JudikaturJustiz4Ob61/17z

4Ob61/17z – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juli 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin F***** GmbH, *****, vertreten durch Reif Partner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die Beklagte M***** GmbH, *****, vertreten durch Neumayer, Walter und Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 31.000 EUR), über den Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 23. Februar 2017, GZ 2 R 20/17h-15, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 25. Jänner 2017, GZ 69 Cg 133/16g 11, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit 1.961,82 EUR (darin enthalten 326,97 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Abweisung des Sicherungsantrags der Klägerin, der Beklagten zu verbieten, Glasflaschen oder Plastikflaschen mit Infusionslösungen in Verkehr zu bringen, wenn sie nicht in einem eigenen Karton (= Außenverpackung) samt Angaben gemäß Kennzeichnungsverordnung ausgeliefert werden; im Übrigen hob es die erstgerichtliche Entscheidung (unbekämpft) auf und verwies die Sache insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es ließ den Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Teil seines Beschlusses zur Frage zu, ob aus § 17 AMG das Erfordernis einer Außenverpackung abzuleiten sei.

Ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Rekursgerichts ist der von der Klägerin gegen den bestätigenden Teil der Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig .

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Klägerin macht geltend, nach § 17 Abs 1 AMG dürften Arzneimittel nicht unmittelbar in der Primärverpackung (hier: die Glasflaschen, in denen sich die Kochsalzlösung befindet), sondern nur mit einer zusätzlichen äußeren Verpackung (Karton) in Verkehr gebracht werden. Da die Beklagte dies nicht einhalte, spare sie sich die Kosten der äußeren Verpackung und erlange dadurch einen unlauteren Wettbewerbsvorteil. Die Klägerin behauptet hingegen nicht, dass die Primärverpackungen der Beklagten die in § 17 Abs 1 AMG vorgeschriebenen Angaben nicht aufwiesen.

1.2. Nach § 17 Abs 1 AMG dürfen Arzneispezialitäten, die gemäß § 7 der Zulassung oder gemäß § 11a der Registrierung unterliegen, sofern es sich nicht um radioaktive Arzneispezialitäten handelt, nur in Verkehr gebracht werden, wenn auf der Außenverpackung und der Primärverpackung die näher bezeichneten Angaben in deutscher Sprache enthalten sind.

1.3. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, § 17 Abs 1 AMG regle nur die Kennzeichnung einer allenfalls vorhandenen Außenverpackung, ohne eine solche für jedes Arzneimittel auch zwingend vorzuschreiben, widerspricht diesem Wortlaut nicht; vielmehr wird diese Auslegung durch § 17 Abs 8 AMG („... sofern eine Außenverpackung vorhanden ist ...“) gestützt. Sie entspricht bei richtlinienkonformer Auslegung (vgl RIS Justiz RS0075866) den damit umgesetzten (vgl ErläutRV 1092 BlgNR 22. GP 6) Bestimmungen der Art 54 f der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel. So normiert Art 54 RL 2001/83/EG Kennzeichnungspflichten der Primärverpackung, sofern keine äußere Umhüllung vorhanden ist . Art 55 Abs 2 RL 2001/83/EG sieht Erleichterungen bei der Kennzeichnung von Primärverpackungen vor, die sich in einer äußeren Umhüllung befinden, was in § 17 Abs 8 AMG umgesetzt wurde. Äußere Umhüllung ist nach Art 1 Z 24 RL 2001/83/EG die Verpackung, in der die Primärverpackung enthalten ist, mithin die hier gegenständliche Außenverpackung (vgl Czettritz/Thewes , Zur „äußeren Umhüllung” eines Arzneimittels und den „darauf angebrachten Angaben” nach § 10 Abs 1 Satz 1 und 5 AMG, PharmR 2013, 477). Beide Bestimmungen gehen somit eindeutig davon aus, dass nicht jedes Arzneimittel neben einer Primärverpackung zwingend auch eine zusätzliche Außenverpackung bzw äußere Umhüllung aufweisen muss.

1.4. Auch der Hinweis der Klägerin auf § 17 Abs 5a AMG zeigt nicht auf, weshalb dem Rekursgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen sein soll. Dass auf der Außenverpackung eines Arzneimittels „ Sicherheitsmerkmale sowie eine Vorrichtung zum Erkennen einer möglichen Manipulation der Außenverpackung anzubringen “ sind, hat – wie die Klägerin selbst erkennt – den Regelungszweck, Arzneimittelfälschungen durch Austausch des originalen Packungsinhalts gegen ein Falsifikat und Nachahmungen eines bekannten Packungsdesigns vorzubeugen. Derartige Manipulationen sind jedoch von vornherein unmöglich, wenn eine Außenverpackung fehlt (vgl 4 Ob 270/00k), sodass auch aus § 17 Abs 5a AMG nicht abzuleiten ist, jedes Arzneimittel müsse zwingend in einer – sodann fälschungssicher zu gestaltenden – Außenverpackung in Verkehr gebracht werden.

2. Aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung fehlt es somit an einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO (vgl RIS Justiz RS0042656). Der Revisionsrekurs ist als unzulässig zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.