JudikaturJustiz4Ob524/94

4Ob524/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. März 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Kurt Hanusch und Dr.Heimo Jilek, Rechtsanwälte in Leoben, wider die beklagte Partei K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Sattleger Dorninger Steiner, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 529.760,70 sA infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 21.Dezember 1993, GZ 3 R 204, 234/93-12, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Landesgerichtes Leoben vom 10.September 1993, GZ 4 Cg 147/93m-2, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit der am 3.6.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin S 529.760,70 sA an Entgelt für der Beklagten erbrachte Lieferungen und Leistungen. Das Erstgericht stellte der Beklagten die Klage zu und trug ihr auf, binnen 14 Tagen eine Klagebeantwortung einzubringen. Da innerhalb der gesetzten Frist keine Klagebeantwortung einlangte, erließ das Erstgericht auf Antrag der Klägerin am 25.6.1993 ein Versäumungsurteil, mit dem es der Klage stattgab.

Das Versäumungsurteil wurde vom Richter des Landesgerichtes Leoben Dr.Josef G***** als Stellvertreter des Leiters der Gerichtsabteilung 4 gefällt und der Beklagten am 2.8.1993 zugestellt; die Klägerin erhielt versehentlich eine unvollständige Urteilsausfertigung. Dem Leiter der Gerichtsabteilung 4, Richter des Landesgerichtes Leoben Dr.Wolfgang K*****, war nicht bekannt, daß der Beklagten ohnedies eine vollständige Urteilsausfertigung zugestellt worden war. Er verfügte daher am 10.9.1993, gesonderte Ausfertigungen des Versäumungsurteiles vom 25.6.1993 herzustellen und der Beklagten eine Ausfertigung zuzustellen. Diese Anordnung wurde insofern unrichtig ausgeführt, als die Urteilsausfertigungen mit 10.9.1993 datiert und mit der Unterschrift des Leiters der Gerichtsabteilung 4 versehen und zugestellt wurden. In der Folge berichtigte das Erstgericht die Ausfertigungen des Versäumungsurteiles dahin, daß als Entscheidungsdatum nicht der 10.9.1993, sondern der 25.6.1993 anzuführen sei. Das Versäumungsurteil vom 25.6.1993 ist in Rechtskraft erwachsen; der Berichtigungsbeschluß ist noch nicht rechtskräftig.

Die von der Beklagten gegen das mit 10.9.1993 datierte Versäumungsurteil erhobene Berufung wies das Berufungsgericht zurück.

Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens könne nur eine gerichtliche Entscheidung, also ein vom Entscheidungswillen eines Richters getragener und gedeckter Vorgang sein. Daran fehle es im vorliegenden Fall. Der Richter des Landesgerichtes Leoben Dr.Wolfgang K***** habe am 10.9.1993 kein weiteres Versäumungsurteil fällen, sondern nur die (bisher vermeintlich fehlerhafte) Ausfertigung und Zustellung des Versäumungsurteiles vom 25.6.1993 wiederholen wollen. Die Berufung richte sich demnach gegen ein nicht bestehendes Versäumungsurteil, so daß sie wegen fehlender Beschwer unzulässig sei. Der Irrtum des Erstgerichtes sei für die Beklagte offenkundig gewesen. Ein kostenaufwendiges Rechtsmittelverfahren sei zur Beseitigung etwaiger Zweifel weder notwendig noch zweckmäßig gewesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht aufzutragen, über die Berufung zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO); er ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte weist darauf hin, daß sie ein mit 10.9.1993 datiertes und vom Richter des Landesgerichtes Leoben Dr.Wolfgang K***** unterzeichnetes Versäumungsurteil zugestellt erhalten hat, aus dem für sie in keiner Weise erkennbar gewesen sei, daß das Urteil nicht vom Entscheidungswillen des Richters getragen gewesen wäre. Sie habe sich erst unmittelbar vor Ablauf der Rechtsmittelfrist an ihren Rechtsvertreter gewandt. Dieser habe das Urteil nur noch mit Berufung bekämpfen und nicht versuchen können, das nunmehr behauptete Mißverständnis aufzuklären.

Nach dem Akteninhalt wurde gegen die Beklagte nur ein Versäumungsurteil, und zwar am 25.6.1993, gefällt. Am 10.9.1993 erging kein weiteres Versäumungsurteil; vielmehr wurde verfügt, weitere Ausfertigungen des Versäumungsurteiles vom 25.6.1993 herzuerstellen. Diese Ausfertigungen wurden allerdings irrtümlich mit dem Datum 10.9.1993 und mit dem Namen des Richters des Landesgerichtes Leoben Dr.Wolfgang K***** anstatt mit dem des Richters des Landesgerichtes Leoben Dr.Josef G***** versehen.

Es liegt demnach ein Fall vor, in dem die Ausfertigungen von der Urschrift abweichen. Abweichungen zwischen der Urschrift und der Ausfertigung gerichtlicher Entscheidungen sind durch Berichtigung der Ausfertigung zu beseitigen, die ohne Rücksicht darauf zulässig ist, ob die Abweichungen für die Parteien offenkundig sind (siehe Fasching III 812). Zu einer Abänderung der Entscheidung im Rechtsmittelweg kann es nicht kommen, wenn nur die Ausfertigung unrichtig ist (3 Ob 88/70; 2 Ob 679/85 ua).

Das Berufungsgericht hat die Berufung daher zu Recht zurückgewiesen. Der Rekurs muß erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.