JudikaturJustiz5Ob234/06g

5Ob234/06g – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der im Haus *****, wohnhaften Antragsteller 1. DI Johann T*****, Stiege 1, top 70, 2. Gerhard S*****, Stiege 1, top 30,

3. Hildegard J*****, Stiege 1, top 67, 4. Franz B*****, Stiege 1, top 72, 5. Reinhild B*****, Stiege 2, top 65, 6. Kurt K*****, Stiege 3, top 15, 7. Rudolf F*****, Stiege 3, top 23, 8. Dietfried S*****, 9. Helene S*****, beide Stiege 3, top 29, 10. Dr. Ilse A*****, 11. Dr. Gerhard A*****, beide Stiege 3, top 13, alle vertreten durch Mag. Sascha Nevoral, Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, und Dr. Nikolaus Gabor, Rechtsanwalt in Wien, und weiterer Hauptmieter dieses Hauses gegen die Antragsgegner 1. G*****aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Musil Musil Rechtsanwälte OEG in Wien, 2. S***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Corvin Hummer, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 16, 22 Abs 1 Z 7 und 10 WGG, über den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. April 2006, GZ 38 R 26/06i-219, womit der Zwischensachbeschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 27. Oktober 2005, GZ 9 Msch 5/94b-209, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Erstantragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern binnen 14 Tagen 0,75 Euro an Barauslagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht sprach mit Zwischensachbeschluss aus, dass die Nutzfläche des Objekts *****, in den Jahren 1982 - 1984 insgesamt 19.698,67 m2 betrug, wovon 17.679,32 m2 auf das Wohnhaus (inklusive Geschäftslokale SPAR und Trafik sowie Garagenplätze) und 2.019,35 m2 auf die Tankstelle der Zweitantragsgegnerin entfielen (Punkt 1.). Entsprechend diesem Nutzflächenverhältnis ergibt sich für die vom Erstgericht näher bezeichneten Kosten ein Aufteilungsschlüssel von 89,75 % für die Mieter und 10,25 % für die Tankstelle der Zweitantragsgegnerin (Punkt 2.).

Die Nutzfläche der Tankstelle der Zweitantragsgegnerin setzt sich aus geschlossenen Räumlichkeiten im Ausmaß von 559,66 m2 und einem fünfseitig umbauten „Raum" mit einer vom Erstgericht angenommenen Fläche von 1.459,69 m2 zusammen. Der fünfseitig umbaute Raum wird an der hinteren Seite durch die Rückwand bzw durch die geschlossenen Räume der Tankstelle begrenzt, die seitliche Begrenzung bilden die ost- und die westseitige Seitenwand und oben befindet sich das begrünte Tankstellendach, welches gleichzeitig als Schallschürze gegen den Verkehrslärm aus dem Wiental dient. In Richtung H*****gasse grenzt an den fünfseitig umbauten Raum in Folge des vorgezogenen Tankstellendachs die überdachte Freifläche der Tankstelle an, die keine Seitenwände aufweist. Die seitlichen Begrenzungswände der Tankstelle haben jeweils zwei Durchbrechungen. Die Gesamtlänge der östlichen Seitenwand (Richtung O*****-Gasse) beträgt gemessen von der äußeren Begrenzung der tragenden Pfeiler an der H*****gasse 24,22 m, wobei die Durchbrechung im hinteren Bereich der Wand eine Länge von 4,65 m und die zweite (vordere) Durchbrechung eine Länge von 5,04 m hat. Nach der vorderen Durchbrechung endet die Seitenwand mit einem 70 cm langen Mauerstück, welches ebenso wie die übrige Seitenwand eine Mauerstärke von 35 cm und die gleiche Bauweise und Materialbeschaffenheit aufweist. Die Gesamtlänge der westlichen Seitenwand beträgt gemessen von der äußersten Pfeilerkante an der H*****gasse 22,82 m. Die hintere Durchbrechung hat eine Länge von 4,68 m, die vordere Durchbrechung hat eine Länge von 5,01 m. Nach der Durchbrechung endet die Seitenwand mit einem 70 cm langen Mauerstück, das ebenso wie die übrige Seitenwand eine Mauerstärke von 35 cm und die gleiche Bauweise und Materialbeschaffenheit aufweist. Alle 4 Durchbrechungen der Seitenwände weisen einen Unterzug, also einen von der Decke mehrere Dezimeter herabreichenden Mauerteil auf. Die straßenseitige (= vordere) Öffnung an der Westwand der Tankstelle wurde zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt nachträglich verglast. Ob diese Verglasung bereits in den Jahren 1982 bis 1984 bestanden hat, steht nicht fest. Geht man davon aus, dass die beiden vorderen Öffnungen Durchbrechungen der Seitenwände sind und dass die Seitenwände daher erst nach den Durchbrechungen bei der straßenseitigen Außenkante der tragenden Pfeiler enden, ergibt sich für den fünfseitig umbauten Raum der Tankstelle die vom Erstgericht angenommene Fläche von 1.459,69m2.

