JudikaturJustiz4Ob109/23t

4Ob109/23t – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. November 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Schwarzenbacher, Dr. Tarmann Prentner, MMag. Matzka und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* regGenmbH, *, vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C* Sàrl, *, vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. T* GmbH, *, vertreten durch Lansky, Ganzger Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. Ö* GmbH Co KG, *, vertreten durch Mag. Gerhard Bauer, Rechtsanwalt in Wien, 3. S* GmbH, *, 4. P* GmbH, *, beide vertreten durch Ploil Boesch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Zahlung (Gesamtstreitwert 108.500 EUR), über die Revision der klagenden Partei sowie über die Revisionen der beklagten Partei und der 3. und 4. Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juni 2020, GZ 5 R 23/20v 90, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31. Oktober 2019, GZ 58 Cg 2/19f 72, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Das mit Beschluss vom 20. April 2021, 4 Ob 195/20k, unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.

II.1. Der Revision der beklagten Partei sowie der Revision der Dritt- und Viertnebenintervenientin wird jeweils Folge gegeben .

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Klage zur Gänze abgewiesen wird.

2. Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu I.

[1] Das Revisionsverfahren wurde am 20. 4. 2021 zu 4 Ob 195/20k bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Obersten Gerichtshof unter einem gestellten Antrag auf Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV unterbrochen. Nunmehr hat der EuGH mit Urteil vom 25. 5. 2023, C 290/21, die Vorabentscheidung getroffen. Das Revisionsverfahren ist daher von Amts wegen fortzusetzen.

Zu II.

[2] Die Klägerin ist eine österreichische Verwertungsgesellschaft, die für Werke der Tonkunst über eine aufrechte Betriebsgenehmigung mit der Befugnis zur treuhändigen Wahrnehmung von Senderechten auf dem Gebiet der Republik Österreich verfügt. Sie hat mit ausländischen Verwertungsgesellschaften Gegenseitigkeitsverträge abgeschlossen, so mit der GEMA in Deutschland, der BUMA in den Niederlanden, der PRS in Großbritannien und der SACEM in Frankreich.

[3] Die Beklagte mit Sitz in Luxemburg bietet gegen Entgelt in Österreich Programme zahlreicher Rundfunkunternehmen zu unterschiedlichen Paketen (Satellitenbouquets) gebündelt über Satellit in High Definition (HD) und Standard Definition (SD) verschlüsselt an. Ihren Kunden stellt sie mit Zustimmung der Sendeunternehmen Zugangsschlüssel zur Verfügung. Die Eingabe der jeweiligen programmtragenden Satellitensignale in die Kommunikationskette (Uplink) erfolgt zum überwiegenden Teil durch die Sendeunternehmen selbst und in ihrer Verantwortung, in wenigen Fällen durch die Beklagte, durchwegs jedoch nicht in Österreich, sondern in anderen EU-Mitgliedstaaten. Versendet wird ein Sendestream, in dem das gesamte Programm in HD-Qualität mitsamt allen zusätzlichen Informationen wie Audiodaten, Untertiteldaten usw enthalten ist. Der Stream wird mittels SAT Empfangsanlage innerhalb des Sendegebiets empfangen. Dabei wird der Stream geteilt und die einzelnen Programme werden über ein Endgerät dem Nutzer zugänglich. Wurden Programme mit einem Code verschlüsselt, müssen diese von der Empfangsanlage decodiert werden, um genützt werden zu können. Die Sendebouquets „entstehen“ durch die Kombination der Zugangsschlüssel. Durch die Nutzung der Bouquets werden den österreichischen Kunden der Beklagten Werke zugänglich gemacht, die im Repertoire der Klägerin enthalten sind. Die Bouquets beinhalten sowohl Pay- als auch Free-TV-Programme. Letztere sind im Hoheitsgebiet der Republik Österreich über Satellit ohnedies für jedermann in SD Qualität zu empfangen. Eine auch auf ihre hier in Frage stehenden Nutzungshandlungen bezogene Rechteeinräumung vermochte die Beklagte im Verfahren – jedenfalls was einen beträchtlichen Teil ihres Programmangebots betrifft – nicht nachzuweisen. In Ansehung jener programmtragenden Satellitensignale, die in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland eingespeist werden, ließ sich auch nicht feststellen, ob die jeweils verantwortlichen Sendeunternehmen überhaupt Lizenzverträge mit den Verwertungsgesellschaften des Uplink-Staates abgeschlossen haben.

