JudikaturJustiz5Ob175/71

5Ob175/71 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. September 1971

Kopf

SZ 44/123

Spruch

Der nach § 5 Abs 2 Vorarlberger SchischulenG von der Verwaltungsbehörde bestellte "Leiter" einer - als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisierten - Schischule ist zum Ausschluß einzelner Gesellschaftsmitglieder nicht befugt

Die Ausschließung eines Gesellschafters aus einer solchen Gesellschaft ist ein Gestaltungsrecht, das, wenn der Vertrag nichts anderes vorsieht, nur von der Gesamtheit der übrigen Mitglieder ausgeübt werden kann

OGH 1. 9. 1971, 5 Ob 175/71 (OLG Innsbruck 1 R 30/71; LG Feldkirch 1 a Cg 152/70)

Text

Der Kläger behauptet, seit Jahren Gesellschafter der Schischule G in Vorarlberg zu sein und bis zum Ende der Wintersaison 1968/69 im Rahmen dieser Schischule seinen Beruf als Schilehrer und Winterbergführer ausgeübt zu haben. Der Schischule hätten zu Ende der Saison 1968/69 die ersten fünf Beklagten, ferner er selbst sowie seine vier Brüder und andere Personen angehört; der sechste und siebente Beklagte seien im Herbst 1969 in die Gesellschaft eingetreten. Die Schischule sei eine Erwerbsgesellschaft im Sinne der §§ 1175 ff ABGB. Die Verwaltungsbehörde habe gemäß § 5 Abs 2 Vorarlberger SchischulenG den Viertbeklagten Josef M zum Schischulleiter bestellt. Während sechs Gesellschafter der weiteren Mitarbeit des Klägers zustimmten, hätten die Beklagten das Recht des Klägers auf Mitarbeit bestritten und sich geweigert, gegenüber der Vorarlberger Landesregierung die von dieser verlangte diesbezügliche Erklärung abzugeben. Der Kläger beantragt daher die Fällung des Urteils:

"Die Schischule G ist eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes. Dem Kläger steht als Gesellschafter ein Recht auf Mitwirkung zu; die Beklagten als Gesellschafter der Schischule G sind daher schuldig, seiner Mitarbeit zuzustimmen, insbesondere auch gegenüber dem Amt der Vorarlberger Landesregierung ...".

Zur Sicherung dieses Anspruchs beantragte der Kläger, den Beklagten mittels einstweiliger Verfügung zu gebieten, seiner Mitarbeit in der Schischule G, insbesondere auch gegenüber dem Amt der Vorarlberger Landesregierung, zuzustimmen und diese Mitarbeit zu dulden.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit folgender Begründung ab:

Der Viertbeklagte Josef M sei vom Amt der Landesregierung gem § 5 Abs 2 SchischulenG zum Leiter der Schischule G bestellt worden. An diesen Verwaltungsakt sei das Gericht gebunden, ohne daß es die vom Kläger behaupteten Gesetzwidrigkeiten bei seinem Zustandekommen prüfen könne. Damit sei Josef M offensichtlich iS des § 4 Abs 1 lit d leg cit die Bewilligung zur Erteilung von Schiunterricht an Private mit der Berechtigung zur Führung einer Schischule, uzw als einzigem der an der SchischuleG tätigen Schilehrer, erteilt worden. Er stellte demnach gleichzeitig "die Leitung der Schischule" und "den Leiter der Schischule" (§ 5 des Gesetzes) dar. Daher sei er nicht nur zur Erlassung einer Betriebsordnung, sondern auch zur Bestellung der erforderlichen Zahl von Schilehrern und Hilfsschilehrern befugt und dafür verantwortlich, daß an der Schule nur Schilehrer mit behördlicher Bewilligung nach § 4 Abs 1 lit a des Gesetzes oder bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 4 Abs 5 nach Abs 1 lit b und nur Hilfsschilehrer mit behördlicher Bescheinigung nach § 9 angestellt werden. Hieraus folge, daß Josef M nicht verpflichtet war und sei, den Kläger anzustellen. Ebensowenig sei er verpflichtet, gegenüber dem Amt der Vorarlberger Landesregierung die Erklärung abzugeben, daß der Mitarbeiter des Klägers an der Schischule zugestimmt werde. Eine solche Verpflichtung ergebe sich auch nicht daraus, daß der Kläger seit vielen Jahren an der Schischule als Schilehrer und Winterbergführer tätig gewesen sei und neben einem Taggeld einen Gewinnanteil bezogen habe. Wenn diese Umstände auch dafür sprächen, daß die Schischule G eine Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht sei, so seien doch Fragen der Organisation, wie sie § 5 SchischulenG enthalte, durch dieses Gesetz der privatrechtlichen Regelung entzogen. Der Kläger könne daher nicht verlangen, daß Josef M ihn als Schilehrer anstelle und seine Mitarbeit dulde. Noch weniger könne er dies von den anderen Beklagten verlangen, die in Organisationsangelegenheiten nach § 5 des Gesetzes nichts zu reden hätten. Der Anspruch, dessen Sicherung der Kläger anstrebe, lasse sich aus seinen Behauptungen nicht ableiten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers teilweise Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß er unter Einbeziehung des bestätigten Teiles zu lauten habe:

"Zur Sicherung des Anspruches des Klägers wider die Beklagten auf Mitarbeit in der Schischule G wird den Beklagten geboten, die Mitarbeit des Klägers in der Schischule G zu dulden.

