JudikaturJustiz5Ob125/86

5Ob125/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Gamerith, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Grundbuchsrichtigstellungssache betreffend die Einverleibung von Dienstbarkeitsrechten in der Liegenschaft EZ 621 KG Sattendorf zugunsten der Agnes K***, Pensionistin, und der Edith K***, Fremdenpensionsinhaberin, beide 9520 Annenheim, Seeuferstraße 11, beide vertreten durch Dr. Dieter Poßnig, Rechtsanwalt in Villach, als Eigentümer der Liegenschaft EZ 46 KG Sattendorf, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin R*** Ö***, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft-Bundeswasserbauverwaltung, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 16. April 1986, GZ 2 R 177/86-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 26.Februar 1986, GZ 1 Nc 2683/85-12, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Im Richtigstellungsverfahren zur Einbücherung des öffentlichen Gutes auf Antrag der R*** Ö***, wonach unter anderem die Grundstücke 514 See und 502/1 See je der KG Sattendorf (als Seefläche des Ossiacher-Sees öffentliches Wassergut) in das Grundbuch der KG Sattendorf aufgenommen und der im Eigentum der Antragstellerin stehenden Liegenschaft EZ 621 KG Sattendorf zugeschrieben werden soll, meldeten die Antragsgegner als Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 46 KG Sattendorf das Dienstbarkeitsrecht der Errichtung, Erhaltung und Benützung zweier Badeplattformen (Badestege) auf dem Grundstück 502/1 See als dienendem Gut zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ 46 KG Sattendorf als dem herrschenden Gut an; diese Dienstbarkeit hätten sie durch - vor dem 1.November "1984" vollendete - Ersitzung erworben. Urkunden dazu wurden nicht vorgelegt.

Das Erstgericht ordnete mit Beschluß vom 3.7.1985, GZ 1 Nc 2663/82-6, die Einverleibung dieser Dienstbarkeit nach § 45

AllgGAG an.

Innerhalb der vom Oberlandesgericht Graz mit Beschluß vom 24.9.1985, Nc 17/84, bis 31.1.1986 festgesetzten Frist wurde von der R*** Ö*** als Eigentümerin des öffentlichen Wassergutes gegen diese Dienstbarkeitseintragung Widerspruch erhoben und im wesentlichen eingewendet, daß die Antragsgegner für die von ihnen behaupteten Rechte keinen tauglichen Titel anführen könnten. Eine Ersitzung liege nicht vor.

Bei der zur Verhandlung über diesen Widerspruch angesetzten Tagsatzung kam es zwischen den Beteiligten zu keiner Einigung. Mit Beschluß vom 26.2.1986, 1 Nc 2683/85-12, wurden die Antragsgegner mit ihrem Begehren um Einverleibung der von ihnen behaupteten Dienstbarkeit auf dem Grundstück 502/1 See zugunsten der jeweiligen Eigentümer der EZ 46 KG Sattendorf unter Zuteilung der Klägerrolle auf den Rechtsweg verwiesen und ihnen zur Einbringung der Klage eine Frist von drei Monaten eingeräumt, widrigenfalls die bereits vorgenommene Eintragung von Amts wegen gelöscht würde. Die Zuteilung der Klägerrolle an die Antragsgegner begründete das Erstgericht damit, daß die Eintragung des Belastungsrechtes aufgrund der Anmeldung der Antragsgegner ohne urkundliche Grundlage erfolgt sei, die Antragsgegner das angesprochene Recht daher erst nachzuweisen hätten (Bartsch, Grundbuchsrecht 7 , 689). Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Antragsgegner Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Rechtlich führte das Rekursgericht im wesentlichen folgendes aus:

