JudikaturJustiz5Nc26/22a

5Nc26/22a – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen von G*, vertreten durch Graf Isola Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. J*, vertreten durch Dr. Sabine C. M. Deutsch, Rechtsanwältin in Riegersburg, 2. D*, wegen 153.720,96 EUR sA, AZ 12 Cg 112/22d des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, wegen Ablehnung und Delegierung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Ablehnungsantrag wird insoweit zurückgewiesen, als er alle Richter des Oberlandesgerichts Graz betrifft.

Der Delegierungsantrag wird abgewiesen.

Zur Entscheidung über die Ablehnung aller Richter der Landesgerichte im Sprengel des Oberlandesgerichts Graz wird die Sache dem dafür zuständigen Oberlandesgericht Graz überwiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger macht gegenüber beiden Beklagten als zu 26 S 10/21x des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz im Konkursverfahren über das Vermögen von G* bestellter Masseverwalter Schadenersatzansprüche mit der Begründung geltend, sie hätten im gemeinschaftlichen und vorsätzlichen Zusammenwirken als Mittäter der Masse Vermögen von zumindest 153.720,96 EUR entzogen.

[2] In ihrer Klagebeantwortung vom 26. 9. 2022 beantragen die Beklagten die Delegierung an den Obersten Gerichtshof, „damit dieser prüfen kann, inwieweit hier tatsächlich welches Gericht mit diesem Verfahren betraut werden kann“. Begründet wird dies im Wesentlichen mit „Befangenheitsverfahren“ zweier – namentlich genannter – Richterinnen des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz. Überdies behaupten sie die „Befangenheit des Oberlandesgerichtss prengels Graz“, zumal der Präsident und Vizepräsident des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz die Zweitbeklagte „zum Abschuss“ freigegeben hätten. A bgesehen von drei Ausnahmen seien sämtliche Anträge, Rechtsmittel oder sonstige Schriftsätze der Zweitbeklagten von der Richterschaft des Oberlandesgerichtss prengels Graz ab und/oder zurückgewiesen worden, die Zweitbeklagte habe überdies „en masse“ Disziplinar anzeigen seitens der Richterschaft erhalten. Das Oberlandegericht Graz selbst „trage dafür Sorge aufzuzeigen, dass es gegenüber den Beklagten befangen und es unmöglich sei hier noch einen unabhängigen Richter in diesem Sprengel zu finden“.

[3] Die zuständige Verhandlungsrichterin legte den Ablehnungsantrag dem Ablehnungssenat des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vor.

[4] D essen Vorsitzender legte den Delegierungs und Ablehnungsantrag – der sich auf alle Richter des Oberlandesgerichts Graz beziehe – dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

[5] Der Ablehnungsantrag ist (im bezeichneten Umfang) zurückzuweisen, der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[6] 1.1. Wird ein Gerichtshof durch eine Ablehnung beschlussunfähig, so entscheidet über diese Ablehnung nach § 23 JN der zunächst übergeordnete Gerichtshof.

[7] 1.2. Die Beklagten lehnten (erkennbar) sämtliche Richter des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz ab. Zur Entscheidung über die Ablehnung ist daher der Oberste Gerichtshof berufen (RIS Justiz RS0045997). Die Kompetenz des Oberlandesgerichts Graz bezieht sich allerdings im Ausgangsverfahren nur auf die Entscheidung im Verfahren über die Ablehnung sämtlicher Richter der Landesgerichte in seinem Sprengel. Das Oberlandesgericht Graz hat daher im Fall seiner Beschlussfähigkeit über die Ablehnung aller Richter seiner Landesgerichte zu entscheiden (vgl RS0109137 [T4]; 3 Nc 8/21p).

[8] 2.1. Bei Ablehnung einer Mehrzahl von Richtern müssen in Ansehung eines jeden Einzelnen konkrete Befangenheitsgründe detailliert dargetan werden. Die pauschale Ablehnung aller Richter eines Gerichtshofs ist unzulässig (RS0046005; RS0045983). Pauschal und ohne Anführung bestimmter Gründe zu jeweils namentlich bezeichneten Richtern eingebrachte Ablehnungserklärungen sind nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RS0046011 [T3, T9]).

[9] 2.2. Die Beklagten nennen keinen Richter des Oberlandesgerichts Graz namentlich und führen als Begründung nur pauschale Vorwürfe zu eingeleiteten Disziplinarverfahren und zurückgewiesenen Rechtsmitteln ins Treffen. Mangels ausreichender Substantiierung dieses pauschalen Ablehnungsantrags ist er somit zurückzuweisen. In einem solchen Fall bedarf es weder einer Äußerung der abgelehnten Richter (RS0045983 [T14]) noch einer Anhörung der Gegenseite (1 Nc 3/19k mwN).

[10] 2.3. Das Oberlandesgericht Graz kann nun über die (ebenfalls weitgehend pauschale) Ablehnung aller Richter der Landesgerichte in seinem Sprengel entscheiden (vgl 3 Nc 8/21p).

[11] 3. Ihren Delegierungsantrag begründen die Beklagten nur mit der vermeintlich mangelnden Objektivität und Unparteilichkeit zweier konkret genannter Richterinnen des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz und mit der „Befangenheit des gesamten OLG-Sprengels“. Ein Delegierungsantrag kann aber nach ständiger Rechtsprechung (RS0073042; RS0114309) nicht auf Ablehnungsgründe gestützt werden. Er war daher ab zuweisen.