[4] Die Klägerin erhob folgendes Urteilsbegehren:

1. Die beklagte Partei ist schuldig, es zu unterlassen, ohne Zustimmung der klagenden Partei Signale (in eventu verschlüsselte Signale) zur Sendung von Rundfunkprogrammen, insbesondere

i) die Rundfunkprogramme

*

ii) für Rundfunkprogramme, die in von ihr zusammengestellten Paketen von Rundfunkprogrammen enthalten sind,

über Satellit aus einem anderen Mitgliedstaat zur gleichzeitigen, vollständigen und unveränderten Weitersendung in Österreich zu benutzen und/oder dies durch einen bewussten Beitrag zu ermöglichen und/oder durch einen Vertragspartner ermöglichen zu lassen, wenn darin Werke, die zum Repertoire der klagenden Partei gehören, enthalten sind.

in eventu

Die beklagte Partei ist schuldig, es zu unterlassen, ohne Zustimmung der klagenden Partei Signale (in eventu verschlüsselte Signale) zur Sendung von Rundfunkprogrammen, insbesondere

i) die Rundfunkprogramme

*

ii) für Rundfunkprogramme, die in von ihr zusammengestellten Paketen von Rundfunkprogrammen enthalten sind,

über Satellit auf das Gebiet der Republik Österreich als Empfängerstaat ausgerichtet zu senden oder öffentlich wiederzugeben oder dies durch einen bewussten Beitrag zu ermöglichen oder durch einen Vertragspartner ermöglichen zu lassen, wenn in dem Staat, in dem die Handlung der Sendung oder öffentlichen Wiedergabe über Satellit stattfindet, für diese Nutzung keine Bewilligung eingeholt wurde und in den Rundfunkprogrammen Werke, die zum Repertoire der klagenden Partei gehören, enthalten sind.

in eventu

Die beklagte Partei ist schuldig, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der klagenden Partei Rundfunkprogramme, insbesondere

i) die Rundfunkprogramme

*

ii) Rundfunkprogramme, die in von ihr zusammengestellten Paketen von Rundfunkprogrammen enthalten sind, die über Satellit in verschlüsselter Form öffentlich nach Österreich abgestrahlt werden, in Österreich zu vermarkten oder dies durch einen bewussten Beitrag zu ermöglichen oder durch einen Vertragspartner ermöglichen zu lassen, wenn in den vermarkteten Rundfunkprogrammen Werke, die zum Repertoire der klagenden Partei gehören, enthalten sind.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, es zu unterlassen, ohne Zustimmung der klagenden Partei Signale (in eventu verschlüsselte Signale) zur Sendung von Rundfunkprogrammen, insbesondere

i) für folgende Rundfunkprogramme

*

ii) für Rundfunkprogramme, die in von ihr zusammengestellten Paketen von Rundfunkprogrammen enthalten sind,

über Satellit auf das Gebiet der Republik Österreich als Empfängerstaat ausgerichtet zu senden oder öffentlich wiederzugeben oder dies durch einen bewussten Beitrag zu ermöglichen oder durch einen Vertragspartner ermöglichen zu lassen, wenn in dem Staat, in dem die Handlung der Sendung oder öffentlichen Wiedergabe über Satellit stattfindet, für diese Nutzung keine Bewilligung eingeholt wurde und in den Rundfunkprogrammen Werke, die zum Repertoire der klagenden Partei gehören, enthalten sind.

