JudikaturJustiz4Ob323/98y

4Ob323/98y – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. April 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Theresia M*****, vertreten durch Dr. Karl Nöbauer, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei T***** Forsikring, *****, vertreten durch Kraft Winternitz, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wider die beklagten Parteien 1. A***** GmbH, *****, vertreten durch Grassner Lenz Thewanger Partner, Rechtsanwälte in Linz, 2. Herbert R*****, vertreten durch Holter-Wildfellner, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen 200.000 S sA und Feststellung (50.000 S), infolge der Revisionen der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 19. Juni 1998, GZ 2 R 50/98f-41, womit infolge der Berufungen der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 27. November 1997, GZ 5 Cg 77/96t-28, teilweise als Teilurteil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Revision der Erstbeklagten wird nicht Folge gegeben, sondern das diese betreffende Teilurteil bestätigt.

Die Erstbeklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 9.900 S (darin 1.650 S Umsatzsteuer) sowie der Nebenintervenientin die mit 5.445 S (darin 907,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der jeweiligen Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der Revision des Zweitbeklagten wird hingegen Folge gegeben.

Das diesen betreffenden Teilurteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Das (Teil )Klagebegehren, der Zweitbeklagte sei - zur ungeteilten Hand mit der Erstbeklagten - schuldig, der Klägerin 150.000 S samt 4 % Zinsen seit 12. 4. 1995 zu bezahlen, und hafte der Klägerin - zur ungeteilten Hand mit der Erstbeklagten - für sämtliche künftigen Schäden aus dem Unfall vom 30. 12. 1994 im Ausmaß von 75 %, wird abgewiesen.

Bezüglich des den Zweitbeklagten betreffenden Teilurteils, wird die Entscheidung über die (noch nicht in Punkt I zuerkannten) Verfahrenskosten der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstbeklagte befaßt sich unter anderem mit dem Import von Rindern aus Dänemark nach Österreich. Solche Tiere müssen, nachdem sie nach Österreich gelangt sind, zwei bis drei Wochen in Quarantäne bleiben, wobei der Zweitbeklagte aufgrund einer Vereinbarung mit der Erstbeklagten solche Tiere gegen Entgelt in einem Quarantänestall aufnimmt. Am 29. 12. 1994 erwarteten Ing. B***** als Vertreter der Erstbeklagten, der Zweitbeklagte und dessen Vater einen Transport von 30 bis 35 Kalbinnen der Rassen "Limousin" und "Blond Aquiteint" aus Dänemark. Der - von dem bei der Nebenintervenientin versicherten dänischen Frächter durchgeführte - Tiertransport kam (verspätet) am früheren Nachmittag beim vom Zweitbeklagten gepachteten Anwesen in E*****, Gemeinde R*****, an. Der LKW-Fahrer stellte den Viehtransporter, der mit einer während der Fahrt senkrecht aufgestellten, rund 2 m langen Laderampe, die zu beiden Seiten aufklappbare Seitenwände von etwa 1,5 m Höhe hatte, versehen und dessen Laderaum zusätzlich durch zwei Türen versperrbar war, mit dem Heck auf Höhe des geöffneten zweiflügeligen Hoftores des Anwesens dergestalt ab, daß eine Ecke an den Torangeln anstand, sodaß dort kein Tier entweichen konnte, wogegen (aufgrund der Schrägstellung des LKW) im Bereich der anderen Heckseite ein offener Bereich verblieb, der auch nicht durch den Torflügel abgesichert werden konnte. Die aus Freilandhaltung stammenden Rinder waren durch die ungewohnte Umgebung und den langen Transport entsprechend unruhig. Beim Entladen entkam zwischen 14.00 Uhr und 14.30 Uhr eine der Kalbinnen durch ein nicht verschlossenes Nebentor des Anwesens und konnte erst nach längerer Suche gegen 16.00 Uhr in den Stall des Zweitbeklagten gebracht werden. Zu dieser Zeit entkam eine weitere Kalbin der Rasse "Limousin", die in weiterer Folge zu dem wenige Kilometer entfernten Anwesen des Sohnes der Klägerin gelangte, wo sie am darauffolgenden Morgen die Klägerin in der Scheune von hinten niederstieß und dieser einen Stauchungsbruch des ersten Lendenwirbelkörpers, einen Bruch des linken unteren Schambeinastes und eine Prellung mit Bluterguß und Hautabschürfung am linken Unterschenkel zufügte.

