JudikaturJustiz5Ob181/06p

5Ob181/06p – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Ali Y*****, vertreten durch Dr. Romana Aron, Mieterinteressensgemeinschaft Österreichs, Antonsplatz 22, 1100 Wien, gegen die Antragsgegner 1.) Hamza A*****, 2.) Dusan D*****, 3. Sladjana D*****, beide *****, Zweit- und Drittantragsgegner vertreten durch Dr. Werner Goeritz, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 9 Abs 4 RBG 1987, über den Revisionsrekurs der Zweit- und Drittantragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. März 2005 (richtig: 2006), GZ 41 R 33/06s-23, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 17. November 2005, GZ 9 Msch 21/04w-17, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am 1. 1. 2001 wurde zwischen dem Antragsteller und dem Erstantragsgegner eine Mietzinsvereinbarung über die im Wohnungseigentum des Erstantragsgegners stehende Wohnung top Nr 4 im Haus L***** befristet auf 10 Jahre abgeschlossen. Es wurde ein Mietzins von S 3.700,-- (EUR 268,89) vereinbart, in welchem Betrag die Betriebskosten, nicht jedoch die Umsatzsteuer enthalten waren. Dieser Betrag wurde dem Antragsteller vorgeschrieben. Es steht nicht fest, ob er die Zahlungen auch geleistet hat.

In der Folge veräußerte der Erstantragsteller die verfahrensgegenständliche Wohnung an Zweit- und Drittantragsgegner. Die Wohnung hat eine Nutzfläche von 34,16 m2, besteht aus Gang, Küche, Toilette, Wohn-(Schlaf-)zimmer sowie Badenische. Ein Vorraum fehlt. WC und Küche sind nicht beheizt, in der Küche befindet sich eine Kombitherme für Heizung und Warmwasseraufbereitung. Ein an der Vorschrift des § 16 Abs 1 MRG orientierter angemessener Hauptmietzins ohne Befristungsabschlag beträgt für diese Wohnung monatlich EUR 99,06. Die Betriebskosten betragen EUR 2,--/m2, somit EUR 74,29 monatlich. Unter Abzug eines 25 %igen Befristungsabschlages (§ 16 Abs 7 MRG) ergibt sich ein Hauptmietzins von EUR 74,29, mit Betriebskosten ein Betrag von EUR 142,61 (exklusive USt). Der verfahrensgegenständliche Mietvertrag wurde nach vorzeitiger Tilgung eines WWF-Darlehens nach dem RBG 1987 abgeschlossen. Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrte der Antragsteller festzustellen, dass der mit ihm vereinbarte Hauptmietzins überhöht sei. Die Wohnung sei der Ausstattungskategorie C zuzuordnen, auch sei ein 25 %iger Befristungsabschlag zu berücksichtigen (§ 16 Abs 7 MRG). Der Erstantragsgegner bestritt die Antragslegitimation des Antragstellers; dieser benütze die Wohnung titellos und schulde ihm Geld. Am gerichtlichen Verfahren beteiligte sich der Erstantragsgegner in der Folge nicht mehr.

Zweit- und Drittantragsgegner wendeten im Wesentlichen ein, seit Dezember 2002 Wohnungseigentümer der verfahrensgegenständlichen Wohnung zu sein. Die Wohnung sei der Ausstattungskategorie A zuzuordnen, der vereinbarte Pauschalmietzins entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Insbesondere beriefen sie sich auf die Bestimmung des § 9 Abs 4 RBG 1987, wonach das Mietobjekt nicht den Mietzinsbildungsbestimmungen des MRG unterliege. Deshalb sei kein Befristungsabschlag vorzunehmen. Der angemessene Hauptmietzins betrage mindestens EUR 160,-- monatlich.

Das Erstgericht stellte fest, dass die verfahrensgegenständliche Wohnung im Zeitpunkt des Abschlusses des Hauptmietvertrages der Ausstattungskategorie C zuzurechnen war, dass durch die Vereinbarung der gesetzlich zulässige monatliche Hauptmietzins um EUR 74,29 exklusive USt überschritten worden sei und, soweit es den Erstantragsgegner betrifft, dass er im Zeitraum 1. 1. 2001 bis einschließlich 31. 12. 2002, sohin durch 24 Monate hindurch das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um monatlich EUR 126,28 exklusive USt überschritten habe.

