JudikaturJustiz5Ob259/04f

5Ob259/04f – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Dezember 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers Hans D*****, vertreten durch Dr. Robert Steiner, Rechtsanwalt in 9800 Spittal/Drau, gegen die Antragsgegner 1.) Raiffeisenbank R*****, vertreten durch Dr. Wilfried Aichinger Partner, Rechtsanwälte in Villach, 2.) Mag. Robert H*****, 3.) Christian R*****, 4.) Hildegard D*****, 5.) Gerhard Walter B*****, und 6.) Elisabeth B*****, wegen Bestellung eines vorläufigen Verwalters (§ 23 iVm § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002), über den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 7. Juli 2004, GZ 3 R 120/04p 10, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 16. 3. 2004, GZ 18 Nc 3/03b 7, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragsgegner sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus S*****straße 9. Die Erstantragsgegnerin ist die im Grundbuch erstgenannte Wohnungseigentümerin.

Am 29. 8. 2003 hat der nunmehrige Antragsteller die Eigentümergemeinschaft beim BG Spittal/Drau zu 1 C 1076/03w wegen Besitzstörung geklagt. Sie habe ihn durch das Absperren eines Gattertores im ruhigen Besitz eines Wegerechts gestört, habe den früheren Zustand wiederherzustellen und weitere Störungen zu unterlassen. Die Klage wurde der nunmehrigen Erstantragsgegnerin zugestellt; diese ist jedoch nicht Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage und führt nur deren Buchhaltung. Ein Verwalter ist, wie sich im Besitzstörungsverfahren herausstellte, nicht vorhanden.

Der Antragsteller hat deshalb am 15. 10. 2003 gemäß § 23 WEG 2002 die Bestellung eines vorläufigen Verwalters für die Eigentümergemeinschaft beantragt. Er habe ein berechtigtes Interesse an einer Vertretung der Eigentümergemeinschaft im Besitzstörungsverfahren.

Die Erstantragsgegnerin beantragte die Abweisung dieses Begehrens. Die übrigen Antragsgegner haben sich dazu (trotz Einladung zu einer Stellungnahme) nicht geäußert.

Das Erstgericht gab dem Sachantrag statt und bestellte den Rechtsanwalt Mag. Roland Olsacher zum vorläufigen Verwalter der Eigentümergemeinschaft.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Grundlegende Voraussetzung der Bestellung eines vorläufigen Verwalters für eine Eigentümergemeinschaft durch das Gericht sei, dass noch kein Verwalter bestellt ist. Daneben verlange das Gesetz den Antrag einer dazu berechtigten Person. Ein außenstehender Dritter müsse ein berechtigtes Interesse an der Bestellung eines vorläufigen Verwalters haben. Er habe nicht nur darzulegen, dass er einen rechtserheblichen Kontakt mit der verwalterlosen Eigentümergemeinschaft anstrebt, sondern auch um welchen Kontakt es sich handelt und warum ihm ein solcher mit der Mehrheit der Miteigentümer nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Wegen der Schwere des Eingriffs in die Rechtsposition der Eigentümergemeinschaft sei dabei ein strenger Maßstab anzulegen. Ein berechtigtes Interesse werde etwa dann angenommen, wenn der Dritte rechtsgeschäftliche Erklärungen gegenüber der Eigentümergemeinschaft abgeben oder Forderungen geltend machen will und diesem Vorhaben – etwa wegen der Vielzahl der Wohnungseigentümer – unverhältnismäßige Schwierigkeiten entgegenstehen. Ein die Bestellung eines vorläufigen Verwalters rechtfertigendes Interesse könne überdies nur dann vorliegen, wenn sich dieses auf Verwaltungshandlungen der Eigentümergemeinschaft richtet, da dieser nur in diesem Bereich Rechtspersönlichkeit zukommt.

Bis zur Bestellung eines vorläufigen Verwalters normiere das Gesetz die Zustellbevollmächtigung des im Grundbuch erstgenannten Wohnungseigentümers. Diese Vollmacht setze ein bereits anhängiges Verfahren zur Bestellung eines vorläufigen Verwalters oder zumindest die Einleitung eines solchen Verfahrens voraus.

Während dem Zustellbevollmächtigten keine Vertretungsmacht zukomme, sei der vorläufige Verwalter organschaftlicher Vertreter der Eigentümergemeinschaft mit allen Aufgaben und Befugnissen eines bestellten Verwalters. Er sei zur Erledigung aller im Gesetz genannten Verwaltungsaufgaben (§ 20 WEG 2002) berechtigt und verpflichtet. Eine Beschränkung seines Verwaltungsmandats auf einen bestimmten Aufgabenkreis sei im Gesetz nicht vorgesehen (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht, Rz 1 und 6 f zu § 23 WEG 2002; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21, Rz 1 f zu § 23 WEG 2002).