Vorschriften darüber, nach welchen kriterien die im § 47 Abs.3 AllgGAG vorgesehene Zuweisung der Klägerrolle zu erfolgen habe, enthielte das Gesetz selbst nicht. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (Bartsch 6 689; NZ 1930, 89; NZ 1931/118; ZBl 1914/216; GlU 13.402), könne in dieser Richtung als allgemeiner Grundsatz gelten, daß demjenigen die Klägerrolle zuzuweisen sei, der eine Änderung des infolge der Anmeldung herbeigeführten Grundbuchsstandes anstrebe; in den Fällen jedoch, in denen das Recht ohne urkundliche Grundlage bloß auf die Anmeldung hin eingetragen worden sei, würden aber die Anmeldenden als Kläger zu bestimmen sein, da sie das angesprochene Recht erst nachzuweisen hätten. Sei aber der Besitz des angesprochenen Rechtes festgestellt, dann habe wiederum der Eigentümer des Gutes als Kläger aufzutreten (vgl GlU 13.402). Daß die angemeldeten Dienstbarkeitsrechte ohne urkundliche Grundlage einverleibt worden seien, habe also für die Zuteilung der Klägerrolle dann keine entscheidende Bedeutung, wenn feststehe, daß die behaupteten Dienstbarkeitsrechte von den Antragsgegnern seit längerer Zeit ausgeübt worden seien und sich diese im Besitz des angemeldeten Anspruchs befänden; denn als Besitzer hätten sie nach § 323 ABGB die rechtliche Vermutung eines gültigen Titels für sich, sodaß im Zweifel den Besitzern der Vorzug gebühre und der die Freiheit seines Eigentums behauptende Gegner sein vermeintlich stärkeres Recht darzutun habe (GlU 13.402); bleibe allerdings der Besitz der angemeldeten Rechte strittig, dann wären die ein Dienstbarkeitsrecht Behauptenden auf den Rechtsweg zu verweisen (ZBl 1914/216). Obwohl das Vorbringen der Antragsgegner auf Grund des Hinweises auf die vollendete Ersitzung die Behauptung enthalte, daß sie sich im Besitz der angemeldeten Dienstbarkeitsrechte befänden, habe das Erstgericht dazu keine weiteren Beweise, etwa durch Vernehmung der Beteiligten oder Vornahme eines Ortsaugenscheins, aufgenommen und keine Feststellungen getroffen, aus denen die Frage des Besitzes der angemeldeten Dienstbarkeitsrechte beantwortet werden könnte. Das Verfahren sei daher mangelhaft geblieben, weshalb dem Rekurs Folge zu geben gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, mit dem die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses angestrebt wird. Das Rechtsmittel ist zulässig, weil sich die Anfechtung der Beschlüsse im Richtigstellungsverfahren nach den Grundsätzen des Verfahrens außer Streitsachen richtet (§ 62 AllgGAG) und nach § 14 Abs.1 AußStrG der Rekurs gegen Aufhebungsbeschlüsse der zweiten Instanz ohne weitere Voraussetzungen stattfindet (JB 203; EFSlg.47.126 ua.). Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt. Anders als nach § 41 Abs.1 AllgGAG, wonach bei der Anmeldung einer die Eigentums- oder Besitzverhältnisse betreffenden Eintragung nach § 39 Abs.1 lit.a AllgGAG mangels einer Einigung die Beteiligten auf den Rechtsweg zu verweisen sind, die die Änderung einer Eintragung begehren, überläßt es § 47 Abs.3 AllgGAG dem Gericht, mangels einer Einigung über den gegen die Eintragung eines Belastungsrechtes angemeldeten Widerspruches zu bestimmen, welche der Parteien, deren Ansprüche nach dem Ergebnis der Verhandlung sich gegenüberstehen, den Rechtsweg zu betreten habe. Die Regelung folgt inhaltsgleich und fast wörtlich der nach § 15 Abs.3 des Gesetzes vom 25.7.1871 über das im Falle der Anlegung, Ergänzung, Wiederherstellung oder Änderung von Grund- oder Bergbüchern zum Zwecke der Richtigstellung derselben einzuleitende Verfahren RGBl 1871/96. Auch aus dieser Bestimmung ließ sich nicht entnehmen, in welchem Falle der einen oder der anderen Partei die Klägerrolle zuzuteilen ist, wenn es um die Eintragung eines Belastungsrechtes nach § 7 Abs.1 lit.b des Gesetzes RGBl 1871/96 und den dagegen erhobenen Widerspruch ging. Der Oberste Gerichtshof verwies nach § 15 Abs.3 des Gesetzes RGBl 1871/96 den Eigentümer eines dienstbaren Gutes mit seinem Widerspruch gegen ein angemeldetes Fischereirecht auf den Rechtsweg, weil er als richtig anerkannt hatte, daß das Fischereirecht seit längerer Zeit ausgeübt wird, sich also der Dienstbarkeitsberechtigte unbestritten im Besitz des angemeldeten Anspruches befinde, die rechtliche Vermutung eines gültigen Titels für sich habe und zur Angabe desselben nach den §§ 323 und 324 ABGB nicht aufgefordert werden dürfe. Der die Eigentumsfreiheit behauptende Beteiligte müsse klagen, weil dem Besitzer im Zweifel der Vorzug gebühre (GlU 13.402). Diese Rechtsansicht wurde auch in der Folge in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 25.2.1914, ZBl 1914/216, aufrecht gehalten, dort allerdings angenommen, daß der letzte Besitz der eine Wegedienstbarkeit behauptenden Gemeinden nicht erwiesen sei. Ihnen obliege daher der Nachweis des Erwerbs und der Ersitzung des Dienstbarkeitsrechtes dem Eigentümer gegenüber, weil ihr Besitz strittig sei und der Eigentümer die Unbeschränktheit seines Eigentums behauptet habe. In der Entscheidung vom 19.2.1931, NZ 1931, 118, meinte der Oberste Gerichtshof schließlich zu dem nach § 1 der Ministerialverordnung vom 9.8.1927, BGBl 248, anzuwendenden § 15 des Gesetzes RGBl 1871/96 es sei ein allgemeiner Grundsatz, die Klägerrolle dem Beteiligten zuzuweisen, der eine Änderung des durch die Anmeldung herbeigeführten Grundbuchsstandes anstrebe, und nur in dem Falle, daß das Recht ohne urkundliche Grundlage eingetragen wurde, dem Anmeldenden. Der Oberste Gerichtshof berief sich auf Bartsch, Grundbuchsgesetz 6 , 622). Bartsch (Grundbuchsgesetz 7 , 689) gibt die Rechtsmeinung mit dem Hinweis auf die jüngste Entscheidung NZ 1931, 118, wieder und meint nun, es könne als allgemeiner Grundsatz gelten, daß als Kläger aufzutreten habe, der eine Änderung des infolge der Anmeldung herbeigeführten Buchstandes anstrebe. Sei das Recht ohne urkundliche Grundlage bloß auf die Anmeldung hin eingetragen worden, werde der Anmelder als Kläger zu bestimmen sein, weil er sein Recht erst nachweisen müsse. Sei aber der Besitz des angesprochenen Rechtes festgestellt, habe der Eigentümer des Gutes als Kläger aufzutreten.

