JudikaturJustiz4Ob153/07i

4Ob153/07i – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Oktober 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Peter R*****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei

1. Ö*****, 2. N*****, Deutschland, beide vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, 3. A*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die auf Seiten der beklagten Parteien beigetretene Nebenintervenientin Dr. Katharina R*****, vertreten durch Dr. Michael Cermak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 31.340 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 11. Juni 2007, GZ 2 R 95/07s-19, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger hatte Hintergründe eines Aufsehen erregenden Kriminalfalls recherchiert und die Ergebnisse der Nebenintervenientin als Grundlage für einen Roman zur Verfügung gestellt. Die Nebenintervenientin sollte ihm dafür „50 % des Gewinns", der „aus dem Buch erzielt" würde, überlassen. Über eine mögliche Verfilmung sprachen der Kläger und die Nebenintervenientin nicht. Vom Angeklagten ließ sich der Kläger alle „Veröffentlichungsrechte" abtreten.

Der Angeklagte war zunächst zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das zuständige Oberlandesgericht bewilligte im Jahr 1997 die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, worauf die Staatsanwaltschaft im Jahr 2000 neuerlich Anklage erhob. Das Strafverfahren ist wegen unbekannten Aufenthalts des Angeklagten abgebrochen.

Auf der Grundlage des Romans produzierte das drittbeklagte Filmunternehmen mit Zustimmung der Nebenintervenientin einen Spielfilm, an dessen Kosten sich der erst- und der zweitbeklagte Rundfunk beteiligten. Der Erstbeklagte kündigte an, den Film am 11. April 2007 zu senden.

Der Kläger selbst hat ebenfalls ein Manuskript zum Kriminalfall verfasst. Er ist zwar nicht in der Filmbranche tätig und hat noch keine konkreten Schritte zur Produktion eines Films gesetzt; wohl aber hat er informelle Vorgespräche mit einem (anderen) Fernsehsender geführt. Er und der Angeklagte haben der Verfilmung des Romans nicht zugestimmt.

Mit einem Haupt- und neun Eventualbegehren strebt der Kläger (im Ergebnis) ein Verbot der Ausstrahlung und sonstigen Verbreitung des Films an. Die zehn unterschiedlichen Formulierungen sollen offenbar verschiedene Anspruchsgrundlagen widerspiegeln, was sich allerdings aus dem Sachvorbringen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit ergibt. Zur Begründung des Unterlassungsanspruchs stützt sich der Kläger auf die ihm „übertragenen" Persönlichkeitsrechte des Angeklagten, auf sein eigenes Urheberrecht an den Recherchenergebnissen und auf Wettbewerbsrecht.

Die Vorinstanzen wiesen den mit der Klage verbundenen Sicherungsantrag ab. Persönlichkeitsrechte könnten nicht übertragen werden; Urheberrechte an bloßem „Recherchenmaterial", dh an den vom Kläger ermittelten Tatsachen, bestünden nicht; wettbewerbsrechtliche Ansprüche scheiterten am Fehlen eines Wettbewerbsverhältnisses sowie daran, dass die Beklagten nicht sittenwidrig gehandelt hätten.

Rechtliche Beurteilung

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Klägers gelingt es nicht, Rechtsfragen erheblicher Bedeutung aufzuzeigen.

