JudikaturJustiz4Ob4/94

4Ob4/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Redl, Dr.Griß und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Karl J.Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Ernst Ploil, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 700.000), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. November 1993, GZ 4 R 210/93-11, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 8.September 1993, GZ 10 Cg 160/93x-4, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.534,80 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin S 2.724,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung:

Die Streitteile vertreiben Mittel zum Schutz der menschlichen Haut vor Insekten. Die Klägerin vertreibt das Mittel Tyrasan, die Beklagte ua das Produkt Autan.

Im Juli 1993 versandte die Beklagte an die österreichischen Apotheker ein Rundschreiben. Darin führte sie ua aus:

"Im Jahr 1989 haben wir festgestellt, daß die in Traiskirchen ansässige A***** GmbH ein Repellent unter der Bezeichnung Tyrasan vertreibt, das sowohl, was seine Aufmachung betraf, als auch in seiner Zusammensetzung nicht den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes und der Kosmetikverordnung entsprochen hat. Wir haben, weil unsere außergerichtlichen Bemühungen, diese Mängel zu beseitigen, erfolglos geblieben sind, einen Prozeß gegen die A***** GmbH einleiten müssen. In diesem Verfahren hat das Oberlandesgericht Wien es der A***** mit einer einstweiligen Verfügung untersagt, Tyrasan zu vertreiben, weil dieses Produkt nach Ansicht des Gerichtes gegen die Bestimmungen der Kosmetikverordnung verstoßen hat. Der Prozeß endete schließlich mit einem Vergleich, in dessen Rahmen A***** alle Forderungen der B***** GesmbH erfüllt und sich daher auch verpflichtet hat, Tyrasan nicht mehr zu vertreiben.

Nur kurze Zeit nach Abschluß dieses Vergleiches brachte eine gewisse F***** GesmbH - die unter der gleichen Anschrift logiert wie die A***** GmbH - neuerlich Tyrasan (in der gleichen Zusammensetzung) auf den Markt. Wir sahen uns abermals gezwungen, die Konsumenten vor diesem gesetzwidrigen Erzeugnis, das nach unserer Überzeugung überdies für kosmetische Erzeugnisse verbotene Substanzen enthält, zu schützen und haben daher auch gegen die F***** GmbH einen Prozeß eingeleitet."

Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches - soweit für das Rekursverfahren noch von Bedeutung -, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Behauptung zu untersagen, daß Tyrasan ein gesetzwidriges Produkt sei, das verbotene Substanzen enthalte. Tyrasan falle unter § 1 Abs 3 Z 8 AMG; seine Erzeugung und sein Vertrieb seien gemäß § 11 b AMG gesetzeskonform; es enthalte auch keine verbotenen Substanzen. Die Beklagte stelle wider besseres Wissen die Tatschenbehauptung auf, daß Tyrasan ein kosmetisches Produkt sei und nur unter Beachtung der Vorschriften des Lebensmittelgesetzes und der Kosmetikverordnung in Verkehr gebracht werden dürfe. Sie habe daher gegen § 7 UWG, aber auch gegen § 1330 Abs 2 ABGB verstoßen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die beanstandete Behauptung sei wahr. Mittel, die Zecken und Insekten von Menschen abhalten sollen, seien Kosmetika und unterlägen daher § 5 LMG. Sofern solche Mittel pharmakologisch wirksame Stoffe enthalten, unterlägen sie auch den Vorschriften der Kosmetikverordnung. Tyrasan enthalte aber nach den Aufschriften auf der Verpackung Pyrethrine, also Zubereitungen des Wirkstoffes Pyrethrum Album, somit einen von der Codex-Kommission als Allergien verursachenden und daher in der Kosmetikverordnung verbotenen Bestandteil kosmetischer Erzeugnisse. Hingegen weise es keinen einzigen der in Anlage 2 der Kosmetikverordnung aufgezählten pharmakologischen Wirkstoffe auf. Repellents (= Insektenabwehrmittel) fielen nicht unter § 1 Abs 3 Z 8 AMG. Daß das Erzeugnis gemäß § 11 b AMG gemeldet worden ist, sei rechtlich bedeutungslos.

