JudikaturJustiz5Ob506/90

5Ob506/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich S***, Polizeibeamter, Wien 21, Kainachgasse 21-37/33/3/8, vertreten durch Dr. Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Walter M*** jun., Bäckermeister, und 2.) Gabriele D***-W***, Studentin, beide Wien 17, Seemüllergasse 36, beide vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ungültigkeit eines Testamentes (Streitwert S 520.000,-) infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2. Oktober 1989, GZ 4 R 156/89-24, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 18. April 1989, GZ 25 Cg 79/87-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Soweit die Revision Nichtigkeit geltend macht, wird sie zurückgewiesen.

Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 19.108,98 (einschließlich S 3.184,83 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Verlassenschaftsverfahren nach dem am 19. August 1985 verstorbenen Johann M*** gaben Erbserklärungen ab:

a) auf Grund des schriftlichen Testamentes vom 16. Juli 1985 dessen Ehegattin Johanna M***, die am 5. November 1985 verstarb und deren Nachlaß dem Kläger eingeantwortet wurde (2 A 805/85-16 des Bezirksgerichtes Hernals) und

b) auf Grund eines mündlichen Testamentes vom 11. August 1985, in dem sie zu Nacherben nach Johann M*** eingesetzt worden seien (2 A 617/85-10), die Beklagten.

Nach Zuweisung der Klägerrolle gemäß § 125 AußStrG an den eingeantworteten Erben der Johanna M*** (2 A 617/85-75) begehrte dieser die Feststellung, das mündliche Testament des Johann M*** vom 11. August 1985 sei ungültig; das Erbrecht zum gesamten Nachlaß des Johann M*** stehe dem Kläger zu. Johann M*** habe bei seinen Erklärungen am 11. August 1985 vor seiner Jagdhütte keineswegs den ernsten Willen gehabt, ein mündliches Testament zu errichten (AS 9, 19 und 21). Die Zeugen des angeblichen mündlichen Testamentes wären sich ihrer Zeugeneigenschaft nicht bewußt gewesen und hätten nicht den Willen gehabt, als Testamentszeugen zu fungieren (AS 25). Sie hätten die Niederschrift darüber erst nach dem Begräbnis der Johanna M*** verfaßt.

Die Beklagten bestritten dies.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren, soweit es auf die Feststellung der Ungültigkeit des mündlichen Testamentes vom 11. August 1985 gerichtet war, Folge (Punkt 1. des Urteilsspruches) und wies es ab, soweit die Feststellung des Erbrechtes des Klägers begehrt worden war (Punkt 2.). Es stellte folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Johann M*** errichtete am 16. Juli 1985 beim Notar Dr. Edgar R*** ein schriftliches Testament, in dem er seine Ehegattin Johanna M***, die Schwester des Klägers, als Alleinerbin einsetzte. Er hatte zu diesem Zeitpunkt nicht die Absicht, die Beklagten als Nacherben nach seiner Ehegattin einzusetzen. Über eine fideikommissarische Substitution wurde anläßlich der Errichtung dieses Testamentes nichts erörtert. Wohl aber erklärte Notar Dr. R*** dem Testator Johann M*** die sogenannte Vulgarsubstitution, d.h., was sein würde, wenn die als Erbe eingesetzte Person vor dem Erblasser versterben sollte. Anläßlich eines Jagdausfluges erklärte Johann M*** gegenüber seinen Begleitern Arnold (mit Ehegattin), B*** und F***, als sie ihn hinsichtlich einer Regelung seines Nachlasses fragten, daß alles bereits geregelt sei, so insbesondere, daß seine Ehegattin alles erben würde. Johann M*** hatte bei diesem Gespräch nicht die Absicht, eine letztwillige Verfügung zu treffen. Auch die Gesprächspartner verstanden seine Äußerung nur dahingehend, daß bereits alles geregelt sei, nicht aber so, daß Johann M*** zu diesem Zeitpunkt vor ihnen ein Testament errichte. Zum damaligen Zeitpunkt rechnete auch keine der anwesenden Personen damit, daß die Ehegattin des Johann M*** diesen überleben würde, weil sie sich damals bereits in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand befand. In diesem Sinn ist daher die damalige Äußerung des Johann M*** zu verstehen, daß nach dem Tod der Frau die beiden Beklagten erben, nämlich im Sinne der mit Dr. R*** erörterten Vulgarsubstitution. Aber auch diese Erklärung wurde seitens der Zeugen so verstanden, daß bereits eine entsprechende Verfügung getroffen worden sei.

Selbst als Johann M*** unvermuteterweise vor seiner Ehegattin Johanna M*** verstarb, nahmen dies die Zeugen noch nicht zum Anlaß, im Gespräch vom 11. August 1985 eine Testamentserrichtung zu erblicken. Erst nach dem Tod der Johanna M*** nahmen sie diesen Standpunkt ein.

