JudikaturJustiz5Ob126/86

5Ob126/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Gamerith, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Grundbuchsrichtigstellungssache betreffend die Einverleibung von Dienstbarkeiten auf der Liegenschaft EZ 621 KG Sattendorf zugunsten des Dr. Heinz B***, Pensionist, Eschenbachstraße 36, D-6000 Frankfurt/Main, Bundesrepublik Deutschland, und des Fritz B***, Pensionist, Tafernerstraße 38, 9500 Villach, beide vertreten durch Dr. Dieter Poßnig, Rechtsanwalt in Villach, als Eigentümer der Liegenschaft EZ 97 KG Sattendorf, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin R*** Ö*** (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft - Bundeswasserbauverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 16. April 1986, GZ 2 R 178/86-19, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 26.Feber 1986, GZ 1 Nc 2684/85-15, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Im Richtigstellungsverfahren zur Einbücherung des öffentlichen Gutes auf Antrag der R*** Ö***, wonach unter anderem das Grundstück 514 See der KG Sattendorf (als Seefläche des Ossiacher-Sees öffentliches Wassergut) in das Grundbuch aufgenommen und der im Eigentum der Antragstellerin stehenden Liegenschaft EZ 621 KG Sattendorf zugeschrieben werden soll, meldeten die Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 97 KG Sattendorf Dr. Heinz B*** und Fritz B*** nach § 39 Abs.1 lit.b AllgGAG das Dienstbarkeitsrecht der Errichtung, Erhaltung und Benützung eines Bootsunterstandes samt zwei Badestegen auf dem Grundstück 514 See als dienendem Gut zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ 97 KG Sattendorf als dem herrschenden Gut an, ohne nach § 44 Abs.2 AllgGAG anzuführen, worauf sich das angemeldete Recht gründet und ohne hierüber vorhandene Urkunden mit der Anmeldung vorzulegen.

Das Erstgericht ordnete mit Beschluß vom 3.7.1985, GZ 1 Nc 2663/82-8, die Einverleibung dieser Dienstbarkeit nach § 45

AllgGAG an.

Innerhalb der vom Oberlandesgericht nach § 46 Abs.2 AllgGAG bestimmten Frist erhob die R*** Ö*** gegen die Eintragung des Belastungsrechtes Widerspruch. Nach dem eigenen Vorbringen der Gegner sei ihr Verlangen nach bücherlicher Eintragung der Dienstbarkeit unberechtigt, weil eine Abschlagszahlung nur ein obligarotisches Recht begründen könne und die Ersitzung eines dinglichen Rechts nach § 4 Abs.5 WRG ausgeschlossen sei. Das Erstgericht verfügte die Anmerkung des Widerspruches, ordnete nach § 47 Abs.2 AllgGAG die Verhandlung mit den Beteiligten an und bestimmte, weil bei dieser Verhandlung eine Einigung der Beteiligten nicht erzielt wurde und Urkunden über das Recht der Dienstbarkeit nicht vorgelegt wurden, daß die Eigentümer des herrschenden Gutes den Rechtsweg zu betreten haben. Zugleich wurde eine dreimonatige Frist zur Erhebung der Klage festgesetzt. Das Recht sei ohne urkundlichen Nachweis bloß auf die Anmeldung hin eingetragen und müsse erst nachgewiesen werden.

Gegen diesen Beschluß erhoben die auf den Rechtsweg gewiesenen Dr. Heinz B*** und Fritz B*** Rekurs. Ihre angemeldeten und eingetragenen Belastungsrechte könnten schon ihrer Natur nach nicht durch verbücherungsfähige Urkunden nachgewiesen werden, die Klägerrolle sei der antragstellenden R*** Ö*** zuzuteilen, weil sie eine Änderung des durch die Anmeldung herbeigeführten Buchstandes anstrebe.

