JudikaturJustiz4Ob319/86

4Ob319/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. April 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***-WERK, S*** VON Z***- UND

S*** G*** M.B.H. CO. KG, Wien 12.,

Wienerbergstraße 63-65, vertreten durch Dr. Gottfried Peloschek und Dr. Wolf Dieter Arnold, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) August B*** Nachfolger OHG, Gevelsberg, BRD, vertreten durch Dr. Gerhard Benn-Ibler, Rechtsanwalt in Wien,

2.) Engelbert Z*** G*** M.B.H., Wien 5., Kleine

Neugasse 5, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth und Dr. Wolfgang Wagner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung, Beseitigung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 1,5 Millionen) infolge Rekurses aller Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. November 1985, GZ. 4 R 172/85-35, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 2. Mai 1985, GZ. 19 Cg 95/83-89, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1.) Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben. Den Rekursen der erst- und zweitbeklagten Partei wird Folge gegeben, der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes aufgehoben und

2.) in der Sache selbst durch Urteil unter Bedachtnahme auf die Berufung der klagenden Partei im Kostenpunkt dahin zu Recht erkannt, daß das Ersturteil in der Hauptsache wiederhergestellt und die klagende Partei schuldig erkannt wird.

a) der erstbeklagten Partei die mit S 88.258,60 bestimmten Kosten (davon S 6.444,60 Umsatzsteuer und S 17.368,- Barauslagen) und

b) der zweitbeklagten Partei die mit S 56.874,85 bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz (davon S 5.053,35 Umsatzsteuer und S 1.288,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien folgende Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen:

a) der erstbeklagten Partei an Kosten des Berufungsverfahrens

S 32.667,35 (davon S 2.668,85 Umsatzsteuer und S 3.200,- Barauslagen) und die Verfahrenskosten dritter Instanz von

S 79.798,60 (davon S 6.672,60 Umsatzsteuer und S 6.400,- Barauslagen)

b) der zweitbeklagten Partei die Kosten des Berufungsverfahrens von S 17.700,45 (davon S 1.390,95 Umsatzsteuer und S 2.400,- Barauslagen) und die Verfahrenskosten dritter Instanz von

S 41.499,30 (davon S 3.336,- Umsatzsteuer und S 4.800,- Barauslagen).

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei erzeugt und verkauft Spezialzylinder und Sicherheitsschlösser. Sie ist Inhaberin der österreichischen Patente Nr. 340.802 (Beginn der Patentdauer: 15.4.1977) und Nr. 371.879 (Beginn der Patentdauer: 15.3.1978), die "Schlüssel-Schloßkombinationen" betreffen. Die erstbeklagte Partei, die ihren Sitz in der BRD hat, erzeugt Schlüsselrohlinge, die es den Schlüsseldiensten ermöglichen, Schlüssel zu den Schlössern der verschiedensten Art herzustellen. Die erstbeklagte Partei bot in einem Katalognachtrag einen Zylinderschlüsselrohling "Börkey Nr. 1366", passend für EVVA-Profilzylinder an und verkaufte ca. 115 Schlüsselrohlinge dieser Sorte (Beilage A=1) an die zweitbeklagte Partei, die derartige Schlüsselrohlinge insbesondere an Schlüsseldienste vertreibt.

Die Patentansprüche der genannten Patente der klagenden Partei (im folgenden auch: "Klagspatente") lauten: 1. Österreichisches Patent Nr. 340.802

