beklagte zur Bezahlung des Honorars nicht verpflichtet sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist zwar richtig, daß - wie das Erstgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen Swobodas in Klang 1. Aufl. II/2 S. 774 f. dargelegt hat - die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten nicht nur durch Rechtsgeschäft begrundet werden, sondern auch auf einer gesetzlichen Vorschrift, auf einer Verfügung des Gerichtes oder einer anderen Behörde u. dgl., beruhen kann (§ 1034 ABGB.). Die Verfügung des Gerichtes ist in einem solchen Fall der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung gleichwertig und gibt dem Bevollmächtigten, wenn dies nach seinem Stand als stillschweigend bedungen gilt, einen Belohnungsanspruch (§ 1004 ABGB.), bei dessen Bemessung - wenn der Kurator Rechtsanwalt ist - auf den Rechtsanwaltstarif Bedacht zu nehmen ist (3 Ob 703/50).

Es trifft auch zu, daß trotz der Bestimmung des § 10 ZPO., derzufolge die notwendigen Prozeßkosten eines Kurators von der Partei zu tragen sind, durch deren Prozeßhandlung die Bestellung veranlaßt wurde, der Kurator seinen Belohnungsanspruch, wenn er etwa beim Prozeßgegner uneinbringlich ist, nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes gegenüber dem Kuranden geltend machen kann (vgl. Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, II S. 173 f. Anm. 5 zu § 10 ZPO.).

Alle diese Erwägungen setzen aber eine wirksame Kuratorbestellung voraus. Eine solche liegt hier nicht vor, da das ganze Kuratelsverfahren für nichtig erklärt und der Antrag auf Bestellung eines Kurators abgewiesen wurde. Es muß somit davon ausgegangen werden, daß Dr. Siegmund S. niemals der Kurator des Beklagten war. Damit fehlt jede Grundlage für einen Kostenersatzanspruch des Dr. S. gegen den Beklagten. Eine analoge Heranziehung der Bestimmungen der §§ 1002 ff. ABGB., wie das Erstgericht sie vorgenommen hat, muß deswegen außer Betracht bleiben, weil gerade die entscheidende Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmungen, nämlich die wirksame Begründung eines Vollmachtsverhältnisses, fehlt.

Die klagende Partei kann sich auch nicht darauf berufen, daß Dr. S. auf Grund des gerichtlichen Bestellungsdekretes zum Handeln berechtigt und verpflichtet war, da er als Rechtsanwalt hätte erkennen können, daß eine solche Bestellung nicht in die Befugnis eines Rechtspflegers fällt, sondern nur durch einen Richter vorgenommen werden darf.

Daß die Genehmigung der Prozeßhandlungen des Dr. S. durch den Beklagten kein Anerkenntnis des Belohnungsanspruches darstellt, haben beide Untergerichte zutreffend dargelegt. Diese Genehmigung bedeutet nur einen prozessualen Verzicht gegenüber dem Gericht auf Neudurchführung des nichtigen Verfahrens. Ein Anerkenntnis des Belohnungsanspruches des Dr. S. könnte darin gemäß § 863 ABGB. nur dann erblickt werden, wenn das Gesamtverhalten des Beklagten bei Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig ließe, daß er damit ein solches Anerkenntnis abgeben wollte. Dies trifft aber umso weniger zu, als er im Pflegschaftsakt, wo gerade der Belohnungsanspruch des Dr. S. zur Erörterung stand und der Beklagte zur Äußerung hiezu aufgefordert wurde, die Anerkennung eines solchen ausdrücklich abgelehnt hat.