Die Klägerin begehrt - zuletzt - die Zahlung eines Schmerzengeldes von S 200.000,-- sowie die urteilsmäßige Feststellung der Haftung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand für sämtliche Schäden aus dem gegenständlichen Unfallereignis mit der Behauptung, die beiden Beklagten seien (Mit )Halter des im Eigentum der Erstbeklagten stehenden, die Klägerin schädigenden Tieres gewesen. Sie hätten bei der von ihnen eigenverantwortlich angeordneten und beaufsichtigten sowie unter Beteiligung der beiden überforderten dänischen Transportarbeiter vorgenommenen Entladung der durch den langen Transport völlig verstörten und weitgehend unberechenbaren Jungtiere, die eine besondere Gefahrenquelle dargestellt hätten und ungesichert aus dem Transportfahrzeug heraus über die Rampe in den Hof des Anwesens des Zweitbeklagten getrieben worden seien, grob fahrlässig die geringsten Sicherheitsvorkehrungen gegen ein Entkommen der Tiere unterlassen, sodaß das in den Hof des Anwesens des Zweitbeklagten getriebene Tier von dort habe entlaufen können. Vom Zweitbeklagten sei nichts unternommen worden, das Tier wieder einzufangen.

Beide Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens.

Die Erstbeklagte bestritt unter Hinweis auf ihre fehlende tatsächliche Sachherrschaft und die noch nicht erfolgte Übergabe, Halterin und/oder Eigentümerin der entlaufenen Kalbin gewesen zu sein, und wandte ein, die Entladung sei nach einer mit dem Frächter geschlossenen Vereinbarung ausschließlich durch die ausländische Lieferantin sowie den Zweitbeklagten bzw dessen Gehilfen erfolgt; die Kalbin sei während der Entladung noch vor der Übergabe an die Erstbeklagte entkommen. Die Klägerin treffe ein Eigenverschulden an ihrem Schaden, denn sie habe versucht, die Kalbin aus dem Stall zu treiben, und sich ihr ohne Notwendigkeit so genähert, daß sie habe verletzt werden können.

Der Zweitbeklagte wandte ein, die Entladung sei von den zwei Fahrern des dänischen Frächters durchgeführt worden; das Entkommen des Tieres sei allein auf ein Versehen der dänischen Transportarbeiter während des Entladevorgangs zurückzuführen, die den Riegel der Flügeltür des LKW mangelhaft verschlossen hätten, sodaß das Tier, das vom Zweitbeklagten erst im Hof seines Anwesens zu übernehmen gewesen wäre, vom LKW unter Überspringen einer vorhandenen Absperrung habe entlaufen können. Er sei weder für die Entladung der Tiere verantwortlich noch Tierhalter gewesen. Die Klägerin treffe jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden, weil sie sich in Kenntnis der Gefährlichkeit des Tieres in dessen Nähe begeben und versucht habe, das Tier aus dem Stall zu treiben.