Während dem § 323 ABGB mangels einer "Aufforderungsklage" des früheren Prozeßrechtes in dem seit dem Inkrafttreten der Zivilprozeßordnung geltenden Verfahrensrecht nur noch beschränkte Bedeutung zukommt, wendet § 324 ABGB den Gedanken des § 323 ABGB, daß der Besitzer einer Sache die rechtliche Vermutung eines gültigen Titels für sich hat (und zur Angabe desselben nicht aufgefordert werden kann), auf den Rechtsbesitz an. Der nach § 523 ABGB klagende Eigentümer hat daher den Nichtbestand des tatsächlich ausgeübten Belastungsrechtes nachzuweisen. Dieses Prinzip liegt etwa auch der Regelung nach § 25 Abs.1 AllgGAG zugrunde, wonach der letzte tatsächliche Besitz zu ermitteln und im Grundbuchsanlegungsverfahren maßgebend ist, wenn die von den Parteien aufgestellten Behauptungen oder Ansprüche nicht in überzeugender Weise dargetan werden können (Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 324).

Es ist daher dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß bei der nach § 47 Abs.2 AllgGAG nach Erhebung des Widerspruchs gegen die Eintragung eines Belastungsrechtes mit den Beteiligten abzuführenden Verhandlung auch die Frage des Besitzes des strittigen Rechtes zu erörtern ist und darüber Feststellungen geboten sind. Es genügt nicht, daß der Widerspruchswerber das Recht und dessen Besitz bestreitet. Das Rekursgericht ging davon aus, daß das Vorbringen der Anmelder die Behauptung umschloß, sie befänden sich im Besitz der geltend gemachten Dienstbarkeit. Daß die Antragstellerin dies bestreitet, macht den Besitz selbst noch nicht zu einem strittigen. Es wird daher erforderlich sein, die Gegner zu näheren Angaben über ihren Besitz anzuhalten und die zur Aufklärung der Sache dienlichen Erhebungen vorzunehmen, damit festgestellt werden kann, ob die Gegner Besitzer des Dienstbarkeitsrechtes sind, weil ihnen dann nach § 324 ABGB im Zweifel gegenüber der die Freiheit ihres Eigentums von dem Belastungsrecht behauptenden Antragstellerin der Vorzug gebührt. Sollte sich aber ergeben, daß nach darüber abgeführter Verhandlung ein Besitz der Dienstbarkeitsberechtigten nicht erwiesen oder zweifelhaft ist, wird neuerlich mit der (allerdings unter Außerachtlassung der Frage des Besitzes vom Erstgericht vorgenommenen) Bestimmung der die Dienstbarkeit bloß behauptenden Anmelder, die keine Urkunden beibringen konnten, den Rechtsweg zu beschreiten, vorzugehen sein. Dies gilt auch, wenn bloß ein faktischer Zustand aber kein Rechtsbesitz dargetan wird (RZ 1960, 29). Dabei wird im außerstreitigen Verfahren das Ergebnis des mangels Einigung nicht vermeidbaren Rechtsstreites nicht vorweg genommen werden können und auch die Vorschrift des § 4 Abs.5 WRG zu beachten sein, wonach ein dingliches Recht am öffentlichen Wassergut nach dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes (1.11.1934) durch Ersitzung nicht mehr erworben werden kann. Der Ossiacher See ist nach Punkt 2 lit.b des Anhanges A zum Wasserrechtsgesetz öffentliches Gewässer und das dienende Grundstück öffentliches Wassergut nach § 4 Abs.1 WRG. Dies kann bei der Ermittlung der Besitzverhältnisse bedeutsam sein (vgl. SZ 56/111) und die Vorzugsstellung des Besitzers nehmen, weil dann der Besitz des Dienstbarkeitsrechtes zweifelhaft sein kann.

Dazu reicht es aber noch nicht aus, daß die Eigentümerin des öffentlichen Wassergutes den Besitz des angemeldeten Rechtes im Richtigstellungsverfahren bestreitet, weil es auf die tatsächliche Besitzausübung ankommen kann.

Der Ergänzungsauftrag des Rekursgerichtes beruht also nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Der Besitzer eines Belastungsrechtes genießt den Vorteil, daß erst sein Gegner das Nichtbestehen des ausgeübten Rechtes behaupten und beweisen muß. Fehlt es aber am Besitz, dann hat die Klägerolle dem das Belastungsrecht Behauptenden zuzufallen, wenn er einen urkundlichen Nachweis seines Rechtes nicht erbringen kann. Die Ansicht der Gegner, sie könnten deshalb nicht auf den Rechtsweg gewiesen werden, weil die Antragstellerin eine Änderung der Eintragung anstrebe, verkennt, daß diese Rollenverteilung im § 41 Abs.1 AllgGAG vorgezeichnet ist, der aber nur die Behandlung von Ansprüchen auf Änderung der die Eigentums- oder Besitzverhältnisse betreffenden Eintragungen nach § 39 Abs.1 lit.a AllgGAG, nicht aber das Verfahren bei Vorliegen des Widerspruches gegen die Eintragung eines Belastungsrechtes regelt. Hier kommt nur in Betracht, daß der Widerspruchswerber Klage gegen den im Rechtsbesitz befindlichen Beteiligten zu erheben oder aber mangels Nachweis des Rechtsbesitzes der das Belastungsrecht Behauptende gegen den Eigentümer des dienenden Gutes als Kläger aufzutreten hat.

Darüber kann vor Vorliegen des Ergebnisses der vor dem Erstgericht zu erneuernden Verhandlung noch nicht abschließend entschieden werden.

Dem Rekurs der Antragstellerin gegen den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz ist daher nicht stattzugeben.