Im gegenständlichen Fall lägen die Voraussetzungen für die Bestellung eines vorläufigen Verwalters vor. Der Antragsteller stehe im Besitzstörungsverfahren vor dem Problem, dass die beklagte Eigentümergemeinschaft keinen handlungsbevollmächtigten Vertreter hat. Eine bloße Zustellvollmacht des im Grundbuch erstgenannten Wohnungseigentümers genüge seinen Bedürfnissen nicht, weil im Fall einer Klagsstattgebung ein positives Handeln der Beklagten (etwa die Wiederherstellung des vorigen Zustands) erforderlich sein könnte.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000, - übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, dass oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Mangel einer gesetzlichen Vertretung einer wegen Besitzstörung geklagten Eigentümergemeinschaft die Bestellung eines vorläufigen Verwalters rechtfertigen kann. Aus der Entscheidung 5 Ob 282/03m, in der es um eine Werklohnklage gegen die unvertretene Wohnungseigentümergemeinschaft ging, sei eine direkte Antwort auf die Frage nicht mit Sicherheit ableitbar.

Gegen den rekursgerichtlichen Sachbeschluss hat die Erstantragsgegnerin Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, ihn so abzuändern, dass das Begehren des Antragstellers abgewiesen wird.

Der Antragsteller hat sich zu diesem Rechtsmittel nicht geäußert.

Die Rechtsmittelwerberin hält die Bestellung eines vorläufigen Verwalters für die Eigentümergemeinschaft vor allem deshalb für verfehlt, weil eine solche Maßnahme nicht damit gerechtfertigt werden könne, ein bereits verfristetes Besitzstörungsbegehren zu retten. Da die Zustellvollmacht des im Grundbuch erstgenannten Wohnungseigentümers nur im Zusammenhang mit einem Verfahren nach § 23 WEG 2002 bestehe, sei die Besitzstörungsklage der beklagten Eigentümergemeinschaft nie wirksam zugestellt worden. Ein Zustellmangel könne aber durch die Bestellung eines vorläufigen Verwalters nicht geheilt werden. Dem Antragsteller sei demnach ein berechtigtes Interesse an der beantragten Maßnahme abzusprechen.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

Dass die Eigentümergemeinschaft als Partei eines gerichtlichen Verfahrens nur durch einen organschaftlichen Vertreter handlungsfähig ist (siehe dazu 5 Ob 282/03m = immolex 2004/119), stellt offenbar auch die Rechtsmittelwerberin nicht in Frage. Wer Rechtsschutzansprüche gegen eine Eigentümergemeinschaft gerichtlich durchsetzen will, hat also in aller Regel ein berechtigtes Interesse an der Bestellung eines vorläufigen Verwalters, wenn die Eigentümergemeinschaft (sein Gegner) keinen bestellten Verwalter hat und – wie im gegenständlichen Fall – auch für keine funktionierende Eigenverwaltung der Wohnungseigentümer (der nach Miteigentumsanteilen zu berechnenden Mehrheit) gesorgt ist. Grundsätzlich kann daher dem Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Bestellung eines vorläufigen Verwalters für die von ihm geklagte Eigentümergemeinschaft nicht abgesprochen werden.

Als Argument gegen die Bestellung eines vorläufigen Verwalters führt die Rechtsmittelwerberin folgerichtig auch nur ins Treffen, dass die gegen die Eigentümergemeinschaft erhobene Klage ohnehin aussichtslos sei. Eine Vorwegbeurteilung der Erfolgsaussichten einer gegen eine Eigentümergemeinschaft angestrengten Klage ist jedoch in einem Außerstreitverfahren nach §§ 23, 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 nicht vorgesehen. Der antragstellende Dritte hat nur sein berechtigtes Interesse an einer wirksamen Vertretung der Eigentümergemeinschaft (hier in einem gerichtlichen Verfahren) darzutun; eine darüber hinausgehende Prüfung der materiellen Berechtigung seines gegen die Eigentümergemeinschaft geltend gemachten Rechtsschutzanspruchs käme in Konflikt mit der Pflicht zur gerichtlichen Streiteinlassung.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Der geltend gemachte Kostenersatzanspruch stünde der Erstantragsgegnerin (worauf sie schon vom Rekursgericht aufmerksam gemacht wurde) gemäß § 52 Abs 2 WEG 2002 iVm § 37 Abs 3 Z 19 erster Halbsatz MRG nicht einmal bei einem erfolgreichen Revisionsrekurs zu.