JudikaturJustiz4Ob235/13g

4Ob235/13g – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. April 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei ***** L***** AG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 35.000 EUR) und Unterlassung (Streitwert 35.000 EUR) sA, im Provisorialverfahren nur wegen Unterlassung (Streitwert 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. November 2013, GZ 1 R 172/13s 21, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht hat die durch das Erstgericht erfolgte Abweisung des Sicherungsantrags der Klägerin, der Beklagten zu verbieten, aufgrund des Urteils des Handelsgerichts Wien vom 31. 3. 2011, AZ 19 Cg 31/04m, in Kenntnis des Urteils des EuGH vom 24. 5. 2012, C 98/11P, gegen die Klägerin wegen Herstellung, Anbots, Bewerbung, Vertriebs, Ausfuhr und sonstigen Inverkehrbringens von Schokolade-Osterhasen des im Antrag dargestellten Aussehens Exekution zu führen, bestätigt. Den ordentlichen Revisionsrekurs hat das Rekursgericht nicht zugelassen.

In der Zulassungsbeschwerde ihres außerordentlichen Revisionsrekurses macht die Klägerin geltend, das Rekursgericht habe die Frage, was überhaupt Gegenstand des Rekursverfahrens sei, unrichtig gelöst, indem es den Schutzumfang der Marke mit deren Schutzfähigkeit gleichsetze. Zur Frage, ob Gemeinschaftsmarkengerichte die Verwechslungsgefahr in ihrem gesamten Zuständigkeitsbereich nach Art 8 Abs 1 lit b GMV zu beurteilen hätten und ob sie dabei an die Rechtsprechung des EuGH gebunden seien, fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt die Klägerin keine iSv § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf. Ihr außerordentlicher Revisionsrekurs ist daher unzulässig .

1. Die Klägerin argumentiert, aus der Entscheidung des EuGH C 98/11P ergebe sich, dass der Schutzbereich der klagsgegenständlichen Gemeinschaftsmarke der Beklagten, GM *****, eingeschränkt werde, zumal der Gesamteindruck nicht (mehr) durch die sitzende Haltung des Hasen, die Goldfarbe und die rote Schleife geprägt werde, sondern nur noch durch das Firmenschlagwort. Mag auch die Schutzfähigkeit (Rechtsgültigkeit) der gegenständlichen Gemeinschaftsmarke unbestritten sein, so sei doch deren Schutzumfang aufgrund der genannten EuGH-Entscheidung neu (abweichend) zu beurteilen.

2. Zur gegenständlichen Gemeinschaftsmarke der Beklagten, GM *****, hat der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 239/04g ausgeführt, aufgrund der bindend fest stehenden Rechtsgültigkeit der Marke sei davon auszugehen, dass die ihren Gegenstand bildende Form, Färbung und Aufmachung des Schokoladehasen unterscheidungskräftig sei und damit als Herkunftshinweis aufgefasst werde.

3. In der Entscheidung 17 Ob 30/11b wurde ausgesprochen, dass das Urteil des EuG T 336/08 - in einem Eintragungsverfahren über eine andere Gemeinschaftsmarke der Beklagten (GM *****), welche sich von der klagsgegenständlichen nur dadurch unterscheidet, dass das Firmenlogo der Beklagten fehlt -, das von der Entscheidung des EuGH, C 98/11P, bestätigt wurde, keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Markenverletzungsstreit entfalte.

4. Ob die zitierte Rechtsprechung des EuGH zu einer von 4 Ob 239/04g abweichenden Beurteilung des Schutzumfangs der gegenständlichen Gemeinschaftsmarke führt, ist im vorliegenden Provisorialverfahren (noch) nicht zu beurteilen. Die Klägerin stützt ihren Sicherungsantrag auf § 1 UWG (Behinderungswettbewerb).

5. Der Senat hat in der Entscheidung 4 Ob 91/12d im Zusammenhang mit dem Urteil des EuGH vom 9. 11. 2010, C 640/08, zum Zugabenrecht die Untersagung bestimmter Exekutionsmaßnahmen als unlauter nach § 1 UWG grundsätzlich für möglich gehalten. Dort ging es um die Anwendung einer durch das EuGH-Erkenntnis weitgehend obsolet gewordene Gesetzesbestimmung, welche die Grundlage für die Exekutionsmaßnahmen bildete. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung setzt nach der genannten Entscheidung des Senats eine wissentlich rechtswidrige Exekutionsführung durch die Beklagte voraus.

Für eine wissentlich rechtswidrige (beabsichtigte) Exekutionsführung bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Ob die Entscheidung des EuGH C 98/11P eine andere Auslegung des im Vorverfahren erlassenen Titels erzwingt, kann daher im Sicherungsverfahren offen bleiben.