Der Erstrichter gab dem Sicherungsantrag statt. Daß Tyrasan ein gesetzwidriges Erzeugnis sei, welches verbotene Substanzen enthalte und in Inhalt und Aufmachung nicht der Kosmetikverordnung entspreche, könne nicht festgestellt werden. Der von der Beklagten im Rundschreiben erhobene Vorwurf sei als Tatsache im Sinn des § 7 UWG zu werten. In einem vorangegangenen Wettbewerbsprozeß habe aber das Rekursgericht die Ansicht vertreten, daß die Klägerin die Rechtsmeinung, ihr Produkt unterliege (nur) § 1 Abs 3 Z 8 und § 11 b AMG, mit guten Gründen vertreten könne. Schon allein deshalb sei der Klägerin kein wettbewerblich anstößiges Verhalten vorzuwerfen.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Rekurs zulässig sei. Die "Feststellung" des Erstgerichtes, es könne nicht festgestellt werden, daß Tyrasan gesetzwidrig sei, weil es nicht der Kosmetikverordnung entspreche, sei in Wahrheit eine rechtliche Beurteilung, die das Rekursgericht nicht billige. In Wahrheit habe das Erstgericht dazu keine Feststellungen getroffen und insbesondere den von der Beklagten zur Gegenbescheinigung namhaft gemachten Zeugen nicht vernommen. Die Sache sei daher nicht spruchreif. Durch § 1 Abs 3 Z 8 AMG und das gemäß § 11 b AMG eingeführte Meldeverfahren sei dem § 5 LMG nicht zur Gänze derogiert worden. Durch die lex fugitiva des § 1 Abs 3 Z 8 AMG sei der Begriffsumfang des § 5 LMG lediglich auf Stoffe eingeschränkt worden, deren Anwendung und Wirkung auf den Bereich der Haut und ihre Anhangsgebilde und der Mundhöhle beschränkt sind. Nur solche kosmetischen Mittel, deren Anwendung und Wirkung nicht auf Haut und Mundhöhle beschränkt ist, unterlägen dem AMG; diese seien dem Anwendungsbereich des LMG 1975 entzogen. Das Meldeverfahren nach § 11 b AMG diene zwar dem Ausschluß möglicher Schädigungen, die Meldung und Nichtuntersagung könne aber nur für solche Stoffe ausreichen, die die genannten Kriterien erfüllen, ohne auf die Haut zu wirken. Die letztgenannten, zu denen auch Repellents zu zählen seien, seien nach wie vor als kosmetische Mittel im Sinn des § 5 LMG zu werten. Dies ergebe sich schon daraus, daß Repellents wohl auch prophylaktischen Zwecken dienen könnten, um Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren; daraus ergebe sich jedoch noch keineswegs zwingend, daß Repellents nicht auch darüber hinausgehende Wirkungen zeigen, d.h. auch gegen solche Insekten wirken, die weder Krankheitserreger noch Parasiten sind noch körperfremde Stoffe zuführen. Bei der Beurteilung, ob es sich bei Tyrasan um einen gesetzwidrigen Stoff handle, werde als entscheidungswesentlich festzustellen sein, ob es den gemäß der Verordnung BGBl 1989/108 verbotenen Stoff Pyrethrum Album oder eine Zubereitung daraus enthalte. Darüber hinaus werde festzustellen sein, ob Tyrasan, wie von der Beklagten behauptet, die Stoffe Pyrethrine, Geraniumextrakt und Zitronella-Extrakt enthalte, ob es sich dabei um pharmakologisch wirksame Substanzen handle und gegebenenfalls auch die Kosmetikverordnung anzuwenden sei, wonach für Repellents nur die in der dortigen Anlage 2.7 enthaltenen Stoffe zugelassen sind. Erst nach Ergänzung des Verfahrens werde verläßlich beurteilt werden können, ob die Behauptungen der Gesetzwidrigkeit und des Verstoßes gegen die Kosmetikverordnung allenfalls zu Unrecht erfolgt sind und daher gegen § 7 UWG verstießen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß von der Klägerin erhobene "Revisionsrekurs" (richtig gemäß § 527 Abs 2 ZPO: Rekurs) ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3, § 528 a ZPO).

Rechtlich meint die Klägerin, daß ihr unter dem Namen Tyrasan vertriebenes Produkt mit dem gleichnamigen Produkt der A***** GmbH - welches Gegenstand anderer Wettbewerbsprozesse war - nicht identisch sei, so daß die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27.2.1990, 4 Ob 25, 26/90 hier nicht anwendbar sei. Ihr Tyrasan habe keinen therapeutischen Zweck, sondern wirke nur prophylaktisch im Sinne des § 1 Abs 3 Z 8 AMG. Es sei dem Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz gemeldet worden. Tyrasan sei weder ein Arzneimittel noch falle es unter § 5 LMG. Durch die AMG-Novelle 1988 sei (mit der Einführung des § 11 b AMG) klargestellt worden, daß eine neue Kategorie von Wirkstoffen und Produkten geschaffen werde, die weder Arzneimittel noch auch Lebensmittel oder kosmetische Mittel seien. Bei anderer Auffassung wäre § 11 b AMG vollkommen zwecklos, wären doch sonst sämtliche in § 1 Abs 3 Z 8 AMG genannten Produkte und Wirkstoffe ausschließlich nach § 5 LMG zu beurteilen. Dem kann nicht gefolgt werden:

Nach § 1 Abs 1 Z 4 AMG BGBl 1983/185 sind "Arzneimittel" Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen.