Das Rekursgericht gab Rechtsmitteln gegen den Zwischensachbeschluss des Erstgerichts nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 Euro übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, wie die Seitenwände eines fünfseitig umbauten Tankstellenareals beschaffen sein müssten, damit dieser Bereich zur Nutzfläche zähle.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG nF) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nF unzulässig; die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses kann sich in diesem Fall auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG nF):

1.1. Die Erstantragsgegnerin macht in ihrem Revisionsrekurs geltend, die Vorinstanzen seien bei der Nutzflächenermittlung des Tankstellenbereichs von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Loggienflächenermittlung abgewichen. Eine Loggia zähle nur dann zur Nutzfläche, wenn sie fünfseitig gänzlich durch Boden, Wände und Decke, also durch massive Elemente umbaut sei; dies müsse auch für den fünfseitig umbauten „Raum" der Tankstelle gelten, treffe aber tatsächlich nicht zu. Die östliche Öffnung könne nicht als Wand (im Sinne der Loggiendefinition) gelten, seien doch gut 80 % dieser "Wand" ständig offen und nicht verschließbar. Würde man der gegenteiligen Ansicht der Vorinstanzen folgen, dann wäre auch ein überdachter Balkon mit zwei Stützpfeiler vorne links und rechts, die das Balkondach hielten, als Loggia anzusehen, obwohl es sich dabei nur um einen dreiseitig umbauten Raum handle. Auch für die westseitige Öffnung der Seitenwand müsse gelten, dass eine Räumlichkeit nur dann vorliege, wenn Boden und Decke und mindestens 3 von 4 Umgrenzungsmauern vorhanden seien. Für die Nutzflächenermittlung relevante Wände müssten am Boden aufgesetzt sein und eine solche Höhe erreichen, dass zumindest eine raumbildende Funktion gegeben sei. Tatsächlich reiche aber die an der westlichen Front nachträglich angebrachte Verglasung nicht bis zum Boden, sodass weder die ostseitige Öffnung noch die teilweise verglaste Öffnung an der Westseite als Wand anzusehen seien. Das Rekursgericht verkenne auch die Funktion des begrünten Tankstellendachs, welches nicht der Lärmabschirmung gegenüber der Tankstelle diene, sondern eine planerische Maßnahme zum Schutz der Bewohner vor dem Straßenlärm darstelle. Durch die von den Vorinstanzen abgelehnte Beiziehung eines Statikers hätte sich erweisen lassen, dass es sich bei den fraglichen Bauwerksteilen (westliche und östliche Öffnungen) nicht um Mauern handle, sondern um Säulen, welche keine raumbildende, sondern lediglich eine tragende Funktion für die aufliegende Schallschutzschürze hätten.

1.2. Der Anteil eines Miet- oder sonstigen Nutzungsgegenstands an den Gesamtkosten des Hauses bestimmt sich sowohl gemäß § 16 Abs 1 WGG als auch gemäß § 17 Abs 2 MRG nach dem Verhältnis der Nutzfläche des Miet- oder sonstigen Nutzungsgegenstandes zur Nutzfläche aller in Bestand oder sonstige Nutzung gegebenen oder hiezu geeigneten Wohnungen, Wohnräume und sonstigen Räumlichkeiten des Hauses. Die Nutzfläche ist nach § 16 Abs 2 WGG die gesamte Bodenfläche einer Wohnung oder einer sonstigen Räumlichkeit abzüglich der Wandstärken und der im Verlauf der Wände befindlichen Durchbrechungen (Ausnehmungen).