Hinsichtlich der Zweit- und Drittantragsgegner stellte das Erstgericht fest, dass sie in der Zeit von 1. 1. 2003 bis April 2004, sohin durch 16 Monate dem Antragsteller gegenüber das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um monatlich EUR 126,28 exklusive USt überschritten hätten.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass die Mietzinsbildung nach § 9 Abs 4 RBG 1987 zu erfolgen habe. Der vom Sachverständigen ermittelte angemessene Hauptmietzins betrage monatlich EUR 99,06. Unter Anwendung der Bestimmung des § 16 Abs 7 MRG vermindere sich dieser Betrag um 25 %. Die Mietzinsbildung nach § 9 Abs 4 RBG 1987 schließe die Anwendung des § 16 Abs 7 MRG nicht aus. Die Betriebskosten ermittelte das Erstgericht unter Anwendung des § 273 ZPO mit monatlich EUR 2,--/m2. Insgesamt führe das zu den festgestellten Überschreitungsbeträgen. Einen Rückzahlungstitel nach § 37 Abs 4 MRG verweigerte das Erstgericht mit der Begründung, dass weder sämtliche Zahlungen erwiesen noch Gegenforderung geklärt seien. Hinsichtlich des Erstantragsgegners ist mangels Anfechtung durch ihn der erstinstanzliche Sachbeschluss in Rechtskraft erwachsen. Einem von den Zweit- und Drittantragsgegnern gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluss erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Maßgeblich sei unter Zugrundelegung der Hauptmietzinsbildung nach dem RBG 1987 ausschließlich die Rechtsfrage, ob im gegenständlichen Fall ein 25 %iger Befristungsabschlag gem. § 16 Abs 7 MRG vorzunehmen sei. Dabei erwog das Rekursgericht, dass seit Inkrafttreten des § 16 Abs 7 MRG idF der WRN 2000 ein dieser Gesetzesbestimmung entsprechender Befristungsabschlag auch von einem angemessenen Mietzins vorzunehmen sei. Im Weiteren erkannte das Rekursgericht, dass die Bestimmung des § 16 Abs 7 MRG bei freier Mietzinsbildung und in Fällen, wo die Mietzinsbildung nach anderen Vorschriften - etwa nach Förderungsrecht oder dem WGG - erfolge, nicht anzuwenden sei. Wenn aber der Hauptmietzins - zwar nicht nach § 16 Abs 1 MRG, aber nach anderen Vorschriften - hinsichtlich seiner Zulässigkeit mit der Angemessenheit begrenzt sei, müsse, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, auch in solchen Fällen § 16 Abs 7 MRG angewendet werden. § 9 Abs 4 RBG 1987 erkläre bei Vorliegen der hier nicht strittigen Voraussetzungen einen „nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Hauptmietzins" für zulässig, womit wörtlich die Definition des angemessenen Hauptmietzinses des § 16 Abs 1 MRG übernommen worden sei. Auch in den Gesetzesmaterialien (AB 383 BlgNR 17. GP, abgedruckt in Würth/Zingher19 811f [815]) werde ausgeführt, dass sich die Neuvermietung nach § 9 Abs 4 RGB 1987 analog an § 16 Abs 1 MRG orientiere. Gehe man aber von einer analogen Anwendung des § 16 Abs 1 MRG aus, erscheine es systemwidrig, für nach dem 1. 7. 2000 abgeschlossene Hauptmietzinsvereinbarungen betreffend befristete Mietverhältnisse zwei unterschiedliche „angemessene Hauptmietzinse" zuzulassen, nämlich einerseits mit, andererseits ohne Befristungsabschlag. Es erscheine auch nicht sachgerecht, jene Vermieter, die von der vorzeitigen Rückzahlungsmöglichkeit geförderter Darlehen Gebrauch gemacht hätten, gegenüber jenen zu bevorzugen, deren Bestandobjekte von vornherein unter die Bestimmung des § 16 Abs 1 MRG fielen.

Das Rekursgericht teilte daher die Ansicht des Erstgerichtes, dass eine analoge Anwendung des § 16 Abs 7 MRG auch für eine Mietzinsbildung nach § 9 Abs 4 RBG 1987 zu bejahen sei. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000,-- nicht übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Frage der Anwendbarkeit des § 16 Abs 7 MRG im Fall eines nach dem RBG 1987 gebildeten Hauptmietzinses noch kein höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Zweit- und Drittantragsgegner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer Antragsabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsteller beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Zweit- und Drittantragsgegner ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Übereinstimmend gehen die Verfahrensparteien davon aus, dass die Mietzinsbildung im vorliegenden Fall auf Grund einer nach den Bestimmungen des RBG 1987 begünstigten vorzeitigen Tilgung eines öffentlichen Wohnbaudarlehens und damit nach § 9 Abs 4 RBG 1987 zu erfolgen hat. Demnach ist bei Neuabschlüssen von Mietverträgen nach begünstigter Teil- oder Volltilgung die Vereinbarung eines nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessener Hauptmietzins für die betroffenen Mietgegenstände zulässig. Diese Bestimmung stellt nach dem Willen des Gesetzgebers eine „dem § 16 Abs 1 MRG nachgebildete Befugnis zur Vereinbarung einer angemessenen Miete" dar; es sollte damit „eine Vereinbarung eines angemessenen Mietzinses entsprechend dem § 16 Abs 1 MRG" ermöglicht werden (vgl AB zum RBG 1987 idF des 1. WÄG 383 BlgNR 17. GP, abgedruckt in Würth/Zingher Miet- und WohnR19 SS 811, 813).