Rechtlich leitete das Erstgericht aus diesem Sachverhalt ab, daß Johann M*** am 11. August 1985 kein gültiges Testament errichtete, weil weder er einen Testierwillen noch die Zeugen das Bewußtsein ihrer Zeugeneigenschaft gehabt hätten. Es gab daher dem Klagebegehren insoweit statt, als es die Ungültigkeit des behaupteten Testamentes vom 11. August 1985 feststellte, hingegen das Mehrbegehren abwies, weil in diesem Prozeß keine positive Entscheidung über das Erbrecht des Klägers zu erfolgen habe. Die Beklagten bekämpften den klagestattgebenden Teil dieses Urteils wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Abweisung der Klage abzuändern. In der Anfechtungserklärung führten sie aus, Punkt 1. des erstgerichtlichen Urteils werde nur hinsichtlich der darin enthaltenen Wörter "ist ungültig" angefochten, bleibe also hinsichtlich des Spruchteiles "das mündliche Testament des am 19. 8. 1985 verstorbenen Johann Andreas Emil M*** vom 11. 8. 1985" unangefochten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es ging davon aus, die Anfechtungserklärung der Beklagten lasse erkennen, daß sie von einem gültigen mündlichen Testament des Johann M*** vom 11. August 1985 ausgehen, doch sei die Anfechtungserklärung als solche nicht sinnvoll, weil der von ihnen unbekämpft gelassene Satzteil sinnvollerweise nicht stehen gelassen werden könne. Es sei daher von einer vollständigen Anfechtung des Punktes 1. des erstgerichtlichen Urteils auszugehen. Die erstgerichtlichen Feststellungen seien auf Grund eines mängelfreien Verfahrens und unbedenklicher Beweiswürdigung gewonnen worden. Die darauf beruhende rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes entspreche gleichfalls dem Gesetz.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen in gänzlich klageabweisendem Sinn kostenpflichtig abzuändern, in eventu, diese aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Der Kläger begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

1. Zur behaupteten Nichtigkeit:

Die Beklagten vertreten den Standpunkt, sie hätten Punkt 1. des erstgerichtlichen Urteils in ihrer ausdrücklichen Anfechtungserklärung insoweit rechtskräftig werden lassen, als es die Feststellung treffe, daß die am 11. August 1985 erfolgte Äußerung des Johann M*** ein mündliches Testament sei. Das Berufungsgericht hätte daher nur noch prüfen dürfen, ob dieses mündliche Testament gültig war oder nicht. Hingegen hätte es nicht mehr prüfen dürfen, ob überhaupt eine letztwillige mündliche Anordnung vorlag. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Kläger die Feststellung der Ungültigkeit des mündlichen Testamentes vom 19. August 1985 begehrte, und zwar mit der Begründung, daß überhaupt kein mündliches Testament vorgelegen wäre. Die Gültigkeit eines Testamentes erfordert nämlich nicht nur die Einhaltung der bereits im Verlassenschaftsverfahren anläßlich der Verteilung der Parteirollen zu prüfenden äußeren Form, sondern auch erst im Erbrechtsstreit zu klärende Inhaltserfordernisse, wie die Testierabsicht sowie ob die Zeugen mit Wissen und Willen Testamentszeugen waren (siehe 3 Ob 584/86, ergangen im Verlassenschaftsverfahren nach Johann M***). Der Grund für die Ungültigkeit eines Testamentes kann daher im Mangel der äußeren Form oder in einem Inhaltsmangel liegen. Der Rechtskraft fähig ist aber nur ein die Gültigkeit des Testamentes überhaupt betreffender Urteilsspruch, nicht aber bestimmte Gründe hiefür. Zutreffend erachtete daher das Berufungsgericht den ganzen die Ungültigkeit des mündlichen Testamentes vom 11. August 1985 feststellenden Punkt 1. als angefochten, wenngleich die Berufungswerber dies nur aus bestimmten nicht die äußere Form betreffenden Umständen taten. Abgesehen davon, daß bestimmte Urteilsgründe nicht in Rechtskraft erwachsen können, ergibt sich die Unmöglichkeit der in dieser Richtung beabsichtigten Teilung der Anfechtung auch schon aus dem Wortlaut des der Berufungserklärung nach unangefochten gebliebenen Satzteiles, weil dieser - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - für sich genommen sinnlos ist und selbst im Falle der Abweisung des auf Anfügung der weiteren Wörter "ist ungültig" gerichteten Begehrens sinnlos bleibt. Der gegenständliche Rechtsstreit kann nur so erledigt werden, daß entweder dem Klagebegehren auf Ungültigkeit des behaupteten mündlichen Testamentes vom 11. August 1985 Folge gegeben oder daß es abgewiesen wird, und zwar aus welchen Gründen immer.

Die Revision war daher zurückzuweisen, soweit sie Nichtigkeit geltend macht.

2. Zu den anderen Revisionsgründen:

Die in der Nichterledigung der in der Berufung erhobenen Beweisrüge angeblich gelegene Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO). Voraussetzung für die Gültigkeit eines mündlichen Testamentes im Sinne des § 585 ABGB ist die Absicht des Erblassers, vor den anwesenden Zeugen seinen letzten Willen zum Ausdruck zu bringen. Ob Testierabsicht vorliegt oder nicht, ist eine im Revisionsverfahren unüberprüfbare Tatsachenfeststellung, nicht eine Frage der rechtlichen Beurteilung (SZ 58/187 mwN), handelt es sich doch dabei um eine in der Vergangenheit liegende Tatsache (SZ 25/85). Ebenso ist die Frage des Bewußtseins einer Person, als Zeuge einer letztwilligen Verfügung anwesend zu sein, Tatsachenfeststellung (SZ 32/120; jüngst 6 Ob 567/89). Der in der Revision unternommene Versuch, sowohl die Testierabsicht des Johann M*** als auch, daß sich die dabei anwesenden Personen ihrer Zeugenschaft bewußt waren, könnte durch Auslegung der im Verfahren erster Instanz vernommenen Zeugenaussagen im Wege rechtlicher Beurteilung noch im Revisionsverfahren festgestellt werden, ist daher zum Scheitern verurteilt. Durch diese Beweisergebnisse wurden erst jene Tatsachen gewonnen, deren Feststellung den Vorinstanzen vorbehalten ist, nicht aber sind gleichsam die Aussagen selbst als Tatsachen zu behandeln und im Wege der rechtlichen Beurteilung deren Bedeutung hinsichtlich der oben genannten Umstände zu beurteilen.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.