"1. Schlüssel-Schloßkombination, insbesondere unter Verwendung von Flachschlüsseln bei Zylinderschlössern für Verschlußanlagen, wobei der Schlüssel und der Schlüsselkanal ein innerhalb einer Schließanlage invariables Grundprofil und ein variables Profil, die zusammen das Gesamtprofil ausmachen, umfassen und sowohl das Grundprofil (Profilelemente A, B, C) als auch das variable Profil (Profilelemente o, p, q, r) über den zum Sperren oder Entriegelung wirksamen Schlüsselbereich verteilt vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, daß ausgehend von einem theoretischen führungsteillosen Gesamtprofil in Form zick-zack-förmig unmittelbar aneinander anschließender Rhomben, an die seitlich in Spalten (6, 7) über die Gesamthöhe jedes Rhombus die Profilelemente (A, B, C, o, p, q, r), die auch in quer zu den Spalten liegenden Zeilen (6, 7) angeordnet sind, anschließen, durch Bestehenlassen oder Wegnehmen von Profilelementen (A, B, C, o, p, q, r) Profilvariationen gebildet sind.

2. Schlüssel-Schloßkombination nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß alle Zeilen (16 - 22) untereinander gleiche Dimensionen besitzen und auch die Spalten (6, 7) untereinander gleich dimensioniert sind.

3. Schlüssel-Schloßkombination nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Zwischenraum (24) zwischen den Spalten (6, 7) kleiner ist als die Breite dieser Spalten.

4. Schlüssel-Schloßkombination nach den Ansprüchen 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Ecken der Rhomben abgerundet bzw. abgeflacht sind.

5. Schlüssel-Schloßkombination nach den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Grundprofilelemente (A, B, C) und die variablen Profilelemente (o, p, q, R) beim theoretischen führungsteillosen Gesamtprofil, von dem ausgegangen wird, kongruent sind."

Rechtliche Beurteilung

Die von den beklagten Parteien gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurse (- das von der zweitbeklagten Partei erhobene Rechtsmittel wurde irrig als "Revision" bezeichnet -) sind berechtigt, nicht jedoch der Rekurs der klagenden Partei.

Gegenstand der Erfindung iS des § 22 Abs. 1 PatG ist der in den Patentansprüchen definierte Lösungsgedanke im Zusammenhang mit der durch ihn gelösten Aufgabe. Er bestimmt das Wesen und den Umfang des dem Patentinhaber gewährten Schutzes, also den sogenannten "Schutzumfang" des Patents. Entscheidend ist nicht, was erfunden wurde, sondern allein, wofür der Schutz in Anspruch genommen wurde und gewährt worden ist (Friebel-Pulitzer, Österreichisches Patentrecht 2 190, 191 f; ÖBl. 1980, 121 mwN; ÖBl. 1985, 38). Da Patentanmeldungen (insbesondere die dazu formulierten Patentansprüche) Willenserklärungen sind, sind sie nach den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen (Friebel-Pulitzer aaO 192 f, ÖBl. 1980, 121 mwN; ÖBl. 1985, 38 ua). Dabei ist auf die Patentbeschreibung insoweit angemessen Rücksicht zu nehmen, als dies zur Klarstellung einer nicht eindeutigen Formulierung erforderlich ist, weil es bei der Ermittlung des Schutzumfanges des Patentes so wie bei der Ermittlung des Inhaltes sonstiger Willenserklärungen nicht auf den Wortlaut, sondern auf den Sinn der im Patentanspruch zum Ausdruck gekommenen Erklärung ankommt (Friebel-Pulitzer aaO 194; ÖBl. 1980, 121 mwN; ÖBl. 1985, 38 ua).