1. Ansprüche aufgrund von Persönlichkeitsrechten des Angeklagten: Der

Revisionsrekurs macht hier als erhebliche Rechtsfrage lediglich

geltend, dass der „geldwerte Bekanntheitsgrad" des Angeklagten einen

„Verwendungsanspruch" begründe, der übertragen werden könne. Das

Rechtsmittel lässt aber nicht erkennen, weshalb aus einem allenfalls

übertragbaren Bereicherungsanspruch nach § 1041 ABGB eine

Unterlassungsverpflichtung nach §§ 78, 81 UrhG folgen soll. Die

beiden Ansprüche unterscheiden sich nach ständiger Rsp (4 Ob 406/81 =

SZ 55/12; 4 Ob 26/89 - ÖBl 1990, 91 - Music Man; 4 Ob 147/90 = ÖBl

1991, 40 - José Careras; 4 Ob 127/94 = SZ 67/224 = MR 1995, 109

[Walter] - Fußballer-Abziehbilder) in Rechtsgrund und Ziel: Der Bereicherungsanspruch wegen Ausnutzung eines „geldwerten Bekanntheitsgrads" ist auf allgemeines Zivilrecht gestützt und (nur) auf Zahlung gerichtet; der Unterlassungsanspruch nach den §§ 78, 81 UrhG geht über die Abgeltung eines Vermögensvorteils hinaus und gründet sich auf eine (insofern) abschließende Regelung im Urheberrechtsgesetz. Der Senat hat in 4 Ob 127/94 ausdrücklich festgehalten, dass § 78 UrhG nicht eingreife, wenn der Kläger ausschließlich materielle Interessen verfolge (vgl Walter aaO). Er leitete daher aus dem geldwerten Bekanntheitsgrad nur einen Zahlungsanspruch ab, nicht aber den auch dort strittigen Unterlassungsanspruch. Gründe für ein nach seiner Ansicht gebotenes Abgehen von dieser Rsp zeigt der Kläger nicht auf.

Auf Unterlassungsansprüche aufgrund sonstiger Persönlichkeitsrechte stützt sich der Revisionsrekurs nicht (mehr), sodass nicht zu prüfen ist, ob und auf welcher Grundlage solche Ansprüche bestehen und ob sie der Angeklagte gegebenenfalls (vorweg) auf den Kläger übertragen konnte.

2. Ansprüche aus eigenem Urheberrecht: Diese Ansprüche stützt der Kläger im Revisionsrekurs auf ein von ihm angeblich der Nebenintervenientin überlassenes Manuskript. Als erhebliche Rechtsfrage führt er an, dass das Rekursgericht zu Unrecht nicht geprüft habe, ob dieses Manuskript ein Sammelwerk iSv § 6 UrhG sei. Damit entfernt er sich aber vom bescheinigten Sachverhalt, wonach er der Nebenintervenientin (nur) nicht näher bestimmtes Recherchenmaterial - das heißt Berichte über Tatsachen - überlassen hat. Dass er ihr das in in erster Instanz vorgelegte Manuskript oder eine frühere, dem Rekurs angeschlossene Fassung übergeben hätte, steht nicht fest. Auf dieser Grundlage ist der Werkcharakter dieser Manuskripte unerheblich. Auch auf die urheberrechtlich bedeutsame Abgrenzung zwischen Bearbeitung und selbstständiger Neuschöpfung (4 Ob 13/92 = SZ 65/49 - Servus Du) kommt es daher ebenso wenig an wie auf die Frage, ob auch die Bearbeitung einer (an sich zulässigen) Bearbeitung in Urheberrechte des Klägers eingriffe. Solange nicht feststeht, was der Kläger der Nebenintervenientin konkret übergeben hat, sind urheberrechtliche Ansprüche keinesfalls bescheinigt.

3. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche: Ob der Kläger mit den Beklagten im Wettbewerb steht, kann ebenfalls offen bleiben. Denn auch bei Bejahung eines Wettbewerbsverhältnisses bestünden aufgrund des bescheinigten Sachverhalts keine Ansprüche.

3.1. Der Kläger zeigt an sich zutreffend auf, dass auch ein Verstoß gegen § 23 MedienG Unterlassungsansprüche nach den §§ 1, 14 UWG begründen kann. Denn gegen § 1 UWG verstößt, wer sich durch einen zu Wettbewerbszwecken begangenen Rechtsbruch einen Vorsprung gegenüber Mitbewerbern verschafft (RIS-Justiz RS0078089, RS0077931). Der Gesetzesverstoß muss allerdings subjektiv vorwerfbar sein. Maßgebend ist, ob die Auffassung des belangten Mitbewerbers über den Inhalt der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann (4 Ob 331/82 = SZ 56/2 – Metro-Post; RIS-Justiz RS0077771; zuletzt etwa 4 Ob 171/06k und 4 Ob 58/07v). Das war hier aus zwei Gründen der Fall.