Dem Viertbeklagten wird weiters aufgetragen, dieser Mitarbeit zuzustimmen.

Die einstweilige Verfügung wird erst wirksam, wenn der Kläger für die den Beklagten hieraus drohenden Nachteile eine Sicherheit von S 10.000.- leistet.

Die einstweilige Verfügung gilt, bis der Kläger seinen Anspruch durch Zwangsvollstreckung geltend machen kann, längstens aber bis 30. 4. 1972.

Hingegen wird der weitere Antrag der Klägers, auch den übrigen Beklagten (mit Ausnahme des Viertbeklagten) zu gebieten, unverzüglich seiner Mitarbeit in der Schischule G zuzustimmen, und allen Beklagten zu gebieten, seiner Mitarbeit gegenüber dem Amt der Vorarlberger Landesregierung zuzustimmen, abgewiesen ..".

Hiezu führte das Rekursgericht folgendes aus:

Gemäß § 1 Vorarlberger SchischulenG bedürfe die Errichtung und Führung von Schischulen durch Private sowie die Erteilung von Schiunterricht durch Private der behördlichen Bewilligung. Hiedurch wolle sich die Behörde, ähnlich wie in der GewO, nur einen bestimmten Einfluß sichern, während ansonsten privatrechtlichen Initiativen Spielraum gelassen werde. Auch aus den vom Pflichtverband der Vorarlberger Schilehrer erlassenen und von der Behörde genehmigten Satzungen seien Schischulen selbständige Unternehmungen. Auch die frühere Betriebsordnung der Schischule G beginne mit der Feststellung, daß diese ein selbständiges, unabhängiges Unternehmen sei.

Die vom Kläger vorgelegten Urkunden ergäben wesentliche Elemente eines Erwerbsunternehmens auf gesellschaftlicher Grundlage: Die Schilehrer hätten sich vor vielen Jahren zu einem gemeinsamen Ziel zusammengeschlossen; sie seien übereingekommen, was jeder Schilehrer pro Tag erhalte und daß aus den übersteigenden Erträgnissen ein "Topf" gebildet werde, der am Saisonende nach einem gewissen Punktesystem verteilt werde. Die geprüften Schilehrer hätten ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt, aber auch die Höhe der täglichen Vorauszahlung, die Gewinnverteilung, die Aufnahme neuer Schilehrer sowie die Anstellung und Entlohnung der Hilfsschilehrer bestimmt. Es bestehe noch ein gemeinsames, zu verteilendes Kapital. Damit habe der Kläger alle wesentlichen Punkte einer Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht, aber auch daß er deren Gesellschafter sei, bescheinigt.

Der Zweck dieser Gesellschaft habe sich zwar auf die Wintermonate beschränkt, dennoch habe sie sich nicht jedes Jahr aufgelöst, sondern habe auf unbestimmte Zeit fortgewirkt. Ein Ausschluß des Klägers nach § 1210 ABGB sei nicht behauptet worden. Dem Kläger stehe daher der Anspruch auf Mitwirkung in der Schischule im Rahmen der übernommenen Verpflichtungen (und nicht nur die Verpflichtung zur Mitwirkung) zu. Diese hätten alle Beklagten zu dulden.

Da die Verwaltungsbehörde ihre ursprüngliche Forderung, die Erteilung der Bewilligung nach § 4 lit a SchischulenG von der Zustimmung des Schischulleiters abhängig zu machen, fallengelassen habe und dem Kläger die Bewilligung ausgestellt habe, sei diesbezüglich das Sicherungsinteresse des Klägers weggefallen. Der Mitarbeit des Klägers zuzustimmen, sei nur der Viertbeklagte als von der Verwaltungsbehörde bestellter Leiter der Schischule verpflichtet.

