JudikaturJustiz5Ob44/95

5Ob44/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Stadtgemeinde T*****, vertreten durch Dr.Franz Schatzl, öffentlicher Notar in Tulln, wider die Antragsgegnerin Gemeinnützige E***** reg.Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Tassilo Neuwirth ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Erhöhung des Bauzinses infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 28.Oktober 1994, GZ R 648/94-19, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Tulln vom 16.August 1994, GZ 1 Nc 120/91-14, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaften EZ 499 (ehemals 1563) und EZ 1300 (ehemals 1564) KG T***** mit einer Gesamtfläche von 2203 m2, an denen zugunsten der Antragsgegnerin auf Grund eines Vertrages vom 28.11.1930/23.7.1931 ein bis 23.7.2011 befristetes Baurecht besteht. Der im Baurechtsvertrag vereinbarte jährliche Bauzins beträgt 2 Groschen pro m2 "im Goldwert", dem damaligen Flächenausmaß von zusammen 2287 m2 entsprechend also S 45,74, wovon - als Reallasten sichergestellt - S 39,80 Gold auf die eine und S 5,94 Gold auf die andere Baurechtseinlage entfallen.

Am 21.6.1991 stellte die Antragstellerin unter Berufung auf Art III der BauRGNov 1990 den Antrag, den Bauzins auf S 39.000 jährlich zu erhöhen und nach dem Verbraucherpreisindex 1986 wertzusichern, weil die vereinbarte Wertsicherung durch die Abschaffung der Goldklausen (DRGBl 1939 I 1037) wirkungslos und der Bauzins offenbar unangemessen geworden sei. Dem hielt die Antragsgegnerin entgegen, daß der angemessene Bauzins durch eine "Wertsicherung des Betrages von S 5,94 im Jahr 1930, bezogen auf den jetzigen Zeitpunkt" zu ermitteln sei. Daß damit nur auf die Reallast einer der beiden Baurechtseinlagen Bezug genommen wurde, ist ein offenkundiges Versehen.

Das Erstgericht wies den Sachantrag ab, nachdem eine Anfrage bei der Österreichischen Nationalbank ergeben hatte, daß eine Wertsicherungsvereinbarung nach dem Goldwert bei Abschluß des verfahrensgegenständlichen Baurechtsvertrages durchaus zulässig gewesen sei und dem damals vereinbarten Bauzins von S 45,74 Goldschilling unter Berücksichtigung der Goldklauselverordnung vom 21.6.1939, DRGBl I 1037 (GBlÖ 1939/763) sowie der §§ 3 Abs 2 und 6 Abs 2 des Schillinggesetzes vom 30.11.1945, StGBl 231, heute ein Betrag von S 30,19 entspreche. Damit lägen die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Bauzinses nach Art III der BauRGNov 1990 nicht vor, weil ohnehin eine gültige Wertsicherungsvereinbarung getroffen worden sei.

Das Rekursgericht hob diesen Sachbeschluß auf und verwies die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte aus:

Auszugehen sei davon, daß der nach dem Vertrag zu entrichtende Bauzins - was ja auch die Antragsgegnerin nicht bestreite - offenbar unangemessen sei, weil er nur noch einen Bruchteil des seinerzeitigen Geldwertes betrage (EvBl 1994/92). Die ausdrückliche Vereinbarung einer "Goldklausel", die als Wertsicherungsvereinbarung zu verstehen sei (Koziol/Welser I9, 223), entbinde die Antragstellerin auch vom Nachweis, daß nach den Umständen angenommen werden müsse, die Vertragsteile hätten 1930/31 eine Wertsicherung vereinbart, wäre sie zulässig gewesen (Art III Abs 5 Z 4 BauRGNov 1990). Damit sei nur noch die Voraussetzung der Z 3 leg cit zu prüfen, wonach der Baurechtsvertrag keine oder nur eine solche Vereinbarung über die Wertsicherung des Bauzinses enthalten darf, die dem § 3 Abs 2 BauRG idF der Novelle 1990 nicht entspricht.