Das Erstgericht gab dem Zahlungs- und Feststellungsbegehren statt. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt noch fest, daß der dänische Fahrer und sein dänischer Helfer die Tiere auf der Ladefläche mit Blenden und Halftern versahen und sie dann entweder auf die Laderampe oder in den Hofraum hinunterbrachten, wobei Ing. B***** bzw der Zweitbeklagte, dessen Vater oder ein vom Zweitbeklagten beigezogener Mann die Tiere übernahmen. Weil zuwenig Blendtücher vorhanden waren bzw deren Rücklauf auf die Ladefläche nicht schnell genug erfolgte, wurden Kalbinnen auch ohne Blendtuch von der Ladefläche getrieben. Die streitgegenständliche Kalbin entkam den dänischen Arbeitern, die auch für die Beklagten überfordert erschienen, auf der Ladefläche, lief über die Laderampe hinunter und durch den freien Teil des Hoftores weg. Ob zu dieser Zeit ein Traktor samt Einachsanhänger im offenen Bereich zwischen Heck des Transporters und Hoftor stand oder erst dorthin in Bewegung war, konnte nicht festgestellt werden. Da sich der Abladevorgang lange hinzog, verfolgte man diese Kalbin nicht, obwohl es bereits dämmrig war, sondern beendete den Abladevorgang. Auch nach dem Abladen des letzten Tieres gegen 21.00 Uhr wurde aufgrund der hereingebrochenen Finsternis nicht versucht, die Kalbin zu suchen und zu fangen, sondern vom Zweitbeklagten lediglich das Hoftor offengelassen, um der Kalbin eine Rückkehr zu ermöglichen. Zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr hatte der am Anwesen des Zweitbeklagten vorbeikommende Johann H***** in der Nähe des Transporters die entwichene Kalbin stehen gesehen und die dänischen Arbeiter auf die Kalbin hingewiesen, die aber kein Interesse gezeigt hatten, das Tier einzufangen. Nach Beendigung der Entladung verließ auch Ing. B***** das Anwesen des Zweitbeklagten. Ing. B***** und der Zweitbeklagte unterließen es, die Gendarmerie oder die Nachbarn auf die entsprungene Kalbin bzw die damit verbundene Gefahr hinzuweisen. Als am 30. 12. 1994 gegen 6.00 Uhr der Sohn der Klägerin seine Rinder im Stall seines Anwesens versorgte, entdeckte er dort die entkommene Kalbin und trieb das zu dieser Zeit durchaus friedliche Tier hinaus, obwohl er wußte, daß dieses dem Zweitbeklagten zuzuordnen war. Als die Klägerin gegen 7.00 Uhr in den Stall ging, sah sie die Kalbin wieder im Stall stehen. Als die Kalbin in die an den Stall angrenzende Scheune flüchtete, folgte ihr die Klägerin, um den Zugang zum Kälberstall und die Verbindungstür zwischen Scheune und Stall zu schließen. Während die Klägerin die Tür zum Kälberstall schloß, wurde sie von der Kalbin von hinten niedergestoßen. Die Klägerin litt aufgrund des Unfalls durch 8 bis eher 10 Tage starke Schmerzen, 5 bis eher 6 Wochen mittelstarke Schmerzen und 2 1/2 bis 3 Monate leichte Schmerzen. Das Auftreten stärkerer lokaler degenerativer Veränderungen in Höhe des seinerzeit gebrochenen ersten Lendenwirbels kann nicht ausgeschlossen werden.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß beide Beklagten als Mithalter der entlaufenen Kalbin anzusehen seien und solidarisch für den durch das Tier entstandenen Schaden hafteten, da ihnen der Nachweis, für die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung gesorgt zu haben, nicht gelungen sei. Der Erstbeklagten sei die tatsächliche Herrschaft über das Verhalten der Tiere zugekommen, weil sie darüber entscheidungsbefugt gewesen sei, bei wem, wo und wie die Tiere verwahrt und beaufsichtigt würden, und weil sie auch das Recht und die Pflicht gehabt habe, den Abladevorgang zu organisieren und zu koordinieren. Auch der Zweitbeklagte sei nach der zu "Kuheinstellungsverträgen" ergangenen Rechtsprechung als Mithalter zu werten. Unter den Gegebenheiten (Tiere unruhig und störrisch; Schwierigkeiten mit den Blendtüchern) wären die Beklagten als Übernehmer der Tiere verpflichtet gewesen, die Flucht- und Ausbruchsmöglichkeit aus dem Hofraum wirksam zu versperren und die offenbar mit der Entladung überforderten dänischen Fahrer zu unterstützen. Weiters hätten es beide Beklagten unterlassen, die entwichene Kalbin sogleich wieder einzufangen oder wenigstens die Gendarmerie und die Nachbarn über den Vorfall zu verständigen. Ein Mitverschulden der Klägerin könne nicht angenommen werden, das begehrte Schmerzengeld sei angemessen.