§ 53 MRG ist im Fall einer begünstigten Rückzahlung nach den RBG 1987 nicht anzuwenden. Durch § 53 MRG wurde nämlich nur das RBG 1971 idF BGBl Nr 481/1980 dahin abgeändert, dass dessen § 12 Abs 3 zu lauten hat:

„Im Falle der Weitervermietung eines Mietgegenstandes nach gänzlicher Tilgung des Darlehens auf Grund einer vorzeitigen begünstigten Rückzahlung gilt § 16 MRG nicht."

Wäre diese Bestimmung auch für die Mietzinsbildung nach dem RBG 1987 zu beachten, wäre den Antragsgegnern darin Recht zu geben, dass sich eine analoge Anwendung von § 16 Abs 7 MRG schon wegen des klaren Wortlautes dieser Bestimmung verbietet. Das trifft jedoch wegen der unmissverständlichen Bezugnahme des § 53 MRG auf das RBG 1971 nicht zu.

Die von Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und WohnR21 in Rz 2 zu § 53 MRG dargestellte Rechtsprechung (vgl vor allem 5 Ob 54/83 = MietSlg 35.489/25; auch RIS-Justiz RS0069536) ist folglich im Fall der Mietzinsbildung nach § 9 Abs 4 RBG 1987 nicht anwendbar. Nur dann, wenn die Angemessenheitsgrenze des § 16 Abs 1 MRG oder eine andere Mietzinsbeschränkung nicht gilt, also ein „freier Mietzins" vereinbart werden darf, ist weder § 44 MRG, noch § 27 MRG oder § 16 Abs 9 MRG anzuwenden (vgl MietSlg 35.489/25).

Während nach § 12 Abs 4 RBG 1971 eine freie Mietzinsbildung zulässig war, der Mietzins also nur nicht gegen Wucherbestimmungen und gegen die guten Sitten verstoßen durfte (vgl Zingher MietG18 Anm 6 zu § 16 MG), lässt die hier anzuwendende Bestimmung des § 9 Abs 4 RBG 1987 (nur) die Vereinbarung eines angemessenen Hauptmietzinses, definiert durch dieselben Merkmale wie in § 16 Abs 1 MRG, zu. Die Mietzinsbildungsvorschrift des § 9 Abs 4 RBG ist trotz der nicht deutlichen Formulierung auch eine Mietzinsbeschränkungsvorschrift. Mit zutreffenden Argumenten haben die Vorinstanzen dargelegt, dass wegen der in § 16 Abs 1 MRG und § 9 Abs 4 RBG 1987 identen Wortwahl des Gesetzgebers, was nach den Materialien zur letztgenannten Bestimmung auch beabsichtigt war, der „angemessene Hauptmietzins des § 16 Abs 1 MRG" die höchstzulässige Grenze einer Hauptmietzinsvereinbarung nach § 9 Abs 4 RBG 1987 bildet und dass dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, er habe damit einen anderen angemessenen Hauptmietzins als den in § 16 Abs 1 MRG geregelten einführen wollen. Dann ist es aber nur folgerichtig, auch den in § 16 Abs 7 MRG normierten Parameter zur Mietzinsbildung heranzuziehen. Die Anwendbarkeit des § 16 Abs 7 MRG auch im Fall der Zulässigkeit eines angemessenen Hauptmietzinses wurde erst durch die WRN 1997, somit nach der Regelung des RBG 1987 eingeführt, weshalb nicht damit argumentiert werden könnte, der Gesetzgeber des RBG 1987 habe diesen Parameter für die Mietzinsbildung ausschließen wollen. Es ist daher den Vorinstanzen darin Recht zu geben, dass die erforderliche Gleichbehandlung aller ausdrücklich oder inhaltlich dem § 16 Abs 1 MRG zu unterstellenden Hauptmietzinsvereinbarungen gebietet, die in § 16 Abs 7 MRG normierte Reduktion des angemessenen Hauptmietzinses auch im Fall einer Vereinbarung nach § 9 Abs 4 RBG 1987 vorzunehmen.

Die analoge Anwendung des § 16 Abs 7 MRG ist auch für Hauptmietzinsvereinbarungen nach § 9 Abs 4 RBG 1987 angebracht, um nicht unsachliche Ergebnisunterschiede zu erzielen. Dem Revisionsrekurs der Zweit- und Drittantragsgegner war daher der Erfolg zu versagen.