Das Rekursgericht gab diesem Rekurs Folge. Es hob den erstrichterlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Gesetz bestimme nicht, wer als Kläger aufzutreten habe, sondern überlasse dies dem Gericht. Es könne als allgemeiner Grundsatz zwar gelten, daß die Partei als Kläger aufzutreten habe, die eine Änderung des infolge der Anmeldung herbeigeführten Grundbuchsstandes verlange. Sei aber das Recht ohne urkundliche Grundlage bloß auf die Anmeldung hin eingetragen, müßten die Anmeldenden ihr Recht erst nachweisen und als Kläger auftreten, es sei denn, der Besitz der angesprochenen Rechte sei festgestellt. In diesem Fall müsse der Eigentümer des belasteten Gutes Klage erheben. Das Vorbringen der Gegner enthalte die Behauptung, daß sie sich im Besitz der angemeldeten Dienstbarkeitsrechte befinden. Sollte sich feststellen lassen, daß sie die behaupteten Dienstbarkeitsrechte seit längerer Zeit ausüben und sich im Besitz des Rechts befinden, hätten sie die Vermutung eines gültigen Titels für sich (§ 323 ABGB) und müßten vom Eigentümer, der die Freiheit von der Belastung behaupte, geklagt werden. Bleibe allerdings ihr Besitz strittig, hätten die Gegner, die die Dienstbarkeit behaupten, den Rechtsweg zu beschreiten. Das Erstgericht werde die Rollen im Prozeß nach Ergänzung der Verhandlung über die Frage des Besitzes des angemeldeten Dienstbarkeitsrechtes zu verteilen haben.

Mit ihrem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß strebt die Antragstellerin die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses an.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist zulässig, weil sich die Anfechtung der Beschlüsse im Richtigstellungsverfahren nach den Grundsätzen des Verfahrens außer Streitsachen richtet (§ 62 AllgGAG) und nach § 14 Abs.1 AußStrG der Rekurs gegen Aufhebungsbeschlüsse der zweiten Instanz ohne weitere Voraussetzungen stattfindet (JB 203; EFSlg.47.126 ua.). Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt. Anders als nach § 41 Abs.1 AllgGAG, wonach bei der Anmeldung einer die Eigentums- oder Besitzverhältnisse betreffenden Eintragung nach § 39 Abs.1 lit.a AllgGAG mangels einer Einigung die Beteiligten auf den Rechtsweg zu verweisen sind, die die Änderung einer Eintragung begehren, überläßt es § 47 Abs.3 AllgGAG dem Gericht, mangels einer Einigung über den gegen die Eintragung eines Belastungsrechtes angemeldeten Widerspruches zu bestimmen, welche der Parteien, deren Ansprüche nach dem Ergebnis der Verhandlung sich gegenüberstehen, den Rechtsweg zu betreten habe. Die Regelung folgt inhaltsgleich und fast wörtlich der nach § 15 Abs.3 des Gesetzes vom 25.7.1871 über das im Falle der Anlegung, Ergänzung, Wiederherstellung