Beide Vorinstanzen zogen aus der Formulierung des Oberbegriffs in den Patentansprüchen und aus dem Inhalt der Patentbeschreibungen der Klagspatente zutreffend den Schluß, daß beide Patente keine einzelnen Schlösser (mit den jeweils dazugehörenden Schlüsseln) sondern nur bestimmt ausgestaltete Schließanlagen schützen. Der sogenannte Oberbegriff (beschreibende Teil) eines Patentanspruches soll das technische Gebiet und den Gegenstand der Erfindung angeben, auf die sich die im kennzeichnenden Teil umschriebene Erfindung beziehen soll (Benkard, PatG 7 696; PBl. 1938, 108; auch PBl. 1973, 7). Daran schließt der kennzeichnende Teil, der die neuen Lösungsmittel enthält. Für die richtige Erfassung der Erfindung ist daher in aller Regel vom Oberbegriff auszugehen und dieser als wesentlicher Teil der Erfindungsbeschreibung zu würdigen (PBl. 1938, 108); allerdings kann auch ein von dieser Regel abweichender Aufbau des Patentanspruches für die Ermittlung des Gegenstandes des Patentes ohne Einfluß sein. Für den Gegenstand eines aus mehreren Merkmalen bestehenden Patentes kann es auch belanglos sein, ob ein Merkmal im Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil des Anspruchs steht; umgekehrt ist die Unterbringung des einen oder anderen Merkmals im kennzeichnenden Teil kein Beweis dafür, daß gerade hierin das Erfinderische zu erblicken ist (Benkard aaO 410 f). Mit dem Ausdruck "Schlüssel-Schloßkombination" sind, wie die Bezugnahme beider Patentschriften auf bestehende Vorveröffentlichungen (insbesondere DE-AS 1553482) deutlich macht, "Hauptschlüsselanlagen" (Zentralschloßanlagen) gemeint, also Anlagen, die aus mehreren (ähnlichen) Schlössern bestehen, denen ein System über- und untergeordneter Schlüssel (eine sogenannte "Schlüsselhierarchie") zugeordnet ist. Die Behauptung der klagenden Partei, der Schutzbereich der Patente umfasse auch einzelne Schlösser, ist auch aus der Wortfolge "Schlüssel-Schloßkombination, insbesondere unter Verwendung von Flachschlüsseln bei Zylinderschlössern für Verschlußanlagen, wobei...." nicht abzuleiten; auch bei der Auslegung von Patentansprüchen geht der Sinn der Erklärung dem (nicht eindeutigen) Wortlaut vor. Die Beschränkung des Patentschutzes auf "Schließanlagen" (Hauptschlüsselanlagen = Zentralschloßanlagen) ergibt sich zweifelsfrei aus der im Oberbegriff beider Klagspatente enthaltenen Wendung, daß "der Schlüssel und der Schlüsselkanal ein innerhalb einer Schließanlage invariables Grundprofil und ein variables Profil, die zusammen das Gesamtprofil ausmachen, umfassen...." An einem einzelnen Schlüssel und einem einzelnen Schlüsselkanal ist ein variables Profil (das zusammen mit dem invariablen Grundprofil das Gesamtprofil ausmacht) nicht ablesbar. Diese Begriffe sind auf Einzelschlösser überhaupt nicht anwendbar. Die Merkmale "Grundprofil" und "invariables Profil" setzen einen Vergleich zwischen mehreren Schlüsseln innerhalb einer Schließanlage voraus. Es muß eine Schlüsselhierarchie vorliegen, für die mindestens drei Schlüssel erforderlich sind und zwar zwei Schlüssel für Einzelschlösser und ein übergeordneter Schlüssel, dem kein gesondertes Schloß zugeordnet ist, der aber die beiden (unterschiedlichen, wenn auch im Aufbau verwandten) Einzelschlösser sperrt. Die Beschränkung der Erfindung auf "Schließanlagen" geht aber auch aus den in den Patentschriften offenbarten Zielsetzungen deutlich hervor. Beide Patentschriften gehen vom bekannten Stand der Technik aus. Sie weisen auf die Nachteile hin, die sich bei den bereits bekannt gewordenen Schlüssel-Schloßkombinationen dadurch ergeben, daß stets ein bestimmter Teil des Schlüssels (im Bereich des Schlüsselrückens) das Grundprofil bildet, an das das variable Profil getrennt anschließt, was die Zahl der Variationsmöglichkeiten stark einschränkt, da das Grundprofil keinen Beitrag zur Differenzierung leistet. Diese Nachteile sollen bei der patentgemäßen Ausbildung der Schlüsselsysteme vermieden werden. Nach dem Patent Nr. 340.802 ist erfindungswesentlich, daß die beiden Profilarten über den gesamten wirksamen Schlüsselbereich verteilt angeordnet sind, wobei diese Profile in beliebiger Reihenfolge aneinander anschließen können, ohne daß das Grundprofil nur in unmittelbarer Nähe des Schlüsselrückens liegt. Nach dem Patent Nr. 371,874 ist wesentlich, daß die Profile ineinandergeschachtelt vorgesehen sind, so daß auf jeder Seite des Schlüssels mindestens ein Profilelement des Grundprofils zwischen zwei Profilelementen des variablen Profils (und umgekehrt) liegt. Das Erfinderische und Fortschrittliche beider Klagspatente beruht somit auf Eigenschaften, die nur bei Schlüsselsystemen (Schlüsselhierarchien) vorhanden sein können.

