JudikaturJustiz5Ob2056/96f

5Ob2056/96f – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. April 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Dr.Eva Wexberg, Rechtsanwältin, Gußhausstraße 23, 1040 Wien, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der Helene L*****, Geschäftsfrau, ***** vertreten durch Dr.Michael Gabler und Mag.Dr.Erich Gibel, Rechtsanwälte in Wien, wider den Antragsgegner Peter B*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr.Malte Berlin, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 3. Jänner 1996, GZ 41 R 1257/95x-11 womit, der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21.September 1995, GZ 48 Msch 33/95a-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag des Antragsgegners auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekurses wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies den am 15.12.1994 bei der Schlichtungsstelle gestellten Antrag der Antragstellerin auf Überprüfung des mit Mietvertrag vom 6.2.1989 vereinbarten Hauptmietzinses (für Geschäftsräumlichkeiten) auf seine Angemessenheit im Sinne des § 16 MRG mit der wesentlichen Begründung ab, gemäß § 16 Abs 1 Z 1 MRG (hier wie auch in der Folge idF des 3. WÄG) könne sich ein Unternehmer, der eine Geschäftsräumlichkeit miete, auf eine Überschreitung des zulässigen Mietzinshöchstmaßes nur berufen, wenn er die Überschreitung unverzüglich, spätestens jedoch bei Übergabe des Mietgegenstandes gerügt habe; überdies müsse die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung gemäß § 16 Abs 8 MRG binnen drei Jahren gerichtlich geltend gemacht werden.

Nach Art II II. Abschnitt Z 1 der Übergangsbestimmungen des 3. WÄG gelte der I. Abschnitt - enthaltend die Regelungen des § 16 MRG - auch für Miet- und Nutzungsverträge, die vor seinem Inkrafttreten geschlossen worden seien, insoweit in den folgenden Übergangsbestimmungen nicht anderes bestimmt sei. Übergangsregelungen betreffend Rügepflicht und Präklusion bestünden jedoch nicht.

Sowohl die Unterlassung der Rüge als auch der Ablauf der zuletzt genannten Frist würden daher auf Grund des hier gegebenen konkreten Sachverhaltes eine Überprüfung des vereinbarten Mietzinses auf seine gesetzliche Zulässigkeit ausschließen.

Das Rekursgericht hob den Sachbeschluß des Erstgerichtes auf, trug diesem eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Rekursgericht vertrat im wesentlichen folgende Rechtsansicht:

Nach Art II II. Abschnitt Z 5 des 3. WÄG blieben nach den früheren Bestimmungen rechtsunwirksame Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses auch nach dem Inkraftreten des 3. WÄG rechtsunwirksam. Das Übergangsrecht stelle damit klar, daß es für die Rechtswirksamkeit von Mietzinsvereinbarungen ausschließlich auf das zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende Recht ankomme. Demnach seien die in § 16 Abs 1 Z 1 MRG mit Inkrafttreten des 3. WÄG neu begründete Rügepflicht und die in § 16 Abs 8 MRG geregelte Präklusionsfolge nur auf Mietzinsvereinbarungen anwendbar, die ab dem 1.3.1994 geschlossen worden seien.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zu den genannten entscheidungswesentlichen Fragen eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben; keinesfalls mögen dem Antragsgegner die ausschließlich verzeichneten Kosten rechtsfreundlicher Vertretung zugesprochen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in der Zwischenzeit - nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichtes und nach Erhebung des Revisionsrekurses - zur hier entscheidungswesentlichen Rechtsfrage, ob sich die in § 16 Abs 1 Z 1 MRG neu eingeführte Rügepflicht eines Unternehmers bei der Miete von Geschäftsräumlichkeiten auch auf vor dem Inkrafttreten des 3. WÄG abgeschlossene Mietverträge bezieht, erstmals und zur Frage der Geltung der in § 16 Abs 8 MRG vorgesehenen Präklusionsfrist auf solche Verträge unter Bezugnahme auf die Entscheidung 5 Ob 149/95 (vom 16.1.1996) folgendes ausgeführt (5 Ob 6/96):

"Richtig ist, daß mit der Übergangsregelung des Art II Abschnitt II Z 1 des 3. WÄG, wonach der Abschnitt I dieses Gesetzes - darunter die fragliche Bestimmung des § 16 Abs 8 MRG - auch für Miet- und Nutzungsverträge gilt, die vor dem Inkrafttreten des 3. WÄG abgeschlossen worden sind, eine Ausnahme vom grundsätzlichen Rückwirkungsverbot des § 5 ABGB geschaffen wurde. Dem wurde allerdings schon im einleitenden Halbsatz die Einschränkung beigefügt, "insoweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist". Eine solche Ausnahme von der Ausnahme enthält die Bestimmung des Art II Abschnitt II Z 5 Satz 2 des 3. WÄG, wonach ehemals rechtsunwirksame Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses auch nach Inkrafttreten des 3. WÄG rechtsunwirksam bleiben. Legt man diese Bestimmung im Lichte der Zweifelsregel aus, daß Gesetze prinzipiell nicht zurückwirken (vgl EvBl 1972/218), sofern der Gesetzgeber nicht eindeutig anderes angeordnet hat (vgl E 5 zu § 5 ABGB, MGA34), dann kann ihr nur die Bedeutung entnommen werden, daß der Gesetzgeber generell eine nachträgliche Sanierung ehemals rechtsunwirksamer Mietzinsvereinbarungen durch die neuen Mietzinsregelungen ausschließen wollte. Ein ähnliches Bekenntnis des Gesetzgebers zum Grundsatz, daß es für die Rechtswirksamkeit von Mietzinsvereinbarungen auf das im Abschlußzeitpunkt geltende Recht ankommt, ist ja auch in der weitergeltenden Bestimmung des § 43 Abs 2 MRG enthalten (vgl Würth/Zingher, Wohnrecht '94, 357 bei Anm 8).

