JudikaturJustiz4Ob372/83

4Ob372/83 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 1983

Kopf

SZ 56/127

Spruch

Solange das Hauptverfahren über den Unterlassungsanspruch des Patentinhabers anhängig ist, darf eine von ihm im Sicherungsverfahren erlegte Kaution (§ 390 EO) auch dann nicht freigegeben werden, wenn die einstweilige Verfügung infolge Erlages eines "Befreiungsbetrages" durch den Beklagten gemäß § 147 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 399 Abs. 1 Z 3 EO aufgehoben worden ist

OGH 6. 9. 1983, 4 Ob 372, 373/83 (OLG Wien 4 R 103, 104/83; HG Wien 17 Cg 172, 173/80) = ÖBl 1984, 53 (Schönherr)

Text

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß hat das Rekursgericht den Rekursen der Beklagten Folge gegeben und die Anträge der Klägerin, infolge Aufhebung der einstweiligen Verfügungen gemäß § 399 Abs. 1 Z 3 EO die von ihr (im Verfahren 17 Cg 173/80) am 15. 12. 1980 und (im Verfahren 17 Cg 172/80) am 10. 3. 1981 vorgelegten Bankgarantien der A-Bank vom 9. 12. 1980 über 1 Mio. S und vom 2. 3. 1981 über 100 000 S freizugeben und zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters zurückzustellen, abgewiesen. Gleichzeitig hat das Rekursgericht ausgesprochen, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes jeweils 15 000 S, nicht aber 300 000 S übersteige; der Rekurs an den OGH sei zulässig (§ 526 Abs. 3, § 527 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 500 Abs. 2 Z 3 ZPO). Die beiden einstweiligen Verfügungen seien zwar wegen Erlages der in ihnen festgesetzten Befreiungsbeträge aufgehoben worden, doch sei das Hauptverfahren über den Unterlassungsanspruch der Klägerin nach wie vor anhängig. Da die Beklagten allfällige Ersatzansprüche erst nach rechtskräftiger Aberkennung dieses Anspruches geltend machen könnten (§ 394 Abs. 1 EO), bestehe der Sicherungszweck der Garantieverpflichtungen weiterhin fort. Die ausstellende Bank könne aus diesen Verpflichtungen derzeit noch nicht entlassen werden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des Verfahrensrechtes - Freigabe einer Bankgarantie nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß § 399 Abs. 1 Z 3 EO - abhängt, der iS des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO erhebliche Bedeutung zukommt (§ 528 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Gemäß § 400 EO darf eine zur Deckung der Kosten oder der Schadenersatzansprüche des Antragsgegners erlegte Sicherheit (§§ 390, 398 EO) der gefährdeten Partei erst nach Ablauf von 14 Tagen seit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses ausgefolgt werden, durch den die einstweilige Verfügung aufgehoben wird. Damit legt das Gesetz nur den frühesten Zeitpunkt fest, in dem die Kaution - ohne Zustimmung des Antragsgegners - der gefährdeten Partei wieder ausgefolgt werden darf; ob jedoch die rechtlichen Voraussetzungen hiefür tatsächlich (schon) vorliegen, hat das Gericht in jedem Einzelfall zu beurteilen. Dabei folgt schon aus dem Zweck der Kaution, "dem Gegner für die durch die einstweilige Verfügung drohenden Nachteile Sicherheit zu leisten" (§ 390 Abs. 1 EO), daß eine solche Sicherheit jedenfalls so lange aufrechterhalten werden muß, bis der Gegner der gefährdeten Partei überhaupt die rechtliche Möglichkeit hat, seine Ersatzansprüche gegen die gefährdete Partei geltend zu machen (und, falls er dies zeitgerecht getan hat, darüber hinaus noch bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Ansprüche). Das ist aber gemäß § 394 Abs. 1 EO regelmäßig erst dann der Fall, wenn "der gefährdeten Partei der behauptete Anspruch, für den die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, rechtskräftig aberkannt wird" oder "ihr Ansuchen sich sonst als (von Anfang an) ungerechtfertigt erweist" (SZ 11/187; Heller - Berger - Stix, Komm.

z. EO 4, III 2860 ff.; Walker, Österr. Exekutionsrecht[4], 391).

Im konkreten Fall sind die beiden einstweiligen Verfügungen vom 27. 11. 1980 und vom 17. 2. 1981 deshalb aufgehoben worden, weil die Beklagten die ihnen vom Gericht iS des § 391 Abs. 1 Satz 2 EO vorbehaltenen "Befreiungsbeträge" erlegt haben (§ 399 Abs. 1 Z 3 EO in Verbindung mit § 147 Abs. 2 Satz 2 PatG). Da das Hauptverfahren über den Unterlassungsanspruch der Klägerin nach wie vor anhängig ist, haben die Beklagten derzeit gar keine rechtliche Möglichkeit, allfällige Ersatzansprüche gegen die Klägerin in einem Verfahren nach § 394 EO geltend zu machen; die Frage, ob und in welcher Höhe ihnen solche Ansprüche entstanden sind, wird vielmehr erst nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptprozesses beantwortet werden können. Da sohin der Sicherungszweck der Garantieverpflichtungen der A-Bank weiterhin fortbesteht, hat das Rekursgericht den Antrag der Klägerin auf Freigabe der beiden Bankgarantien und damit auf Entlassung der ausstellenden Bank aus diesen Garantieverpflichtungen mit Recht abgewiesen (im gleichen Sinn auch schon SZ 11/187).

Auch soweit die Klägerin eine "angemessene Herabsetzung" der Sicherheitsleistungen anstrebt und zu diesem Zweck hilfsweise eine Aufhebung der untergerichtlichen Beschlüsse "zur Ergänzung des Freigabeverfahrens" beantragt, muß ihr Rechtsmittel erfolglos bleiben. Daß die beiden einstweiligen Verfügungen bis zu ihrer Aufhebung nach § 399 Abs. 1 Z 3 EO nur rund zweieinhalb Monate bzw. drei Wochen rechtswirksam gewesen waren, sagt über die den Beklagten während dieser Zeit entstandenen Vermögensnachteile (§ 394 Abs. 1 EO) überhaupt nichts aus. Die Rekursbehauptung der Klägerin, das HG W habe bei der seinerzeitigen Bemessung dieser Sicherheiten mit einer "wohl mindestens vier Jahre dauernden Prozeßführung" gerechnet, findet in der Aktenlage keine Deckung. Selbst wenn man nun mit der Klägerin davon ausgeht, daß bei einer entsprechenden Änderung der für die Bemessung der Sicherheit maßgebend gewesenen Umstände auch eine nachträgliche Herabsetzung der Kaution in Betracht kommen kann, müßte eine solche Änderung der Verhältnisse - soweit sie nicht als gerichtsbekannt iS des § 269 ZPO anzusehen ist - von der gefährdeten Partei behauptet und bescheinigt werden. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin, wonach es Sache der Beklagten wäre, "ihren allenfalls, wenn überhaupt, entstandenen Schaden, dessen Höhe sie bereits kennen müßte, zu konkretisieren und zu bescheinigen", entbehrt einer gesetzlichen Grundlage. Die Klägerin ihrerseits hat aber in den Vorinstanzen dazu überhaupt nichts vorgebracht, sodaß ihrem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag schon aus diesem Grund nicht nähergetreten werden kann.

Rechtssätze
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