Damit ist freilich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, noch nicht ausgeschlossen, daß auch bloß durch die Herstellung (den Vertrieb) eines einzelnen Schlüssels (oder sogar nur eines Schlüsselrohlings) in die (Schlüssel-Schloßkombinationen betreffenden) Patente eingegriffen wurde. Aus den der Entscheidung ÖBl. 1980, 121 zugrundeliegenden Gedankengängen ergibt sich freilich der vom Berufungsgericht angenommene patentrechtliche "Teilschutz", der insbesondere für sogenannte Kombinationspatente von Bedeutung ist (vgl. zu diesen Problemen Benkard aaO 463 ff;

Friebel-Pulitzer aaO 207 ff) nicht. Der Entscheidung ÖBl. 1980, 121, lagen nämlich Patente zugrunde, mit denen der Schutz sowohl für einen bestimmten Werkzeughalter (für Bohrhämmer) als auch für ein Werkzeug (Bohrer) für den entsprechend gekennzeichneten Werkzeughalter in Anspruch genommen wurde und das Werkzeug naturgemäß anders gekennzeichnet war als die Werkzeughalter. Der erkennende Senat hielt damals dem Einwand der Beklagten, das Werkzeug könne auch in jedem nicht durch die Klagspatente geschützten Werkzeughalter verwendet werden, entgegen, daß beide geschützten Bestandteile der Erfindung einander bedingten und ihnen der gleiche Schutz (ungeachtet der Inanspruchnahme des Schutzes des Werkzeuges in einem bloßen Unteranspruch) zukäme. Vorliegend verhält es sich aber anders, weil die klagende Partei einen gesonderten Patentschutz für Schlüssel mit bestimmten Schlüsselprofilen nicht ausdrücklich in Anspruch genommen hat. Sie begehrt vielmehr im Rahmen der geschützten Verschlußanlagen den Schutz für bestimmte Profilvariationen, die eine Schlüsselhierarchie voraussetzen. Wie bereits oben ausgeführt wurde, kann nach herrschender Auffassung der Schutzumfang eines österreichischen Patentes das im Patentansuchen gestellte Schutzbegehren nicht übersteigen. Der Patentinhaber wird nicht in weiterem Umfang geschützt, als er es verlangt hat (Friebel-Pulitzer aaO 190). Das gilt auch dann, wenn der Patentschutz für einzelne Teile oder Elemente einer Erfindung hätte in Anspruch genommen werden können. Auch hier ist nicht maßgeblich, was geschützt hätte werden können, sondern was nach dem Anspruchswortlaut tatsächlich geschützt ist