Nun sieht die in § 16 Abs 8 Satz 2 nF MRG getroffene Anordnung, daß die Unwirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung binnen drei Jahren bei Gericht bzw bei der Gemeinde geltend zu machen ist, im Grunde nichts anderes als eine Sanierung teilnichtiger, das erlaubte Zinsausmaß überschreitender Mietzinsvereinbarungen durch Fristablauf vor, weil ja nach Verstreichen der "Anfechtungsfrist" des § 16 Abs 8 Satz 1 nF MRG die Unzulässigkeit einer Mietzinsvereinbarung nicht mehr geltend gemacht werden kann (Würth/Zingher, Wohnrecht '94, 53 bei Anm 27; vgl auch Würth, WoBl 1995, 55 in der Anmerkung zu 5 Ob 19/93). Wenn der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung in Art II Abschnitt II Z 5 Satz 2 des 3. WÄG die Absicht verfolgte, eine solche Sanierung zu verhindern, muß also auch die Aufrechterhaltung der Möglichkeit einer Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit in seinem Sinn sein. Es kann ihm nicht unterstellt werden, einerseits an der Rechtsunwirksamkeit "alter" Mietzinsvereinbarungen festzuhalten, andererseits aber den davon betroffenen Mietern in einer keineswegs zu vernachlässigenden Anzahl konkreter Fälle keine Anfechtungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Folgte man der Rechtsansicht der Vorinstanzen, wären Mietzinsvereinbarungen, die vor dem 1.3.1991 abgeschlossen wurden, zwar rechtsunwirksam, aber rückwirkend nicht mehr angreifbar und korrigierbar. Die richtige, dieses Ergebnis vermeidende Lösung der Übergangsproblematik kann daher nur darin liegen, daß § 16 Abs 8 Satz 2 nF MRG grundsätzlich nur für die nach Maßgabe des neuen § 16 MRG geschlossenen Neuverträge gilt (vgl Würth/Zingher, Wohnrecht '94, 39 bei Anm 3). Zu bedenken wäre allenfalls, ob alte Mietzinsvereinbarungen binnen drei bzw dreieinhalb Jahren ab Inkrafttreten des 3. WÄG angefochten werden müssen, doch ist dies nicht zu entscheiden, wenn (wie auch hier) der Mieter die Unzulässigkeit des ihm vorgeschriebenen Hauptmietzinses ohnehin noch im Jahr 1994 geltend gemacht hat.

Zu erörtern bleibt noch, ob die jetzt in § 16 Abs 1 Z 1 nF MRG festgelegte Rügepflicht des Unternehmers Auswirkungen auf die Zulässigkeit oder Berechtigung des gegenständlichen Sachantrages hat. Die genannte Gesetzesbestimmung läßt eine das Anfechtungsrecht des Unternehmer-Mieters wahrende Rüge überhaupt nur bis zum Zeitpunkt der Übergabe des Mietobjektes zu. Ihre rückwirkende Anwendung auf Altverträge würde daher in der Regel (sieht man von den seltenen Ausnahmsfällen ab, in denen der Mietvertrag vor dem 1.3.1994 abgeschlossen wurde, die Übergabe des Geschäftslokals aber erst nachher erfolgte) dazu führen, daß den Unternehmern, deren Mietrechte auf Altverträgen beruhen, praktisch ohne jede Vorwarnung - auch eine nach dem 1.3.1994 unverzüglich auszuübende Rügepflicht käme für sie jetzt überraschend - das ihnen vom MRG idF vor dem 3. WÄG zugestandene Recht zur Überprüfung der Angemessenheit des Hauptmietzinses entzogen wäre. Für eine solche Absicht des Gesetzgebers fehlt in den Gesetzesmaterialien jeglicher Anhaltspunkt. Die Übergangsbestimmungen legen vielmehr (auch und gerade in diesem Punkt) ein Festhalten am bewährten Prinzip nahe, neues Recht nicht auf endgültig und abschließend verwirklichte Sachverhalte anzuwenden. Dieser Gedanke lag § 43 Abs 1 MRG zugrunde (MietSlg 38/5; MietSlg 39/19; MietSlg 40/3; WoBl 1993, 31/23 ua) und ist auch der Bestimmung des Art II Abschnitt II Z 1 des 3. WÄG zu unterstellen (vgl 5 Ob 12/96). Wenn - wie hier - der endgültige Verlust des Rechtes, die Unzulässigkeit einer Mietzinsvereinbarung geltend zu machen, mit der Übergabe des Mietobjektes, also einem punktuellen Ereignis verknüpft wurde, dann kann die abschließende Verwirklichung dieses Sachverhaltes vor dem Inkrafttreten des neuen Rechtes, also die Übergabe des Mietobjektes vor diesem Zeitpunkt, nur bedeuten, daß derartige Mietverträge von der neuen Rügepflicht für Unternehmer nicht erfaßt sind."

Der erkennende Senat sieht keinen Anlaß, von dieser von ihm vorgenommenen Gesetzesauslegung abzugehen.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG. Die dort normierten Voraussetzungen für den Ersatz der Kosten rechtsfreundlicher Vertretung sind nicht erfüllt, sodaß über das den Revisionsrekurs betreffende, lediglich anwaltliche Vertretungskosten enthaltende, Kostenersatzbegehren des Antragsgegners schon jetzt - unabhängig vom Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache - abweislich entschieden werden konnte.

Rechtssätze
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