in eventu

Die beklagte Partei ist schuldig, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der klagenden Partei, insbesondere

i) die Rundfunkprogramme

*

ii) Rundfunkprogramme, die in von ihr zusammengestellten Paketen von Rundfunkprogrammen enthalten sind, die über Satellit in verschlüsselter Form öffentlich nach Österreich abgestrahlt werden,

in Österreich zu vermarkten oder dies durch einen bewussten Beitrag zu ermöglichen oder durch einen Vertragspartner ermöglichen zu lassen, wenn in den vermarkteten Rundfunkprogrammen Werke, die zum Repertoire der klagenden Partei gehören, enthalten sind.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen im Zusammenhang mit den [oben aufgelisteten] Programmen (in eventu den Programmen [laut Spruchpunkt 1.]), Auskünfte über Hersteller, Link, Inhalt, Herkunftsland, Programmsignal, Verbreitungsweg, Sendedauer und die Reichweite der Verbreitung der Programme zu geben, insbesondere darüber,

a. welche Programme die beklagte Partei der Öffentlichkeit in Österreich innerhalb der letzten drei Jahre vor Einbringung der Klage und seither in Paketen von Rundfunkprogrammen gegen Entgelt angeboten hat,

b. wie viele Personen in Österreich innerhalb der letzten drei Jahre vor Einbringung der Klage zu welchem Entgelt die Angebote der beklagten Partei genutzt haben und welchen Umsatz die beklagte Partei auf diese Weise erzielt hat, und über alle weiteren für die klagende Partei für ihr Repertoire zur Rechtsverfolgung erforderlichen Umstände.

4. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den sich aufgrund der Rechnungslegung der beklagten Partei gemäß Punkt 3. des Klagebegehrens ergebenden Betrag zuzüglich Umsatzsteuer zu bezahlen, wobei der klagenden Partei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis zur erfolgten Rechnungslegung gemäß Punkt 3. des Klagebegehrens vorbehalten bleibt, sowie Verzugszinsen in Höhe von 9,2% Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 456 UGB p.a seit 11. 6. 2012 zu bezahlen.

5. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen pauschalierten Schadenersatz in Höhe des angemessenen Entgelts gemäß Punkt 4. des Klagebegehrens (samt Umsatzsteuer und Verzugszinsen gemäß § 456 UGB p.a. seit 11. 6. 2012) zu bezahlen, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Schadenersatzes bis zur erfolgten Rechnungslegung der beklagten Partei gemäß Punkt 3. des Klagebegehrens vorbehalten bleibt.

[5] Die Klägerin habe der Signalweiterverbreitung bzw -übertragung durch die Beklagte keine Zustimmung erteilt. Die im Sendestaat getroffenen Vereinbarungen mit den Rundfunkunternehmen würden diesen Empfängerkreis nicht abdecken, auch umfasse die Bewilligung zur Werknutzung seitens der jeweiligen Verwertungsgesellschaften im Uplink-Staat nicht die Verbreitung des Programms in HD. Da die Beklagte nicht über die erforderliche Bewilligung für die öffentliche Wiedergabe über Satellit in den jeweiligen Uplink-Staaten verfüge, komme das Privileg des Verwerters, lediglich im Uplink-Staat die Bewilligung einholen zu müssen, nicht zum Tragen. Abgesehen davon sei der Vorgang als integrale Kabelweiterverbreitung durch die Beklagte zu qualifizieren (§ 59a UrhG). Der Schaden durch die nicht lizenzierte Ausstrahlung trete in Österreich ein. Die Klägerin könne daher die Beklagte nach österreichischem Recht in Anspruch nehmen. Diese sei nicht bloß technischer Dienstleister, sie richte ihr Angebot in Gewinnerzielungsabsicht direkt an Kunden und handle dabei im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, wähle die Fernsehprogramme aus, bündle diese zu einem neuen audiovisuellen Produkt und entscheide, in welcher Form die verschlüsselten Programme ihren eigenen zahlenden Empfängerkreis erreichen. Sie habe so ihren eigenen Kundenkreis im Empfangsland und trage die inhaltliche Verantwortung für die öffentliche Wiedergabe über Satellit iSd Art 1 Abs 2 lit a der Richtlinie 93/83/EWG (Satelliten RL).