Laut den EB (1060 BlgNR 15. GP 27) fallen darunter zB sogenannte Repellents zur Insektenabwehr, Brechmittel, Desinfektionsmittel und Antibiotika. Unter "Stoffen" versteht das Arzneimittelgesetz ua Tierkörper (§ 1 Abs 4 Z 3 AMG); diese Bestimmung erfaßt sowohl lebende als auch tote Tierkörper (Mayer-Michtner-Schober, Komm z Arzneimittelgesetz, FN 44 zu § 1).

Keine Arzneimittel sind gemäß § 1 Abs 3 Z 3 AMG kosmetische Mittel im Sinne des § 5 LMG 1975, sofern ihre Anwendung und Wirkung auf den Bereich der Haut und ihre Anhangsgebilde und der Mundhöhle beschränkt sind. Kosmetische Mittel sind gemäß § 5 LMG Stoffe, die ua zum Schutz der Haut bestimmt sind.

Daß Repellents (auch) diesem Zweck dienen, ist offenkundig, wird doch auch auf der Verpackungsaufschrift von Tyrasan ausdrücklich angeführt, daß es die Haut bis zu sechs Stunden vor den meisten Insekten wie Gelsen, Mücken, Bremsen, Ameisen, Zecken etc. schütze (Beilage ./C). Folgerichtig erwähnt die auf Grund des § 27 Abs 2 LMG erlassene Kosmetikverordnung BGBl 1990/534 in der Anlage 1 unter Punkt 2.2 ausdrücklich die Repellents als Stoffe, die in der Lage sind, Zecken oder bestimmte Insekten von Menschen abzuhalten oder zu vertreiben; ferner werden dort in Anlage 2.7 für Repellents die zulässigen Stoffe und ihre Höchst- und Mindestmengen ausdrücklich festgelegt.

Mit der AMG-Novelle 1988 BGBl Nr. 748 wurden ua § 1 Abs 3 Z 8 und § 11 b AMG neu eingeführt.

Nach § 1 Abs 3 Z 8 AMG sind keine Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen, die ausschließlich prophylaktischen Zwecken dienen, um Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen, sofern ihre Anwendung und Wirkung auf die gesunde Haut und deren Anhangsgebilde beschränkt sind und sofern sie nicht zur Anwendung am Patienten vor operativen oder anderen medizinischen Eingriffen, die eine Desinfektion der Haut voraussetzen, bestimmt sind. Nach § 11 b Abs 1 AMG dürfen solche Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen - sofern diese im voraus stets in gleicher Zusammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe im Kleinverkauf bestimmten Form in Verkehr gebracht werden - im Inland nur abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden, wenn dies (nunmehr) dem Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz gemeldet wurde. Der Meldung sind neben einem Muster des Produktes und der vorgesehenen Handelspackung (Z 1) noch im einzelnen aufgezählte Angaben und Nachweise (Z 2 bis 6) anzuschließen; dazu gehören insbesondere Angaben über Prüfungen auf sensibilisierende Eigenschaften sowie Prüfungen der Resorption durch die gesunde Haut.

Der zuständige Minster hat nach § 11 b Abs 2 AMG das Inverkehrbringen dieser Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen zu untersagen, wenn nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft nicht als gesichert erscheint, daß sie beim Gebrauch, mit dem billigerweise gerechnet werden muß, keine schädliche Wirkungen haben.

Mit § 1 Abs 3 Z 8 AMG wollte der Gesetzgeber "vor allem Desinfektionsmittel, die prophylaktischen Zwecken dienen und zur Anwendung an der gesunden Haut bestimmt sind" vom Arzneimittelbegriff ausnehmen (823 BlgNR 17. GP 17). Ob dabei auch an Repellents gedacht wurde, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Für die Auffassung der Klägerin, daß Repellents wie Tyrasan unter § 1 Abs 3 Z 8 AMG fallen, spricht allerdings die Erwägung, daß solche Produkte tatsächlich offenbar ausschließlich dem prophylaktischen Zweck dienen, Insekten abzuwehren. Solche Tiere können aber, wenn schon nicht selbst als Krankheitserreger (sondern nur allenfalls als Träger solcher Erreger), so doch möglicherweise als Parasiten, jedenfalls aber als körperfremde Stoffe im Sinn des § 1 Abs 4 Z 3 AMG angesehen werden. Für diese Auslegung sprechen auch die EB zu dem - im hier maßgeblichen Umfang gleichlautenden - § 1 Abs 1 Z 4 AMG. Damit ist aber für die Klägerin nichts gewonnen:

