JudikaturJustiz5Ob18/16g

5Ob18/16g – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers T***** C*****, vertreten durch Dr. Romana Aron, Mieter Interessens Gemeinschaft, 1100 Wien, Antonsplatz 22, gegen die Antragsgegnerin E***** F*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen §§ 16, 37 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Oktober 2015, GZ 38 R 269/15p 31, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 23. Juli 2015, GZ 7 MSch 14/13i 27, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit 180 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Antragsgegnerin ist seit Oktober 2006 Eigentümerin einer Wohnung, welche sie von 1. 8. 2011 bis 31. 1. 2013 an den Antragsteller vermietete. Das Haus wurde im zweiten Weltkrieg völlig zerstört, der Wiederaufbau wurde mit 1956/1957 nach dem Wohnhauswiederaufbaugesetz (WWG) bewilligten Darlehen finanziert. 1975 wurde Wohnungseigentum begründet. Der auf die Wohnung entfallende Darlehensrest wurde unter Inanspruchnahme des Rückzahlungsbegünstigungsgesetzes (RBG) 1987, BGBl 1987/340, vom damaligen Wohnungseigentümer zum Stichtag 1. 1. 1989 getilgt.

Im außerstreitigen Wohnrechtsverfahren ist umstritten, ob die Antragsgegnerin sich auf den Teilausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 3 MRG berufen und einen freien Mietzins verlangen durfte.

Die Vorinstanzen verneinten dies. Es sei nur die Vereinbarung eines angemessenen Mietzinses nach § 16 Abs 1 MRG zulässig. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zwar oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe, der Oberste Gerichtshof sich aber mit den erheblichen Bedenken der Lehre noch nicht zu befassen hatte.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist entgegen diesem nach § 71 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1. Die im Revisionsrekurs der Antragsgegnerin neuerlich aufgeworfene Frage der Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens wurde zu 5 Ob 121/14a rechtskräftig und bindend geklärt: Das Begehren des Antragstellers ist im außerstreitigen Verfahren zu erledigen. Ist die Antragsgegnerin mit ihrem Standpunkt zum Teilanwendungsbereich des MRG erfolgreich, wäre der Sachantrag abzuweisen, weil das außerstreitige Verfahren nach § 37 MRG nicht zur Verfügung steht.

2. Nach § 1 Abs 4 Z 3 MRG ist (unter anderem) § 16 MRG auf Mietgegenstände, die im Wohnungseigentum stehen, nicht anzuwenden, sofern der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, das aufgrund einer nach dem 8. 5. 1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist. Es liegt hier unstrittig eine Neuerrichtung im Sinn dieser Bestimmung vor.

3. § 15 Abs 9 WWG idF Novelle 1954, BGBl 1954/154, ordnet an, dass die mittels Fondshilfe nach Abs 1 lit a wiederhergestellten Mietobjekte (Wohnungen, Geschäftsräume) den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliegen, und zwar bis zur Rückzahlung des Fondsdarlehens mit den in den folgenden Absätzen 10 bis 15 getroffenen Abänderungen. Diese Bestimmung ist nach Abs 10 erster Halbsatz leg cit auch auf Mietobjekte in Gebäuden anzuwenden, an denen der gemeinsamen Benützung der Mieter dienende Gebäudeteile mittels Fondshilfe wiederhergestellt werden, es sei denn, dass ein solches Mietobjekt ohne Inanspruchnahme von Fondshilfe wiederhergestellt wird. In den Absätzen 11 bis 15 wird die Mietzinsbildung detailliert geregelt. Es ist nicht umstritten, dass Fondsmittel auch der Wiederherstellung der an den Antragsteller vermieteten Wohnung dienten und ein Anwendungsfall im Sinn der zitierten Bestimmungen gegeben ist.

4. Nach § 9 Abs 4 Rückzahlungs-begünstigungsgesetz (RBG) 1987, BGBl 1987/340, kann bei Neuabschlüssen von Mietverträgen nach begünstigter Teil-oder Volltilgung für die von der Tilgung betroffene Mietgegenstände ein angemessener Hauptmietzins begehrt werden. Diese Bestimmung lässt nur die Vereinbarung eines angemessenen Hauptmietzinses, definiert durch dieselben Merkmale wie in § 16 Abs 1 MRG, zu und ist eine Mietzinsbeschränkungsvorschrift. Der angemessene Hauptmietzins des § 16 Abs 1 MRG ist die höchstzulässige Grenze einer Hauptmietzinsvereinbarung (5 Ob 181/06p; RIS Justiz RS0121355). Ein Wohnungseigentümer, der das Darlehen begünstigt tilgt, ist nach § 9 Abs 2 Satz 1 RBG 1987 von der Haftung für das Förderungsdarlehen zu befreien. Der Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin hat den auf die Eigentumswohnung entfallenden Teil des Förderungsdarlehens nach dem RBG 1987 vorzeitig und begünstigt zurückgezahlt.