[6] Die Beklagte hielt dem entgegen, sie stelle lediglich mit Zustimmung der Sendeunternehmen Infrastruktur zur Verfügung, die es ermögliche, ein von diesen außerhalb Österreichs in eine Kommunikationskette zu einem Satelliten eingegebenes Signal zu codieren. Endnutzer mit entsprechenden Empfangsgeräten könnten das Satellitensignal dann decodieren und die Programme empfangen. Ausgehend davon greife das Sendelandprinzip des § 17b Abs 2 UrhG iVm Art 1 Abs 2 lit b Satelliten RL. Die Sendung sei nicht in Österreich erfolgt. Damit sei aber nicht die Klägerin zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der Verwertung aktiv legitimiert, sondern die im jeweiligen Uplink-Staat bestehende Verwertungsgesellschaft. Die Klägerin sei hinsichtlich der ihr eingeräumten Rechte territorial auf Verwertungsakte in Österreich beschränkt. § 59a UrhG sei nicht anwendbar. Abgesehen davon verwerte die Beklagte als technischer Dienstleister die geschützten Werke nicht in einer urheberrechtlich relevanten Art. Das von den Endnutzern direkt an sie abgeführte Entgelt werde nicht für den Zugang zur Wiedergabe bezahlt, sondern bloß für die Bereitstellung der technischen Voraussetzungen. Die Rechteeinräumung gegenüber den jeweiligen Sendeunternehmen reiche daher aus, zumal das auf diese Art gesendete Programm keine neue Öffentlichkeit erreiche, seien doch die in den Paketen enthaltenen Fernsehprogramme und die darin enthaltenen Werke ohnedies in SD-Qualität frei abrufbar. Schließlich erfasse die Rechteeinräumung seitens der Rechteinhaber in den Uplink-Staaten auch die Nutzungshandlungen der Beklagten.

[7] Auf Seiten der Beklagten traten im Verfahren mehrere Sendeunternehmen als Nebenintervenientinnen bei und schlossen sich im Wesentlichen dem Vorbringen der Beklagten zur fehlenden Aktivlegitimation der Klägerin sowie zur urheberrechtlich nicht relevanten Verwertungshandlung der Beklagten an.

[8] Die Vorinstanzen wiesen (mittels Teilurteils) das auf Unterlassung der Weiterverbreitung des Satellitensignals in Österreich gerichtete Klagebegehren ab, gaben aber der Klage in Ansehung der (teils Eventual )Begehren auf Unterlassung der auf das österreichische Hoheitsgebiet ausgerichteten Satellitensendung der in Frage stehenden Programmsignale jeweils weitgehend – wenngleich in unterschiedlichem Umfang – ebenso statt wie dem korrespondierenden Auskunftsbegehren. Das Berufungsgericht führte aus, das (Haupt-)Begehren auf Unterlassung der Weitersendung des Satellitensignals sei schon deshalb abzuweisen, weil es zu generell gefasst sei. Den sonstigen Begehren auf Unterlassung der Satellitensendung (und dem daran anschließenden Auskunftsbegehren) könne aber bei richtlinienkonformer Auslegung und unter Bedachtnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht das (innerstaatlich in § 17b Abs 1 UrhG verankerte) Sendelandprinzip und damit die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin als österreichischer Verwertungsgesellschaft entgegengehalten werden. Vor dem Hintergrund der in den Entscheidungen Rs C 431/09, C 432/09, Airfield , und C 325/14, SBS Belgium , entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze sei zudem davon auszugehen, dass die von der Beklagten zu verantwortenden Sendungen eine neue Öffentlichkeit erreichten, denn das Zielpublikum der Satelliten-Bouquets der Beklagten gehe über jenes hinaus, das die einzelnen Sendeunternehmen mit ihrem SD-Angebot bedienten. Abgesehen davon trete die Beklagte im Verhältnis zu den Sendeunternehmen nicht als technischer Dienstleister, sondern in autonomer Stellung auf, indem sie selbst über die Zusammenstellung ihrer Bouquets entscheide und damit ein eigenes, zusätzliches Angebot für Endkunden schaffe. Daraus ergebe sich die urheberrechtliche Relevanz der Vermarktung seitens der Beklagten, der nur in Bezug auf vereinzelte in ihren Bouquets enthaltene Programme Verwertungsrechte eingeräumt worden seien.