Den dagegen von den Beklagten erhobenen Berufungen gab das Berufungsgericht teilweise Folge. Es bestätigte das Ersturteil im Umfang der zur ungeteilten Hand ausgesprochenen Verpflichtung der beklagten Parteien zur Zahlung von S 150.000,-- samt Zinsen sowie der Feststellung der Haftung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand für sämtliche (künftigen) Schäden im Ausmaß von 3/4 als Teilurteil, hob das Urteil im übrigen auf und trug dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Ergänzung des Verfahrens auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 52.000 S, nicht jedoch 260.000 S übersteige und die Revision gegen das Teilurteil zulässig sei. Das Berufungsgericht setzte sich zunächst eingehend mit den Feststellungsrügen der Beklagten hinsichtlich des Vorhandenseins einer Absperrung und zur Frage des genauen Übergabe- bzw Übernahmeortes der Tiere (Laderampe bzw Hofraum) auseinander und erachtete die insoweit gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes vorgebrachten Bedenken für nicht stichhaltig. In rechtlicher Hinsicht war das Berufungsgericht im Gegensatz zum Erstgericht der Ansicht, daß lediglich die Erstbeklagte als Tierhalterin anzusehen sei, während der Zweitbeklagte nach dem Ingerenzprinzip hafte.

Tierhalter sei, wer im eigenen Namen darüber zu entscheiden habe, wie das Tier zu verwahren und zu beaufsichtigen sei (Ehrenzweig II 1, 675; SZ 26/121; ZVR 1964/201; EvBl 1970/326; SZ 55/62; EvBl 1986/111) oder der die Herrschaft in eigener Verantwortung ausübe (Koziol, Haftpflichtrecht II2, 403 f) bzw dessen Herrschaft nicht von Anordnungen Dritter abhängig sei (Oberhofer, Tierhalterhaftung im ländlichen Bereich, ZVR 1996, 34 ff; 35). Nach der deutschen Rechtsprechung sei Tierhalter, wem die Herrschaft über das Tier im Sinne der Entscheidungsgewalt über dessen Betreuung, Verwendung und letztlich dessen Leben - und damit die Existenz der Tiergefahr - zustehe und wer das Tier - nicht nur vorübergehend - selbstnützig verwende (Stein in Münchner Kommentar Rz 19 zu § 833 BGB). Das zuletzt genannte Kriterium des Interesses finde sich auch in der von Palandt/Thomas (BGB57, Rz 9 zu § 833) vertretenen Meinung, wonach Tierhalter derjenige sei, der die Bestimmungsmacht über das Tier habe und aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkomme, den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres für sich in Anspruch nehme und das Risiko seines Verlustes trage. Lorenz (Die Gefährdungshaftung des Tierhalters nach § 833 Satz 1 BGB, 182) wiederum betone, daß für einen Schaden des Tieres letztlich die Person haften solle, die um ihres Interesses willen, also weil sie vom Tier den Nutzen habe, andere Menschen der Tiergefahr aussetze. Halter sei demnach, wer dafür verantwortlich sei, daß die Gefahrenquelle überhaupt bestehe und in bestimmter Weise verwendet werde und aus diesem Bestehen den Nutzen ziehe. In Abgrenzung dazu habe derjenige kein Eigeninteresse und sei somit nicht Tierhalter, der nur Verrichtungen an den Tieren vornehme, beispielsweise Tiere transportiere oder versorge. Diese Tätigkeit werde aufgrund eines Auftrags-, Geschäftsbesorgungs-, Arbeits-, Dienst- oder Werkvertrages ausgeübt und dabei der Vorteil lediglich aus einer eigenen Leistung am Tier, nicht aber aus der Nutzung des Tieres selbst gezogen (Lorenz aaO 185). In diesem Sinne habe der deutsche Bundesgerichtshof (VersR 1978, 515) die Haltereigenschaft desjenigen, der lediglich Pferde transportierte, ebenso verneint wie jene (Lorenz aaO 210) des Unternehmers, der aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages das an der Laderampe ankommende Vieh zum Schlachthof zu befördern und während dieser Zeit zu füttern hatte. Die Haltereigenschaft beginne und ende mit der tatsächlichen Übernahme bzw Übergabe des Tieres. Entscheidend sei die konkrete Verwirklichung der Haltermerkmale (Harrer in Schwimann ABGB2 VII Rz 8 zu § 1320; Stein aaO Rz 22 zu § 833). Bei einem Versendungskauf treffe den Käufer schon die Halterhaftung für die Schäden, die das Tier während des Transportes verursache (Stein aaO). Der Verkäufer bleibe nur bis zur Übergabe bzw Versendung des Tieres an den Käufer Halter (Lorenz aaO, 215). Werde das Tier an einen Weisungsgebundenen zur Verwahrung übergeben, sei dieser naturgemäß nicht Halter, sondern nur Gehilfe (Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 7 zu § 1320; SZ 42/91). Fraglich sei allerdings, ob der Verwahrer, der für die Dauer der Verwahrung allein imstande sei, auf die Tiere einzuwirken, Mithalter der in Verwahrung genommenen Tiere werde oder lediglich Gehilfe des Tierhalters sei. Die tatsächliche Herrschaft über die Tiere spreche für, das mangelnde Eigeninteresse gegen eine Qualifikation des Verwahrers als Mithalter. Dazu werde auch die Auffassung vertreten, daß Mithalterschaft vorliege, wenn der Verwahrer die Tiere in seinen eigenen Wirtschaftsbetrieb übernehme, weil der "eigentliche" Tierhalter auf Sicherheitsvorkehrungen wie Stallungen, Umzäunungen oder Koppeln keinen Einfluß nehmen könne (Oberhofer, ZVR 1996, 35). Nach Koziol (Haftpflichtrecht II2, 404) sei die Stellung des Verwahrers problematisch und dieser aufgrund der tatsächlichen Herrschaft und der Weisungsfreiheit (zumindest Mit )Halter.

