JudikaturJustiz4Ob210/18p

4Ob210/18p – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Unternehmen *****, Russland, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S***** B.V., *****, Luxemburg, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung und Rechnungslegung (Stufenklage; Streitwert 112.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. September 2018, GZ 2 R 172/14y 436, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts Linz vom 12. August 2014, GZ 5 Cg 206/04w 168, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen gemäß § 190 Abs 1 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung des derzeit beim Obersten Gerichtshof der Niederlande (Hoge Raad) zu AZ C1804090002 über die Revision der hier beklagten Partei vom 9. April 2018 gegen das Urteil des Gerichtshofs Den Haag vom 9. Jänner 2018 behängenden Verfahrens unterbrochen.

Das Revisionsverfahren wird nur über Antrag unter Vorlage der im niederländischen Verfahren getroffenen neuen Entscheidung unter Anschluss einer beglaubigten Übersetzung in die deutsche Sprache fortgesetzt.

Text

Begründung:

Die Parteien streiten um die Rechte an den österreichischen Marken „Moskovskaja“ und „Stolichnaja“ für Wodka.

Mit Klage vom 16. Juli 2004 machte die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des ursprünglich berechtigten russischen Staatsbetriebs Unterlassungs-, Beseitigungs-, Urteilsveröffentlichungs- und Rechnungslegungsansprüche im Rahmen einer Stufenklage aus den erwähnten österreichischen Marken aufgrund von in Österreich gesetzten Benützungs- und Verletzungshandlungen der Beklagten geltend. Die Beklagte behauptet ihrerseits, dass sie – aufgrund einer Gesamtrechtsnachfolge – Inhaberin der fraglichen österreichischen Marken geworden sei.

Ursprünglich war ein russischer Staatsbetrieb Inhaber der fraglichen Marken. Im Zusammenhang mit dessen Privatisierung Anfang der 1990er Jahre und deren Überprüfung ab dem Jahr 2000 stellt sich die Frage, welche der Parteien die materiell Berechtigte aus den strittigen Marken ist.

Die Klägerin führt seit 2003 vor den niederländischen Gerichten gegen die Beklagte ein Verfahren betreffend die Inhaberschaft und die Verletzung der entsprechenden Benelux Marken. Im niederländischen Verfahren wurde zunächst ein (im Instanzenzug überprüftes) Zwischenurteil über bestimmte Vorfragen gefällt, in dem unter anderem ausgesprochen wurde, dass die fraglichen Benelux Marken nicht im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die privatisierte Handelsgesellschaft übergegangen, sondern beim russischen Staatsbetrieb verblieben sind und die Klägerin im Markenstreit aktiv legitimiert ist, sowie dass der Verjährungseinwand der Beklagten nicht stichhaltig ist. Am 25. März 2015 fällte das Erstgericht das Endurteil im niederländischen Verfahren. In der Begründung dieser Entscheidung wurde ausgeführt, dass kein Grund für ein Abgehen von der bisherigen Beurteilung bestehe, weil das Gericht an die bisher im Verfahren geäußerten Ansichten gebunden sei. Mit Urteil vom 9. Jänner 2018 bestätigte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichts. Gegen diese Entscheidung erhoben die Beklagten am 9. April 2018 Revision an den Hoge Raad, der nunmehr für den 25. Jänner 2019 eine mündliche Verhandlung anberaumt hat.

Das vorliegende österreichische Verfahren befindet sich im dritten Rechtsgang. Das Erstgericht gab mit Urteil vom 12. August 2014 dem (Haupt )Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte – im dritten Rechtsgang – diese Entscheidung. Zur Begründung führte es aus, dass die Fragen zur Rechtswirksamkeit der Gesamtrechtsnachfolge der russischen Handelsgesellschaft, zur Möglichkeit der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Privatisierung und zur Aktivlegitimation der Klägerin aufgrund der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 4 Ob 88/18x im Sinn des Prozessstandpunkts der Klägerin geklärt seien. Die Ansprüche der Klägerin seien auch nicht nach § 58 Abs 1 MSchG verwirkt. Die Frage, ob ein kumulativer Zuspruch der Ansprüche nach § 53 Abs 1 bis 3 MSchG (angemessenes Entgelt, Schadenersatz, Herausgabe des erzielten Gewinns, Duplum des gebührenden Entgelts) berechtigt sei, könne im Rahmen der Stufenklage erst im Endurteil geklärt werden. Auf eine Verjährung des Rechnungslegungsanspruchs könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie im erstinstanzlichen Verfahren keinen derartigen Einwand erhoben habe. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung erhob die Beklagte außerordentliche Revision, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.

Angesichts der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch den Hoge Raad wird das Revisionsverfahren von Amts wegen unterbrochen:

Nach § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit wegen eines anderen anhängigen Zivilprozesses oder Verwaltungsverfahrens unterbrochen werden, wenn im anderen Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, von deren Beurteilung die Entscheidung in der Hauptfrage ganz oder teilweise abhängt (Präjudizialität). Das Gericht hat dabei unter sorgfältiger Berücksichtigung aller Umstände nach freiem Ermessen vor allem unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit zu beurteilen, ob die – auch noch im Revisionsverfahren zulässige – Unterbrechung des Rechtsstreits nach Lage des Falles gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall kann das Verfahren auf so lange Zeit unterbrochen werden, bis in Ansehung der präjudiziellen Vorfrage für das vorliegende Verfahren eine bindende Entscheidung vorliegt.

Im vorliegenden Revisionsverfahren ist strittig, ob die Entscheidungen der niederländischen Gerichte zu den auch für das vorliegende Verfahren maßgebenden Fragen nach den einschlägigen Normen des Unionsrechts für die österreichischen Gerichte bindend sind. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 4 Ob 88/18x ausgehend von dem im österreichischen Verfahren eingeholten Rechtsgutachten die Bindung an die im niederländischen Verfahren entschiedenen präjudiziellen Vorfragen (zur Unwirksamkeit der Gesamtrechtsnachfolge bei Gründung der russischen Handelsgesellschaft, zur Aktivlegitimation der Klägerin im Markenstreit sowie zur Verjährung der Geltendmachung der Nichtigkeit der russischen Umwandlung). Diese Fragen sind für das vorliegende Verfahren präjudiziell.

Sollte der Hoge Raad diese Fragen – gegebenenfalls unter Neubeurteilung der Bindung an im Rechtsmittelverfahren überprüfte Vorfragen – in seiner ausstehenden Entscheidung inhaltlich beurteilen, so würde sich dies auch auf das vorliegende Verfahren auswirken. Im Fall einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der Rechtslage entfällt nämlich die Bindung an die in einem Aufhebungsbeschluss geäußerte Rechtsansicht (RIS Justiz RS0037797). Dies gilt auch für eine bindende neue Entscheidung des EuGH (6 Ob 309/05t) und damit vergleichbar auch für den Fall einer neuen Entscheidung eines ausländischen Gerichts, der Bindungswirkung zukommt. Bei den in Rede stehenden Fragen handelt es sich um Rechtsfragen und nicht etwa um eine Ergänzung des Sachverhalts, auf die wegen des Neuerungsverbots keine Rücksicht genommen werden könnte.

Insgesamt erweist sich die Unterbrechung des Revisionsverfahrens – bis zur rechtskräftigen Beendigung des vor den niederländischen Gerichten behängenden präjudiziellen Verfahrens – als zweckmäßig. Das Revisionsverfahren wird nur über Antrag fortgesetzt.