Nach Lage der Umstände sei die Erlassung der einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheit in der vom Kläger selbst angebotenen Höhe von S 10.000.- abhängig zu machen. Diese sei ausreichend, zumal die Interessen der Beklagten durch die Bestimmung des § 1210 ABGB geschützt seien.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekursen der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, die Beklagten hätten einen Ausschluß des Klägers nach § 1210 ABGB nicht einmal behauptet, ist keineswegs aktenwidrig. Weder das dagegen ins Treffen geführte Rekursvorbringen, das obstruktive Verhalten des Klägers würde einen geregelten Schischulbetrieb verhindern und ihn schließlich zum Erliegen bringen, noch das weitere Vorbringen, der Schischulleiter Josef M habe den Kläger in der Schischule nicht mehr tätig werden lassen und alle wie immer gearteten vertraglichen Bindungen mit ihm gelöst, enthalten eine solche Behauptung. Die Ausschließung ist ein Gestaltungsrecht, das, wenn der Vertrag nichts anderes vorsieht - was hier nicht der Fall ist -, nur von der Gesamtheit der übrigen Mitglieder ausgeübt werden kann. Weder ein einzelnes Mitglied, und sei es auch in organisatorischer Hinsicht der Leiter der Schischule, noch die Mehrheit sind berechtigt, ein Mitglied auszuschließen. Vielmehr müssen alle Gesellschafter bis auf den auszuschließenden einig sein (Wahle in Klang[2] V 665). Die Meinung des Rekursgerichtes, eine Ausschließung des Klägers sei nicht einmal behauptet worden, ist somit völlig zutreffend.

Dem Rekursgericht ist aber auch darin beizupflichten, daß die Schischule G mit Rücksicht auf den festgestellten Sachverhalt als Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes zu qualifizieren ist. Richtig ist auch, daß das Vorarlberger SchischulenG (LGBl 1969/7) ähnlich wie die GewO nur dazu dient, der Verwaltungsbehörde die Möglichkeit einer gewissen Einflußnahme auf den Schischulbetrieb zu sichern. So kann die Verwaltungsbehörde nach § 5 Abs 2 des Gesetzes dann, wenn innerhalb der gem Abs 1 aus den Lehrern bestehenden "Leitung" der Schischule keine Zweidrittelmehrheit über die Person des "Leiters" zustande kommt, einen solchen, aber nur für die Dauer eines Jahres, bestellen, wie sie es im vorliegenden Fall getan hat. Die im Revisionsrekurs vertretene Meinung, ein derartig bestellter Schulleiter sei ohne Rücksicht auf die Bestimmung des 27. HptSt des ABGB berechtigt, Mitglieder der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft auszuschließen, ist abzulehnen. Wie weit der "Leiter" der Schischule sonstige vorübergehend angestellte Schilehrer oder Hilfsschilehrer entlassen kann, ist hier nicht zu prüfen. Der Ausschluß von Mitgliedern der Erwerbsgesellschaft fällt jedenfalls nicht in seinen Machtbereich.

Den Rekurswerbern kann auch nicht darin gefolgt werden, daß die Bindung der Gesellschafter immer nur für einen Winter bestand. Wenngleich der Betrieb der Schischule naturgemäß auf den Winter beschränkt ist, weist doch der auf unbestimmte Zeit gerichtete Zweck der Gesellschaft, die vielfach gleichbleibenden Mitglieder und das vom Rekursgericht festgestellte, über die Saison hinaus verbliebene Gesellschaftskapital auf eine Gesellschaft von unbestimmter Dauer hin.

Vergebens wird auch die Gefährdung des als bescheinigt angesehenen Anspruchs des Klägers bekämpft, da feststeht, daß ihm infolge des Verhaltens der Beklagten schon in der vergangenen Saison die Möglichkeit der Mitarbeit und damit des Verdienstes genommen wurde, und die gleiche Gefahr auch für den kommenden Winter besteht. Soweit der erste, fünfte und sechste Beklagte einwenden, sie seien zwar nicht der Rechtsansicht des Klägers, hätten aber keinen Einfluß auf das Vorgehen des Josef M, sie würden daher den vermeintlichen Anspruch des Klägers nur dann gefährden, wenn ein dem Kläger nachteiliger Mehrheitsbeschluß vorliege, was nicht der Fall sei, sind sie auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes zu verweisen, daß sie durch ihre auch im Revisionsrekurs zugegebene Weigerung, eine Mitwirkung des Klägers in der Schischule zu dulden und das Vorliegen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes anzuerkennen, ein Mitspracherecht des Klägers bei allen Angelegenheiten der Erwerbsgesellschaft, insbesondere bei der Gewinnverteilung, wie auch seine Verdienstmöglichkeit im Rahmen der Schischule unterbinden.

Die vom Rekursgericht bestimmte Sicherheitsleistung ist angemessen. Zutreffend hat das Rekursgericht auf die Möglichkeit der Beklagten verwiesen, gegen den Kläger gem § 1210 ABGB vorzugehen, falls durch seine weitere Mitwirkung tatsächlich - wie sie behaupten - der Schischulbetrieb gefährdet bzw lahmgelegt wird.