Das Berufungsgericht vertrat sohin die Ansicht, daß die Erstbeklagte jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Ankunft des Tiertransporters an der von ihr bestimmten Abladestelle beim Anwesen des Zweitbeklagten Halterin der Tiere gewesen (geworden) sei. Spätestens ab der Ankunft der Tiere am Bestimmungsort sei sie als Käuferin der Tiere und - nicht mehr deren Verkäufer - im eigenen Namen darüber zu entscheiden befugt gewesen, wie die Tiere zu verwahren und zu beaufsichtigen seien; ab diesem Zeitpunkt habe sie über die Existenz und Verwendung der Tiere bestimmen können, sodaß ihr von da an die Tierhaltereigenschaft zukomme. Der Erstbeklagten, die als Halterin von der Haftung nur im Falle der sorgfältigen Verwahrung oder Beaufsichtigung der Tiere befreit wäre (7 Ob 644/80), sei der ihr obliegende Nachweis, die nötige Vorsicht, insbesondere in der Frage der Anbringung einer wirksamen Absperrung, nicht gelungen. Ob der Tierhalter für die ausreichende Beaufsichtigung gesorgt habe, hänge nicht nur von der Verlässlichkeit des Aufsehers, sondern auch davon ab, ob dieser nicht offensichtlich überfordert werde (ZVR 1988/96). Den Tierhalter, der mit einer Gefahr durch entlaufene Tiere rechnen müsse und diese in unzweckmäßiger und wenig erfolgversprechender Weise suche, treffe ein Verschulden an der sich verwirklichenden Tiergefahr (2 Ob 251/70). Den Beklagten seien die dänischen Arbeiter, denen die Tiere zur Verwahrung anvertraut gewesen seien, damit überfordert erschienen, die Tiere auf der Ladefläche mit Halftern und Blenden zu versehen, sodaß nicht davon ausgegangen werden könne, daß die Erstbeklagte die notwendigen Vorkehrungen für eine sachgerechte Verwahrung der Tiere geschaffen habe. Dazu komme wiederum weiters, daß die Erstbeklagte keinerlei Maßnahmen zum Wiedereinfangen des entlaufenen und in weiterer Folge die Klägerin schädigenden Tieres ergriffen habe.