(Friebel-Pulitzer aaO 207, 209; ÖBl. 1975, 137 mwN). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß unwesentliche Änderungen nicht aus dem Schutzumfang des Anspruches herausführen (Friebel-Pulitzer 207). Auch in der Verwendung eines Teiles der im Patentanspruch beschriebenen Gesamtvorrichtung kann somit eine Schutzrechtsverletzung liegen, wenn im benützten Teil der geschützte Erfindungsgegenstand bis auf selbstverständliche und wirtschaftlich sinnvolle Ergänzungen verwirklicht ist, die keine besondere Eigentümlichkeit aufweisen (Benkard aaO 463).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Beide Patente schützen Schlüssel-Schloßkombinationen als Sachgesamtheiten, die aus Schlössern und Schlüsselhierarchien bestehen. Die einander entsprechenden Schlüssel und Schlüsselkanäle in den Schlössern sind durch Bildung bestimmter Profilvariationen gekennzeichnet und zwar im Patent Nr. 371.874 durch Ineinanderschachteln von Profilelementen des Grundprofils und des variablen Profils und im Patent Nr. 340.802 durch Bestehenlassen oder Wegnehmen von Profilelementen. Auch im kennzeichnenden Teil des Patentes Nr. 340.802 wird durch Bezugnahme auf die Profilelemente A, B, C (die nach dem Oberbegriff das Grunfprofil bilden) und o, p, q, r (die nach dem Oberbegriff das variable Profil bilden) auf Merkmale Bezug genommen, die nicht in der Kennzeichnung eines einzelnen bestimmten Schlüsselprofils bestehen, sondern ihrem Wesen nach Variationsmöglichkeiten von Schlüsselsystemen beschreiben. Der erfindungsgemäße Vorteil dieser Systeme liegt neben der leichteren Herstellbarkeit im wesentlichen darin, daß

a) gegenüber bekannten Schlüsselanlagen die Zahl der Variationsmöglichkeiten bedeutend erhöht wird,

b) mangels leichter Erkennbarkeit des Grundprofils ein übergeordneter Schlüssel aus einem nachgeordneten schwer nachgemacht werden kann. Diese Aufgaben werden dadurch gelöst, daß

a) beide Profilarten über den gesamten wirksamen Schlüsselbereich (bzw. die gesamte Schlüsselhöhe) verteilt angeordnet sind und das Grundprofil an beliebiger Stelle angeordnet werden kann,

b) beim Patent Nr. 371.879 die für das Hauptprofil (= Grundprofil) reservierten Profilnuten, deren Form und Anzahl verschiedenartig sein kann, in sich noch variiert werden können.