oder Änderung von Grund- oder Bergbüchern zum Zwecke der Richtigstellung derselben einzuleitende Verfahren RGBl 1871/96. Auch aus dieser Bestimmung ließ sich nicht entnehmen, in welchem Falle der einen oder der anderen Partei die Klägerrolle zuzuteilen ist, wenn es um die Eintragung eines Belastungsrechtes nach § 7 Abs.1 lit.b des Gesetzes RGBl 1871/96 und den dagegen erhobenen Widerspruch ging. Der Oberste Gerichtshof verwies nach § 15 Abs.3 des Gesetzes RGBl 1871/96 den Eigentümer eines dienstbaren Gutes mit seinem Widerspruch gegen ein angemeldetes Fischereirecht auf den Rechtsweg, weil er als richtig anerkannt hatte, daß das Fischereirecht seit längerer Zeit ausgeübt wird, sich also der Dienstbarkeitsberechtigte unbestritten im Besitz des angemeldeten Anspruches befinde, die rechtliche Vermutung eines gültigen Titels für sich habe und zur Angabe desselben nach den §§ 323 und 324 ABGB nicht aufgefordert werden dürfe. Der die Eigentumsfreiheit behauptende Beteiligte müsse klagen, weil dem Besitzer im Zweifel der Vorzug gebühre (GlU 13.402). Diese Rechtsansicht wurde auch in der Folge in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 25.2.1914, ZBl 1914/216, aufrecht gehalten, dort allerdings angenommen, daß der letzte Besitz der eine Wegedienstbarkeit behauptenden Gemeinden nicht erwiesen sei. Ihnen obliege daher der Nachweis des Erwerbs und der Ersitzung des Dienstbarkeitsrechtes dem Eigentümer gegenüber, weil ihr Besitz strittig sei und der Eigentümer die Unbeschränktheit seines Eigentums behauptet habe. In der Entscheidung vom 19.2.1931, NZ 1931, 118, meinte der Oberste Gerichtshof schließlich zu dem nach § 1 der Ministerialverordnung vom 9.8.1927, BGBl 248, anzuwendenden § 15 des Gesetzes RGBl 1871/96, es sei ein allgemeiner Grundsatz, die Klägerrolle dem Beteiligten zuzuweisen, der eine Änderung des durch die Anmeldung herbeigeführten Grundbuchsstandes anstrebe, und nur in dem Falle, daß das Recht ohne urkundliche Grundlage eingetragen wurde, dem Anmeldenden. Der Oberste Gerichtshof berief sich auf Bartsch, Grundbuchsgesetz 6 , 622). Bartsch (Grundbuchsgesetz 7 , 689) gibt die Rechtsmeinung mit dem Hinweis auf die jüngste Entscheidung NZ 1931, 118, wieder und meint nun, es könne als allgemeiner Grundsatz gelten, daß als Kläger aufzutreten habe, der eine Änderung des infolge der Anmeldung herbeigeführten Buchstandes anstrebe. Sei das Recht ohne urkundliche Grundlage bloß auf die Anmeldung hin eingetragen worden, werde der Anmelder als Kläger zu bestimmen sein, weil er sein Recht erst nachweisen müsse. Sei aber der Besitz des angesprochenen Rechtes festgestellt, habe der Eigentümer des Gutes als Kläger aufzutreten.