§ 1 Abs 3 AMG zählt auf, welche Produkte, die unter die - extrem weite - Begriffsbestimmung des § 1 Abs 1 AMG fallen, dennoch keine Arzneimittel sind. Daß ein Produkt gleichzeitig unter mehrere Ausnahmetatbestände fällt, ist durchaus denkmöglich, schließen sich doch die einzelnen Begriffe nicht unbedingt aus. So können etwa auch Mineralwässer sowohl unter Lebensmittel (Z 1) als auch unter natürliche Heilvorkommen und Produkte daraus (Z 7) subsumiert werden. Repellents fallen nach dem oben Gesagten bei zwangloser Auslegung sowohl unter Z 3 als auch unter Z 8.

Unabhängig von der Frage, wie weit die Gerichte an Verwaltungsbescheide gebunden sind (vgl SZ 40/101; SZ 45/56; MietSlg 34.242/31; SZ 51/64; SZ 57/23 uva; aM Fasching LB2 Rz 96 mwN) und ob der von der Klägerin vorgelegte Bescheid des zuständigen Ministeriums vom 22.Jänner 1992, GZ 21.401/18-II/A/4/91 - welcher auf Antrag der A***** GmbH ergangen ist - sich auf das von der Klägerin vertriebene Produkt bezieht, hat der Oberste Gerichtshof keine Bedenken dagegen, daß ein Repellent wie Tyrasan (auch) unter § 1 Abs 3 Z 8 AMG fällt. Das ändert aber - wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat -, nichts daran, daß Tyrasan als Mittel zum Schutz der Haut auch ein Kosmetikum im Sinn der § 5 LMG, § 1 Abs 3 Z 3 AMG ist. Aus § 11 b AMG kann entgegen der Meinung der Klägerin kein gegenteiliger Schluß gezogen werden. Dort wird nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen Stoffe im Sinne des § 1 Abs 3 Z 8 AMG in den Verkehr gebracht und das Inverkehrbringen vom zuständigen Minister untersagt werden kann. Soweit ein solcher Stoff gleichzeitig unter einen anderen Tatbestand fällt, nach welchem zusätzliche Voraussetzungen zu erfüllen sind, ist auch darauf Bedacht zu nehmen. Dem Gesetz kann nicht entnommen werden, daß § 1 Abs 3 Z 8 AMG Vorrang vor den anderen Ausnahmetatbeständen hätte und die (auch) unter diese Begriffsbestimmung fallenden Waren ausschließlich dem Zulassungsverfahren nach § 11 b AMG unterzogen werden müßten.

Geht man davon aus, daß all jene Stoffe, die beim Inverkehrbringen von kosmetischen Mitteln auszuschließen oder zu beschränken sind (§ 27 Abs 1 LMG; dazu V BGBl 1989/108), und jene pharmakologisch wirksamen Stoffe, die für Kosmetika nicht ausdrücklich zugelassen wurden (§ 27 Abs 2 LMG; dazu V BGBl 1990/534), in irgendeiner Weise schädlich sind, dann müßte freilich der zuständige Minister auch im Verfahren nach § 11 b AMG das Inverkehrbringen eines kosmetischen Mittels mit einem solchen Stoff in aller Regel untersagen, erscheint es doch dann nach dem Stand der Wissenschaft auch nicht als "gesichert, daß diese Mittel bei einem Gebrauch, mit dem billigerweise gerechnet werden muß, keine schädlichen Wirkungen haben". Aus dem von der Klägerin geltend gemachten Umstand, daß das Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz bisher das Inverkehrbringen ihres Repellents Tyrasan nicht untersagt hat, kann aber weder der Schluß gezogen werden, daß dieses Mittel ganz allgemein keinerlei schädliche Wirkungen zeitige, noch im besonderen, daß dieses Mittel keine für Kosmetika verbotene oder doch nicht zugelassenen und daher im Sinn des Verbotsprinzips (Brustbauer-Jesionek-Petuely-Wrabetz, Das Lebensmittelgesetz 1975, 128; 4 Ob 25, 26/90) gleichfalls untersagte pharmakologisch wirksamen Stoffe oder Farbstoffe enthalte.

Dem Rekursgericht ist daher darin beizupflichten, daß die Entscheidung davon abhängt, ob der Beklagten die ihr obliegende (§ 7 Abs 1 UWG) Bescheinigung gelingt, daß das Mittel Tyrasan tatsächlich für Kosmetika nicht zugelassene pharmakologisch wirksame oder iSd § 27 Abs 1 LMG ausgeschlossene Stoffe enthalte und daher gesetzwidrig sei.

Der angefochtene Aufhebungsbeschluß war daher zu bestätigen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 41, 50 Abs 1, 52 ZPO.

Rechtssätze
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