Aus diesen Aufgabenstellungen und ihren Lösungen folgt aber, daß in der bloßen Kennzeichnung bestimmter Schlüsselprofile - im Patent Nr. 371.879 ist ohnehin nur von einer nicht näher beschriebenen Ineinanderschachtelung der Profile die Rede - die besondere Eigentümlichkeit der Erfindungen, nicht erfaßt wird, weil ihr Wesen erst in der besonderen Bildung der Profilvariationen mit einem an beliebiger Stelle angeordneten Grundprofil innerhalb einer Schlüsselhierarchie liegt. Das Erfinderische besteht somit in einer Kombinationslösung, aber nicht darin, daß der Eingriffsgegenstand das im Patent Nr. 340.802 als bloßes Teilmerkmal gekennzeichnete Profil in Form zick-zack-förmig unmittelbar aneinander anschließender Rhomben (oder Rhomboide) hat. Daß diese Form nicht das Wesen der Erfindung ausmacht, ergibt sich schon daraus, daß die Patentschrift Nr. 340.802 auf die Vorveröffentlichung DE-AS 1553482 verweist, die, wenn auch mit anderen Formulierungen im dortigen Patentanspruch von einer ähnlichen Schlüsselgrundform (vgl. dort Figur 4) ausgeht. Auch die kennzeichnenden Merkmale des Hauptanspruchs des Patents Nr. 371.879 können aus dem beanstandeten einzelnen Schlüsselrohling nicht abgelesen werden, weil die - nur bei einer Schlüsselhierarchie mögliche - Anordnung von Profilelementen des Grundprofils zwischen zwei Profilelementen des variablen Profils das Wesen der Erfindung ausmacht, dieses Merkmal aber am Eingriffsgegenstand begrifflich nicht vorhanden sein kann. Auch hier kommt daher ein Teilschutz nicht in Frage. Ein einzelner Schlüsselrohling, aus dem wegen seiner Form ("zick-zack-förmig unmittelbar aneinanderschließende Rhomben") durch entsprechende Bearbeitung ein in die geschützten Schlüssel-Schloßkombinationen passender Schlüssel hergestellt werden kann, greift wegen dieses Merkmals noch nicht in die klagsgegenständlichen Patente ein. Diese beziehen sich auf die Ausgestaltung von Schlüsselsystemen und damit auf die besonderen Ähnlichkeitsverhältnisse der in einer Schlüsselhierarchie zusammengefaßten Einzelschlüssel. Es ist damit auch bedeutungslos, ob ein einzelnes Schloß, zu dem ein solcher Schlüssel paßt, durch Anwendung der in den Patenten beschriebenen technischen Lehren in eine patentgeschützte Zentralschloßanlage ausgebaut werden könnte. Da sich die Klage auf Patentverletzungen (§§ 147 ff PatG) stützt, sind Fragen der Beeinträchtigung der Sicherheit der von der klagenden Partei hergestellten Schließanlagen dadurch, daß einzelne Schlüsselrohlinge auf den Markt gebracht werden, die nach entsprechender Bearbeitung Schlösser dieser Anlage sperren, rechtlich nicht relevant. Wenn es sich aber um Anlagen handelt, bei denen, wie die klagende Partei selbst vorbringt, ein Nachschlüssel nur gegen Vorlage eines Berechtigungsschein vom autorisierten Schlosser hergestellt werden darf, so sind die Besorgnisse der klagenden Partei, die Sicherheit ihrer Anlagen würden beeinträchtigt, nicht verständlich. Setzt man nämlich die regelmäßige Einhaltung dieser Sicherheitsbestimmungen voraus, so darf der beanstandete Schlüsselrohling "Börkey Nr. 1366" ohnehin nur dazu verwendet werden, um für verfügungsberechtigte Inhaber bereits bestehender Schließanlagen, die die klagende Partei geliefert hatte, im Bedarfsfall (bei Unbrauchbarwerden und Verlust eines Schlüssels) einen passenden Nachschlüssel herzustellen. Eine derartige Maßnahme fällt aber bereits in das Recht des Erwerbers eines patentgeschützten Gegenstand, diesen zu gebrauchen. Zum Gebrauch gehören die üblichen Maßnahmen zur Inbetriebnahme, Pflege und Ausbesserung (Benkard aaO 339). Bei Benützungen des beanstandeten Schlüsselrohlings in diesem Umfang wäre der Patentschutz der klagenden Partei überhaupt erschöpft.

Das Verfahren ist somit im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes (§ 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO) spruchreif. Mit der Berufung gegen das Ersturteil hat die klagende Partei zwar auch unrichtige Sachverhaltsfeststellung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht; einer Erledigung dieser Rüge durch das Berufungsgericht bedarf es jedoch nicht, weil sie keine entscheidungswesentlichen Punkte betreffen. Die Auslegung des Umfanges des Patentschutzes ist im vorliegenden Fall weitgehend eine Rechtsfrage, die auf Grund der durch die Beweisrüge der klagenden Partei unberührt gebliebenen erstgerichtlichen Feststellungen und auf Grund des Inhaltes der Patentschriften gelöst werden konnte. Bei der Entscheidung über die Verfahrenskosten zweiter Instanz war auf die in diesem Punkt berechtigte Berufung der klagenden Partei Rücksicht zu nehmen. Auf die erstbeklagte Partei entfällt von den aufgelaufenen Sachverständigenkosten nur der Hälftebetrag von S 12.500,-. Wegen dieses Erfolges waren die von der klagenden Partei der erstbeklagten Partei zuzusprechenden Kosten des Berufungsverfahrens um die Kosten eines Kostenrekurses auf der Basis eines Streitwerts von S 7.500,-, zu kürzen. Im übrigen gründen sich die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf die §§ 41, 50 ZPO.

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