Während dem § 323 ABGB mangels einer "Aufforderungsklage" des früheren Prozeßrechtes in dem seit dem Inkrafttreten der Zivilprozeßordnung geltenden Verfahrensrecht nur noch beschränkte Bedeutung zukommt, wendet § 324 ABGB den Gedanken des § 323 ABGB, daß der Besitzer einer Sache die rechtliche Vermutung eines gültigen Titels für sich hat (und zur Angabe desselben nicht aufgefordert werden kann), auf den Rechtsbesitz an. Der nach § 523 ABGB klagende Eigentümer hat daher den Nichtbestand des tatsächlich ausgeübten Belastungsrechtes nachzuweisen. Dieses Prinzip liegt etwa auch der Regelung nach § 25 Abs.1 AllgGAG zugrunde, wonach der letzte tatsächliche Besitz zu ermitteln und im Grundbuchsanlegungsverfahren maßgebend ist, wenn die von den Parteien aufgestellten Behauptungen oder Ansprüche nicht in überzeugender Weise dargetan werden können (Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 324).

Es ist daher dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß bei der nach § 47 Abs.2 AllgGAG nach Erhebung des Widerspruchs gegen die Eintragung eines Belastungsrechtes mit den Beteiligten abzuführenden Verhandlung auch die Frage des Besitzes des strittigen Rechtes zu erörtern ist und darüber Feststellungen geboten sind. Es genügt nicht, daß der Widerspruchswerber das Recht und dessen Besitz bestreitet. Das Rekursgericht ging davon aus, daß das Vorbringen der Anmelder die Behauptung umschloß, sie befänden sich im Besitz der geltend gemachten Dienstbarkeit. Daß die Antragstellerin dies bestreitet, macht den Besitz selbst noch nicht zu einem strittigen. Es wird daher erforderlich sein, die Gegner zu näheren Angaben über ihren Besitz anzuhalten und die zur Aufklärung der Sache dienlichen Erhebungen vorzunehmen, damit festgestellt werden kann, ob die Gegner Besitzer des Dienstbarkeitsrechtes sind, weil ihnen dann nach § 324 ABGB im Zweifel gegenüber der die Freiheit ihres Eigentums von dem Belastungsrecht behauptenden Antragstellerin der Vorzug gebührt. Sollte sich aber ergeben, daß nach darüber abgeführter Verhandlung ein Besitz der Dienstbarkeitsberechtigten nicht erwiesen oder zweifelhaft ist, wird neuerlich mit der (allerdings unter Außerachtlassung der Frage des Besitzes vom Erstgericht vorgenommenen) Bestimmung der die Dienstbarkeit bloß behauptenden Anmelder, die keine Urkunden beibringen konnten, den Rechtsweg zu beschreiten, vorzugehen sein. Dies gilt auch, wenn bloß ein faktischer Zustand aber kein Rechtsbesitz dargetan wird (RZ 1960, 29). Dabei wird im außerstreitigen Verfahren das Ergebnis des mangels Einigung nicht vermeidbaren Rechtsstreites nicht vorweg genommen werden können und auch die Vorschrift des § 4 Abs.5 WRG zu beachten sein, wonach ein dingliches Recht am öffentlichen Wassergut nach dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes (1.11.1934) durch Ersitzung nicht mehr erworben werden kann. Der Ossiacher See ist nach Punkt 2 lit.b des Anhanges A zum Wasserrechtsgesetz öffentliches Gewässer und das dienende Grundstück öffentliches Wassergut nach § 4 Abs.1 WRG. Dies kann bei der Ermittlung der Besitzverhältnisse bedeutsam sein (vgl. SZ 56/111) und die Vorzugsstellung des Besitzers nehmen, weil dann der Besitz des Dienstbarkeitsrechtes zweifelhaft sein kann.

Dazu reicht es aber noch nicht aus, daß die Eigentümerin des öffentlichen Wassergutes den Besitz des angemeldeten Rechtes im Richtigstellungsverfahren bestreitet, weil es auf die tatsächliche Besitzausübung ankommen kann.

Der Ergänzungsauftrag des Rekursgerichtes beruht also nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Der Besitzer eines Belastungsrechtes genießt den Vorteil, daß erst sein Gegner das Nichtbestehen des ausgeübten Rechtes behaupten und beweisen muß. Fehlt es aber am Besitz, dann hat die Klägerrolle dem das Belastungsrecht Behauptenden zuzufallen, wenn er einen urkundlichen Nachweis seines Rechtes nicht erbringen kann. Die Ansicht der Gegner, sie könnten deshalb nicht auf den Rechtsweg gewiesen werden, weil die Antragstellerin eine Änderung der Eintragung anstrebe, verkennt, daß diese Rollenverteilung im § 41 Abs.1 AllgGAG vorgezeichnet ist, der aber nur die Behandlung von Ansprüchen auf Änderung der die Eigentums- oder Besitzverhältnisse betreffenden Eintragungen nach § 39 Abs.1 lit.a AllgGAG, nicht aber das Verfahren bei Vorliegen des Widerspruches gegen die Eintragung eines Belastungsrechtes regelt. Hier kommt nur in Betracht, daß der Widerspruchswerber Klage gegen den im Rechtsbesitz befindlichen Beteiligten zu erheben oder aber mangels Nachweis des Rechtsbesitzes der das Belastungsrecht Behauptende gegen den Eigentümer des dienenden Gutes als Kläger aufzutreten hat.

Darüber kann vor Vorliegen des Ergebnisses der vor dem Erstgericht zu erneuernden Verhandlung noch nicht abschließend entschieden werden.

Dem Rekurs der Antragstellerin gegen den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz ist daher nicht stattzugeben.