1.3. Weder in § 17 Abs 2 MRG noch in § 16 Abs 2 WGG wird der Begriff „Loggia" verwendet oder gar gesetzlich definiert. Schon nach laienhaftem Verständnis muss überdies klar sein, dass eine Loggia weder nach baulicher Gestaltung noch nach ihrem funktionellen Nutzen mit einem überdachten Tankstellenareal vergleichbar ist, sodass die zur Loggia entwickelte Judikaturgrundsätze nur nur bedingt auf den vorliegenden Fall übertragbar sein können. Bei der Prüfung der hier im Vordergrund stehenden Frage, ob eine einer (durchgehenden) Wand ähnlich massive Begrenzung vorliegt, besteht ein Beurteilungsspielraum (5 Ob 107/01y = MietSlg 53.334 = wobl 2002/82, 270). Maßgeblich ist, ob die in Frage stehende (Außen )Fläche als

„Raum" angesehen werden kann (5 Ob 130/03h = immolex 2004/70, 111 =

MietSlg 55.308 = wobl 2005/112, 313 = bbl 2004/80, 120), was eine

gewisse bauliche Integration in den Gesamtkomplex voraussetzt (5 Ob 126/01t = immolex 2001/165, 304 = wobl 2002/70, 242 = SZ 74/100 = MietSlg 53.583).

1.4. Im Gegensatz zur Erstantragsgegnerin, die sich in ihren Ausführungen vornehmlich auf die isolierte Darstellung der Wandöffnungen und der statischen Funktion dieser Bereiche als Säulen für die Schallschürze beschränkt, haben die Vorinstanzen einer Gesamtschau den Vorzug gegeben, in der sie auf die gesamt Länge der Seitenwände, deren einheitliche bauliche Beschaffenheit hinsichtlich Mauerstärke, Bauweise und Materialbeschaffenheit, auf die funktionell einheitliche Nutzbarkeit des Areals sowie dessen Integration in den Baukörper Bedacht genommen haben. Die anhand der spezifischen, insbesondere baulichen Gegebenheiten vorzunehmende Einzelfallbeurteilung entspricht damit den maßgeblichen Entscheidungskriterien. Im Übrigen weist der Gebäudekomplex eine ganz spezifische Gestaltung auf, die in ihrer Singularität eine richtunggebende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zum nutzflächenrelevanten Raumbegriff ausschließt, sodass sich in diesem Punkt keine Rechtsfrage mit der in § 62 Abs 1 AußStrG nF beschriebenen Qualität stellt.

2.1. Nach Ansicht der Revisionsrekurswerberin hätten die Vorinstanzen die Zu- und Abfahrten, also die für den Betrieb der Tankstelle erforderlichen Verkehrsflächen nicht in die betriebskostenrelevante Nutzfläche einrechnen dürfen, sondern wie die Zufahrts- und Rangierflächen der Garage dieses Objekts ausscheiden müssen. Dieser Ansicht der Revisionsrekurswerberin sind die Vorinstanzen auf der Grundlage bereits bestehender Judikatur des erkennenden Senats - mit Recht - nicht gefolgt:

2.2. Notwendig allgemeine Teile des Hauses wie Stiegenhäuser, Gänge

udgl sind aus der Nutzflächenermittlung auszuscheiden (5 Ob 155/86

mwN = wobl 1988, 119 = MietSlg 39.352), weil sie eben nicht in die

ausschließliche Nutzungsgefugnis eines (einzelner) Mieter(s) fallen

(vgl auch 5 Ob 302/01z = wobl 2002/132, 360 = MietSlg 53.336); daraus

folgt auch, dass Zufahrts- und Rangierflächen einer Sammelgarage bei

der Berechnung der Nutzfläche nach § 17 Abs 2 MRG nicht zu

berücksichtigen sind (vgl 5 Ob 141/05d = immolex-LS 2005/82 = Zak

2005/132, 76 = wobl 2006/75, 179; 5 Ob 337/99s = wobl 2000/51, 109 =

immolex 2000/44, 70 = SZ 73/1 = MietSlg 52.333). Die hier für den

Betrieb der Tankstelle erforderlichen Verkehrsflächen sind dagegen

keine notwendig allgemeinen Teile des Hauses und befinden sich

ausschließlich innerhalb des der Zweitantragsgegnerin zur

ausschließlichen Nutzung zustehenden Areals, sodass sie nach bereits

bestehender, zuvor dargestellter Judikatur bei der

Nutzflächenermittlung zu berücksichtigen sind.

Da die Revisionsrekurswerberin insgesamt keine Rechtsfragen im Sinn der § 62 Abs 1 AußStrG nF geltend macht, ist ihr Rechtsmittel unzulässig und zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 22 Abs 4 WGG iVm 37 Abs 3 Z 19 MRG aF iVm §§ 50, 41 ZPO.

Rechtssätze
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