Eine Mithaltereigenschaft des Zweitbeklagten sei jedoch zu verneinen. Ihm mangle es jedenfalls an einer selbstnützigen Verwendung der Tiere, da er - der Stellung eines Tierarztes durchaus vergleichbar - nur einen Vorteil aus seiner eigenen Leistung am Tier in Form des Entgelts zu ziehen berechtigt gewesen sei. Eine abschließende Auseinandersetzung mit dem von der Literatur aufgeworfenen Problem der allfälligen Mithalterschaft des Verwahrers könne dahingestellt bleiben, weil die gegenständliche Kalbin nach den Feststellungen des Erstgerichtes den dänischen Arbeitern bereits auf der Ladefläche entkommen und vom Zweitbeklagten sohin noch gar nicht in Verwahrung übernommen worden sei.

Die Haftung des Zweitbeklagten sei jedoch nach dem sogenannten Ingerenzprinzip gegeben. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen habe jeder, der eine Gefahrenquelle - wenn auch erlaubterweise - schaffe, die zur Abwendung der daraus drohenden Gefahren nötigen Vorkehrungen zu treffen und den Beweis, die nötige Sorgfalt nicht vernachlässigt zu haben, zu erbringen (SZ 55/181 - richtig wohl: SZ 55/180). Unterlassungen seien nur dann rechtswidrig, wenn besondere vertragliche oder gesetzliche Pflichten bestünden oder wenn besondere Momente vorlägen, die bei einer Interessenabwägung es gerechtfertigt erscheinen ließen, Pflichten zu einem aktiven Tun vorzusehen (2 Ob 5/96). Unterlasse jemand die Abwendung einer Schädigung absolut geschützter Güter Dritter, so handle er rechtswidrig, wenn er die Gefahrensituation verursacht habe, wenn die Interessen des Gefährdeten wesentlich höher zu bewerten seien als jene des Untätigen oder wenn besondere vertragliche oder gesetzliche Pflichten bestünden (4 Ob 2030/96z ua in RIS-Justiz RS0022458). Der Zweitbeklagte habe als "Empfänger" einer Sendung durch den mehrstündigen Transport irritierter Jungrinder eine Gefahrenquelle hervorgerufen und wäre - jedenfalls nachdem während des Entladevorganges bereits ein Rind entkommen sei -, verpflichtet gewesen, geeignete Vorkehrungen gegen ein Entkommen weiterer Rinder im Zuge der vorgesehenen Übergabe an ihn zu treffen. Dem Zweitbeklagten sei der von ihm zu führende Nachweis, die nötige Sorgfalt nicht vernachlässigt zu haben, insbesondere in der Frage des Vorhandenseins einer Absperrung mißlungen. Er habe auch jegliche Maßnahmen zur Beseitigung oder Verringerung der von dem entwichenen Rind ausgehenden Gefahr unterlassen.

Die Haftung beider Beklagten für die der Klägerin zugefügten Schäden sei sohin gegeben. Das Erstgericht habe es jedoch unterlassen, zur Beurteilung des von den beklagten Parteien eingewendeten Mitverschuldens der Klägerin notwendige Feststellungen zum Verhalten der nach der eigenen Aussage der Klägerin ganz wild im Stall herumirrenden, der Klägerin Furcht einflößenden Kuh und der angeblichen Mahnung durch ihre Schwiegertochter (die Zeugin M*****), nicht ohne Stock zu dem Tier hinzugehen, zu treffen. Insoweit leide das Urteil an einem Feststellungsmangel. Das Verhalten der Klägerin wäre jedoch höchstens als 25 %iges Mitverschulden zu qualifizieren, sodaß unter Übernahme der vom Erstgericht getroffenen Schmerzensgeldausmessung und unter Bejahung des Feststellungsinteresses mit der eingangs beschriebenen Teilbestätigung bzw teilweisen Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht vorzugehen sei.