Daß der seinerzeitige Baurechtsvertrag keine Wertsicherung des Bauzinses enthalte, könne angesichts der "Goldklausel" nicht gesagt werden. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes handle es sich dabei jedoch nicht um eine Vereinbarung, die dem § 3 Abs 2 BauRG nF entspricht. Die Frage der Übereinstimmung einer Wertsicherungsvereinbarung mit § 3 Abs 2 BauRG nF sei nicht nur an Hand dieser einzelnen Norm, sondern im Lichte des gesamten (damals) geltenden Rechts zu beurteilen. Da die BauRGNov 1990 mit 1.7.1990 in Kraft getreten ist, das Bundesgesetz BGBl 1991/30, mit dem das Verbot von Goldklauseln beseitigt wurde, jedoch erst am 18.1.1991 publiziert wurde, sei die "Goldklausel" keine iSd § 3 Abs 2 BauRG nF zulässige Wertsicherungsklausel mit dem dargestellten Interpretationsgehalt gewesen. Daß im Zeitpunkt der gegenständlichen Antragstellung Goldklauseln wieder zulässig waren, könne an dieser Beurteilung nichts ändern, weil die Aufhebung des Goldklauselgesetzes nicht auf das Inkrafttreten der BauRGNov 1990 zurückwirke. Auch Art III Abs 2 der BauRGNov 1990 (Wirksamwerden der seinerzeitigen unzulässigen Wertsicherungsvereinbarungen) stelle ausdrücklich auf den Stichtag des Inkrafttretens der Novelle ab. Sein ein Rechtsgeschäft - hier die "Goldklausel" - mangels wesentlicher Voruassetzungen nichtig, so erlange es nach allgemeinen Grundsätzen keine Gültigkeit, wenn die Voraussetzungen später eintreten, etwa durch die spätere Aufhebung eines dem Vertragsabschluß entgegenstehenden gesetzlichen Verbotes (Koziol/Welser aaO, 156).

Die von der Österreichischen Nationalbank angestellte Umrechnung der "Goldklausel" könne eine Wertsicherungsvereinbarung nicht substituieren. Dieser Berechnung liege im wesentlichen zugrunde, daß zunächst per 17.3.1938 ein Umrechnungsverhältnis von 1,5 Goldschilling = 1 Reichsmark festgesetzt wurde und weiters gemäß §§ 3 Abs 2 und 6 Abs 2 Schillinggesetz in Österreich erfüllbare Reichsmarkverbindlichkeiten im Verhältnis 1 Reichsmark = 1 Schilling (neu) in Schilling (neu) zu erfüllen sind. Diese Umrechnung sei aber spätestens per 1945 "eingefroren", d.h. es bestehe seither eine Parallelität mit der jeweils aktuellen Kaufkraft des österreichischen Schilling.

Unter dem "angemessenen Ausmaß" des Bauzinses, das demnach erst zu ermitteln sei, sei der dem inneren Geldwert entsprechende aufgewertete Betrag des seinerzeitigen Bauzinses zu verstehen; eine darüber hinausgehende Anpassung des Bauzinses an die Marktlage entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers (EvBl 1994/92). Mit dieser Maßgabe sei der gesamte (für beide Baurechtseinlagen) seinerzeit vereinbarte Bauzins aufzuwerten.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Begründet wurde dies mit der zu klärenden Rechtsfrage, ob durch die mittlerweilige Aufhebung des Goldklauselgesetzes die verfahrensgegenständliche Goldklausel gemäß Art III Abs 2 BauRGNov 1990 rückwirkend Geltung erlangte.

Im nunmehr vorliegenden Rekurs macht die Antragsgegnerin geltend, daß das Goldklauselgesetz vom 27.4.1937 auf die gegenständliche Vereinbarung gar nicht anwendbar sei, weil sie nur die (zwischen Inländern) nach dem Inkrafttreten des Goldklauselgesetzes abgeschlossenen Goldklauseln betroffen habe. Damit liege eine gültige Wertsicherungsvereinbarung vor, die - weil sie sich nicht am Wert von Grund und Boden orientiert - auch den Bestimmungen des § 3 Abs 2 BauRG idF der Novelle 1990 entspreche. Die gegenteilige Rechtsansicht des Rekursgerichtes überdehne den Wortsinn des Art III Abs 5 Z 3 BauRGNov 1990 und berücksichtige auch nicht die - allein auf den Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses in erster Instanz abzustellende - geltende Rechtslage. Der Rekursantrag geht sinngemäß dahin, den Sachbeschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; außerdem enthält der Rekurs noch einen Aufhebungsantrag.