Zum einen soll § 23 MedienG eine Einflussnahme auf die Hauptverhandlung verhindern; weder das Vor- noch das Rechtsmittelverfahren sind geschützt (Rami in WK StGB2 § 23 MedienG Rz 2, 5; Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz2 § 23 Rz 10, beide mwN). Diese Gefahr besteht typischerweise dann, wenn die Hauptverhandlung aktuell durchgeführt wird oder wenn sie - was nach Erhebung in den Anklagestand der Regelfall ist - unmittelbar bevorsteht. Ist indes das Verfahren, wie hier, wegen Flucht des Angeklagten abgebrochen, so ist unsicher, ob und gegebenenfalls wann eine Hauptverhandlung stattfinden wird. Die Interessenlage gleicht daher jener, die während des von § 23 MedienG nicht erfassten Vorverfahrens besteht. Das lässt eine teleologische Reduktion der Bestimmung vertretbar erscheinen.

Zum anderen ist es fraglich, ob die Verwertung eines Stoffs in einem Spielfilm, der unstrittig (auch) fiktive Elemente enthält, überhaupt als „Erörterung" des Werts von Beweismitteln oder des Verfahrensausgangs angesehen werden kann. Bis zum Vorliegen anders lautender Entscheidungen der primär zuständigen Strafgerichte ist es zumindest vertretbar, die Anwendung von § 23 MedienG auf solche Medieninhalte zu beschränken, die - anders als ein Spielfilm oder ein Roman - den Eindruck der Wiedergabe und Erörterung tatsächlicher Umstände erwecken und daher abstrakt geeignet sind, die Hauptverhandlung zu beeinflussen. Erfasst wäre daher unter Umständen die (typische) Kriminalberichterstattung, wohl auch ein Dokumentarfilm, nicht aber eine auf einem Roman beruhende Verfilmung, die nur ihren Stoff aus einem realen Kriminalfall bezieht. Aufgrund dieser Erwägungen konnten die Beklagten in vertretbarer Weise annehmen, mit der Ausstrahlung des Films nicht gegen § 23 MedienG zu verstoßen. Der Tatbestand des § 1 UWG ist daher nicht erfüllt.

3.2. Soweit der Kläger eine glatte Übernahme seines Manuskripts behauptet, geht die Rechtsrüge wiederum nicht vom bescheinigten Sachverhalt aus, wonach die Nebenintervenientin in ihrem Roman (nur) Recherchenergebnisse des Klägers und daher gerade nicht das im Revisionsrekurs genannte Manuskript übernommen hat. Um so weniger kann das Drehbuch für den Film eine glatte Übernahme dieses Manuskripts sein.

3.3. Offen kann auch bleiben, ob die Beklagten nach § 18 UWG für einen Wettbewerbsverstoß der Nebenintervenientin hafteten. Denn ein solcher Wettbewerbsverstoß ist aufgrund des bescheinigten Sachverhalts nicht erkennbar.

Die Nebenintervenientin könnte zwar durch die Einräumung der Verfilmungsrechte ihre Vereinbarung mit dem Kläger verletzt haben. Eine solche Vertragsverletzung verstieße aber nur bei Vorliegen besonderer Umstände gegen § 1 UWG (RIS-Justiz RS0078865). Solche Umstände sind nicht hervorgekommen. Denn nach dem bescheinigten Sachverhalt könnte ergänzende Vertragsauslegung auch ergeben, dass die Nebenintervenientin für eine Verfilmung ihres Romans nicht die gesonderte Zustimmung des Klägers einholen müsste, sondern ihm nur einen entsprechenden Anteil am Entgelt für die Verfilmungsrechte abzugeben hätte (arg: „50 % des Gewinns, der aus dem Buch erzielt wird"). Ob das tatsächlich zutrifft, ist hier nicht zu prüfen; entscheidend ist, dass schon die Möglichkeit einer solchen Auslegung eine besondere Verwerflichkeit des Handelns der Nebenintervenientin und damit das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes ausschließt. Um so weniger kann auf dieser Grundlage den Beklagten vorgeworfen werden, sie hätten eine Vertragsverletzung der Nebenintervenientin bewusst gefördert oder aktiv dazu beigetragen (RIS-Justiz RS0107766). Das bloße Ausnutzen einer nicht einmal sicher vorliegenden Vertragsverletzung verstößt keinesfalls gegen § 1 UWG.

4. Dem Kläger gelingt es somit nicht, Rechtsfragen erheblicher Bedeutung iSv § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Sein Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.