Die Revision gegen das Teilurteil sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Tierhaltereigenschaft beim Versendungskauf nicht aufzufinden sei und eine neuere höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Haltereigenschaft bei Tiereinstellungsverträgen und zur Konkurrenz von Tierhalter- und Eingriffshaftung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das berufungsgerichtliche Teilurteil erhobene Revision der Erstbeklagten ist nicht berechtigt, jene des Zweitbeklagten hingegen ist berechtig.

I. Zur Revision der Erstbeklagten:

Zunächst kann zu den Fragen der Tierhaltereigenschaft und -haftung der Erstbeklagten als Käuferin der Rinder auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO), gegen die in der Revision der Erstbeklagten nicht stichhältig argumentiert wird. Zuzugeben ist der Erstbeklagten, daß für das Vorliegen oder die Annahme eines Versendungskaufs (für den vorliegenden Tierkauf bzw Tiertransport) ausreichende Feststellungen der Tatsacheninstanzen nicht vorliegen, sodaß die erste vom Berufungsgericht für die Revisionszulassung aufgeworfene Frage ("Tierhaltereigenschaft beim Versendungskauf") hier nicht beantwortet werden kann; diese Frage muß aber auch nicht beantwortet werden, weil die Tierhaltereigenschaft der Erstbeklagten aus den vorliegenden Feststellungen im Sinne der vorinstanzlichen Entscheidung(en) verläßlich abzuleiten ist. Der Revision der Erstbeklagten ist entgegenzuhalten, daß sie nicht etwa ohne ihr Wissen oder ihre Beteiligung mit der Ankunft des Tiertransports am Bestimmungsort (Anwesen des Zweitbeklagten zur Quarantäneeinstellung) zum Tierhalter wurde, sondern nach den maßgeblichen Feststellungen ihr "Vertreter" (jedenfalls beauftragter Mitarbeiter) Ing. B***** den Tiertransport am Bestimmungsort beim Anwesen des Zweitbeklagten übernehmen sollte und zu diesem Zweck dort anwesend war und mitwirkte (wobei er nach seiner eigenen Aussage beauftragt war, die Tiere zu übernehmen und die Familie R***** bat, ihm dabei zu helfen: ON 9, AS 67). Damit waren aber die für die Haltereigenschaft der Erstbeklagten (Käuferin) maßgeblichen, insbesondere in der Entscheidung der zweiten Instanz dargelegten Kriterien (eigenverantwortliche Bestimmung über die Verwahrung und Beaufsichtigung der Tiere, unabhängig von Anordnungen Dritter) erfüllt. Hatten sich allenfalls die dänischen "Arbeiter" beim Entladevorgang aufgrund einer diesbezüglichen Übung (Vereinbarung) durch Tätigkeiten auf dem Transporter (Versehen der Tiere mit Halftern und Blendtüchern sowie Heruntertreiben oder -führen) zu beteiligen, so ändert dies nichts an der spätestens mit der Ankunft des Transports am Bestimmungsort begründeten Haltereigenschaft der Erstbeklagten.

Da die Erstbeklagte den Nachweis nicht erbrachte, die notwendige Sorgfalt bei der Verwahrung (hier Übernahme und/oder Beaufsichtigung) der übernommen bzw zu übernehmenden Tiere, insbesondere im Zusammenhang mit der Verhinderung einer Fluchtmöglichkeit beim Entladevorgang, sowie mit der Unterlassung einer Suche des entlaufenen Tieres oder Warnung der Umgebung vor diesem, aufgewendet zu haben, haftet sie grundsätzlich für jeden von diesem entwichenen Tier verursachten Schaden. Dem Gericht zweiter Instanz ist auch darin beizupflichten, daß der Klägerin angesichts ihres festgestellten, unmittelbar vor dem Schadenereignis gezeigten Verhaltens ein höheres als 25 %iges Mitverschulden nicht anzulasten ist, auch wenn sie - im Lichte ihrer Aussage - das vorangegangene Verhalten dieses fremden Tieres im Stall als wild und Furcht einflößend bezeichnet haben oder auch vor diesem Tier gewarnt worden sein sollte. Damit, daß das den Stall verlassende Tier in dem kurzen Zeitraum, der für das Schließen der Stalltüre von außen benötigt wurde, umdrehen und angreifen werde, mußte die Klägerin - unabhängig von den noch ausstehenden, hier unterstellten Feststellungen - nach der ganzen Sachlage nicht mehr rechnen. Gegen Grund und Höhe des im Teilurteil abgesprochenen Leistungs- und Feststellungsbegehrens bringt die Erstbeklagte in der Revision nichts vor, bestehen aber auch keine Bedenken.