5. Alle Fassungen des § 15 WWG unterstellen die mit Fondshilfe wiederhergestellten Mietobjekte den Bestimmungen des MG, und zwar bis zur Rückzahlung des Fondsdarlehens mit den in den nachfolgenden Absätzen 10 bis 15 normierten Abänderungen. Dies bedeutet, dass die Mietobjekte bei Inanspruchnahme der Förderung den Bestimmungen des MG unterstellt sind. Solange keine Rückzahlung erfolgt ist, besteht eine Ausnahme hinsichtlich der Mietzinsbildung. Diese richtet sich dann nicht nach den Bestimmungen des MG, sondern nach § 15 WWG. Zufolge der in § 58 Abs 4 MRG enthaltenen Transformationsklausel (dynamische Verweisung auf das MRG) sind auf die Bestandobjekte die nunmehr geltenden Bestimmungen des MRG anzuwenden (5 Ob 49/02w mwN; RIS Justiz RS0117353).

6. Es ist im vorliegenden Fall Thema, ob der in § 15 WWG enthaltene Verweis auch die in § 1 Abs 4 Z 3 MRG geregelte Teilausnahme erfasst und der angemessene Hauptmietzins des § 16 Abs 1 MRG daher nicht die höchstzulässige Grenze der Hauptmietzinsvereinbarung bildet.

7. In der Entscheidung 5 Ob 115/01z nahm der Oberste Gerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich zum Teilausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 3 MRG Stellung. Er führte aus, dass diese Ausnahme vom Vollanwendungsbereich des MRG durchbrochen wird, wenn Fondsmittel nach § 15 Abs 10 WWG in die Neuerrichtung der betroffenen Eigentumswohnung geflossen sind.

8. Die Entscheidung 5 Ob 49/02w betraf den Fall einer Eigentumswohnung in einem mit den Mitteln des Wohnhauswiederaufbaufonds im Jahr 1954 neu errichteten Gebäude. Der Oberste Gerichtshof verwies dabei auf jene Judikatur, welche die Bestimmungen des § 32 Abs 2 6 Wohnbauförderungsgesetz (WFG) 1968 als leges speciales ansieht, die den Ausnahmekatalog des § 1 Abs 4 MRG verdrängen (5 Ob 69 bis 71/93 = MietSlg 45/27).

9. Diese Rechtsmeinung, dass die Teilausnahme des § 1 Abs 4 Z 3 MRG bei einer Förderung nach WWG oder (hier nicht relevant) WFG 1968 nicht gilt, fand auch in der Lehre Zustimmung ( Böhm/Schuster , Probleme der Mietrechtsgeltung Zur Abgrenzung des jeweiligen Geltungsbereichs von MRG, WGG, WWG und WFG 1968 unter Berücksichtigung der seit 1. 1. 1989 geänderten Rechtslage [Schluss], wobl 1989, 30 [35]; Böhm in Schwimann , ABGB 2 IV § 1 MRG Rz 51). Die im Schrifttum geäußerten, im Revisionsrekurs nicht erwähnten Bedenken gegen die Einschränkung des Verweises auf das MRG in WGG oder WFG 1968 ( Böhm/Schuster aaO, 30 ff; Böhm aaO; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 3 § 1 MRG Rz 10; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch aaO § 58 MRG Rz 5; Vonkilch , Glosse zu 2 Ob 99/04d = wobl 2004, 273), welche das Rekursgericht zur Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses veranlassten, bezogen sich auf Vollausnahme- und andere Teilausnahmetatbestände, die im vorliegenden Fall keine Rolle spielen.

10. Die Rechtsfrage, die dem Zulassungsausspruch zugrunde liegt, wurde durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mit Zustimmung der Lehre im Sinn der Entscheidung der zweiten Instanz bereits beantwortet. § 1 Abs 4 Z 3 MRG ist nicht auf im Wohnungseigentum stehende Mietgegenstände anzuwenden, die nach § 15 Abs 9 und 10 WWG mit Mitteln des Wohnhauswiederaufbaufonds wiederhergestellt wurden.

11. Die Antragsgegnerin kann die genannte Teilausnahme somit nicht für sich in Anspruch nehmen.

12. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Billigkeitserwägungen rechtfertigen den Zuspruch von Kosten der Revisionsrekursbeantwortung, in der der Antragsteller auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen hat.