Von der Antragstellerin liegt dazu eine fristgerecht erstattete Rekursbeantwortung mit dem Antrag vor, den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Schon das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Berechtigung des Erhöhungsbegehrens der Antragstellerin allein davon abhängt, ob die im Baurechtsvertrag enthaltene Goldklausel als zulässige, mit dem Inkrafttreten der BauRGNov 1990 gemäß Art III Abs 2 leg cit rechtswirksam gewordene Wertsicherungsvereinbarung angesehen werden kann. Das ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

Richtig ist, daß das Goldklauselgesetz vom 27.4.1937, BGBl 1937/130, nur die nach dem Wirksamkeitsbeginn dieses Bundesgesetzes (zwischen Inländern) vereinbarten Goldklauseln (sowohl Goldwertklauseln als auch Goldmünzklauseln) für rechtsunwirksam (als "nicht bestehend") erklärte (Art I § 1). Demnach war die von den Parteien des verfahrensgegenständlichen Baurechtsvertrages abgeschlossene Goldwertklausel, die das Rekursgericht zu Recht als Wertsicherungsvereinbarung qualifizierte (JBl 1954, 285 ua; vgl auch Schubert in Rummel2, Rz 3 f zu §§ 988, 989 ABGB), zunächst gültig (vgl SZ 20/102 ua). Die (rückwirkend) am 17.3.1938 in Kraft getretene Verordnung zur Regelung der auf Goldschilling und Goldkronen lautenden Schuldverhältnisse vom 21.6.1939, DRGBl 1939 I 1037, 1056, im Gesetzblatt für das Land Österreich verlautbart am 4.7.1939 (Nr. 763), erfaßte jedoch - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - alle Geldschulden, die auf Schilling mit Goldklausel (Goldschilling) oder Kronen mit Goldklausel (Goldkronen) lauteten, auch wenn sie vor dem Inkrafttreten des Goldklauselgesetzes entstanden waren. Die darin verfügte Umrechnung von Goldschilling und Goldkrone in Reichsmark (siehe Näheres in § 2 leg cit) machte die Goldklauseln illusorisch (Gschnitzer-Faistenberger-Barta-Eccher, Österreichisches Schuldrecht AT2, 61). Sie vereitelte die Absicht der Parteien, ihre Forderungen in ihrem ursprünglichen Wert zu sichern, sodaß für sie die Situation nicht anders lag, als hätten sie von vornherein keinen Vergleichsmaßstab festgelegt (JBl 1954, 285; SZ 44/58 ua; Stanzl in Klang2 IV/1, 728).

Damit bestand zwischen den Parteien des gegenständlichen Baurechtsvertrages keine Wertsicherungsvereinbarung, die mit dem Inkrafttreten der BauRGNov 1990 am 1.7.1990 gemäß Art III Abs 2 leg cit hätte rechtswirksam werden können und eine Erhöhung des Bauzinses nach Maßgabe des Art III Abs 5 leg cit erübrigt bzw (nach der Z 3 der letztgenannten Gesetzesstelle) verhindert hätte. Die nachträgliche Aufhebung des Goldklauselgesetzes durch das am 18.1.1991 kundgemachte BG Nr. 30/1991 änderte daran nichts, weil damit nur die Vereinbarung neuer Goldklauseln ermöglicht wird. Daß frühere Goldklauseln wieder aufleben, ist dem Bundesgesetz vom 18.1.1991, BGBl 30, nicht zu entnehmen. Es erschöpft sich in der Anordnung, daß "das Goldklauselgesetz, BGBl Nr. 130/1937, außer Kraft tritt", was an sich schon gemäß § 5 ABGB die Rückwirkung auf zuvor verwirklichte Sachverhalte ausschließt (vgl E 5 zu § 5 ABGB, MGA34), und erwähnt vor allem auch mit keinem Wort jene Goldklauselverordnung, die die an sich gültig zustandegekommenen alten Goldwertbindungen zunichte machte. Da letztlich auch dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden kann, er habe - je nach dem Zeitpunkt der Antragstellung - eine unterschiedliche Behandlung alter Goldklauseln beabsichtigt (bei einer Entscheidung vor dem 18.1.1991 wäre eine Konvalidierung der im gegenständlichen Baurechtsvertrag enthaltenen Wertsicherungsvereinbarung nach Art III Abs 2 BauRGNov 1990 wegen der speziellen Bestimmungen des Goldklauselgesetzes und der Goldklauselverordnung überhaupt nicht in Betracht gekommen), ist dem Rekursgericht beizupflichten, daß eine rechtlich oder faktisch unwirksame alte Goldklausel der Erhöhung des Bauzinses nach Maßgabe des Art III Abs 5 BauRGNov nicht entgegensteht.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Rechtssätze
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