Die Revision der Erstbeklagten bleibt somit ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO, wobei nach dem Revisionsstreitwert (187.500 S) der richtige Verdienstsummenansatz 5.500 S beträgt und der Klägerin die vollen Kosten ihrer gesonderten Revisionsbeantwortung - allerdings aus diesem Grunde ohne Streitgenossenzuschlag - und der Nebenintervenientin die halben Kosten ihrer - zu beiden Revisionen einheitlich erstatteten - Revisionsbeantwortung mit einem 10 %igen Streitgenossenzuschlag gebühren.

Zu II. Zur Revision des Zweitbeklagten:

Ist der Vorinstanz noch darin beizupflichten, daß der Zweitbeklagte schon aufgrund seiner festgestellten Rechtsposition gegenüber den zur Quarantäneeinstellung zu übernehmenden (übernommenen) Rindern, mit welchen er keineswegs nach seinem Gutdünken verfahren, sondern an denen er aufgrund der Vereinbarung mit der Erstbeklagten verdienen konnte, nicht als (Mit )Tierhalter anzusehen ist, zumal er auch die schadensstiftende Kalbin noch nicht in Verwahrung (zur Quarantäne) übernommen hatte, so vermag der erkennende Senat doch die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht zu teilen, daß der Zweitbeklagte schon durch die Bereitstellung seines (gepachteten) Anwesens zur Entladung und zur vereinbarten Einstellung der Rinder eine (Tier )Gefahrensituation geschaffen haben soll, die nach den von der Rechtsprechung (SZ 55/180; SZ 60/256 ua s RIS-Justiz RS0022458) herausgearbeiteten Voraussetzungen seine Haftung nach dem Ingerenzprinzip begründete. Die Bereitschaft zur Einstellung von Rindern, selbst von solchen aus einer dänischen Freilandhaltung, kann nicht mit der Übernahme und Einstellung von Wildtieren oder ganz allgemein für Menschen oder Sachen gefährlichen Tieren verglichen werden, weil mit der Entladung und Verbringung von Rindern in einen fremden Stall für die damit beschäftigten Personen regelmäßig zwar gewisse Mühen und Anstrengungen verbunden sein mögen, aber für die in der näheren oder ferneren Umgebung wohnenden Menschen oder Tiere keinerlei typischen Gefahren verbunden sind. Der Zweitbeklagte kann daher nicht unter den praktisch gleichen behauptungs- und beweisbelasteten Voraussetzungen wie die Tierhalterin deshalb zur Haftung herangezogen werden, weil die für eine Flucht verbliebene Lücke zwischen der Abladerampe und dem Hoftor nicht erweislich verschlossen war, und solcherart die schadensstiftende Kalbin entweichen konnte. Vielmehr ist ihm gegenüber festzuhalten, daß ihm dieses Tier noch nicht zur Quarantänehaltung übergeben worden ist, und ihm daher selbst die unterlassene Suche oder Warnung nicht zum Verschulden angerechnet werden kann.

Diese Erwägungen führen in Stattgebung der Revision des Zweitbeklagten zur Abweisung des mit dem bekämpften Teilurteil der Klägerin zuerkannten Klagebegehrens (75 % des Leistungs- sowie des Feststellungsbegehrens jeweils zur ungeteilten Hand mit der Erstbeklagten) gegen den Zweitbeklagten.

Der diesbezügliche Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.