[9] Dagegen richtet sich die – jeweils von der Gegenseite beantwortete(n) – Revision der Klägerin, gerichtet auf die Stattgebung des im angefochtenen Berufungsurteil abgewiesenen Teilbegehrens, sowie die Revisionen der Beklagten und der Dritt- und Viertnebenintervenientin, die jeweils auf die vollständige Abweisung der Klage abzielen.

[10] Der Senat hat zu 4 Ob 195/20k folgendes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet:

1. Ist Art 1 Abs 2 lit b Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl L 248, S 15) dahin auszulegen, dass nicht nur das Sendeunternehmen, sondern auch ein an der unteilbaren und einheitlichen Sendehandlung mitwirkender Satellitenbouquet-Anbieter eine – allenfalls zustimmungsbedürftige – Nutzungshandlung bloß in jenem Staat setzt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt, dies mit der Folge, dass es durch die Mitwirkung des Satellitenbouquet-Anbieters an der Sendehandlung zu keiner Verletzung von Urheberrechten im Empfangsstaat kommen kann?

2. Wenn Frage 1 verneint wird:

Ist der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ in Art 1 Abs 2 lit a und c Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl L 248, S 15) sowie in Art 3 Abs 1 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl L 167, S 10) dahin auszulegen, dass der während einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit als weiterer Akteur mitwirkende Satellitenbouquet-Anbieter, der mehrere verschlüsselte High-Definition-Signale von Free- und Pay-TV-Programmen verschiedener Sendeunternehmen nach seiner Vorstellung zu einem Paket bündelt und das auf diese Weise geschaffene eigenständige audiovisuelle Produkt seinen Kunden entgeltlich anbietet, eine gesonderte Erlaubnis des Inhabers der betroffenen Rechte auch hinsichtlich der geschützten Inhalte in den im Programmpaket enthaltenen Free-TV-Programmen benötigt, obwohl er seinen Kunden insoweit ohnedies bloß Zugang zu solchen Werken verschafft, die im Sendegebiet bereits für jedermann – wenngleich in schlechterer Standard-Definition-Qualität – frei zugänglich sind?

[11] Der EuGH hat mit Urteil vom 25. 5. 23, C-290/21 diese Fragen dahin beantwortet, dass Art 1 Abs 2 Buchst b der Richtlinie 93/83 dahin auszulegen ist, dass ein Satellitenbouquet-Anbieter, der verpflichtet ist, für eine Handlung in Form der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte und verwandten Schutzrechte einzuholen, diese Zustimmung – entsprechend der dem betreffenden Sendeunternehmen erteilten Zustimmung – nur in dem Mitgliedstaat einholen muss, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden. Er begründete dies zusammengefasst wie folgt:

27 Da nach der in Art 1 Abs 2 Buchst b der Richtlinie 93/83 aufgestellten Regel eine solche öffentliche Wiedergabe über Satellit als nur in dem Mitgliedstaat vorgenommen gilt, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden, muss das Sendeunternehmen die Erlaubnis nur in diesem Mitgliedstaat einholen.

28 (...)

29 Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Akteure im Rahmen einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit dergestalt tätig werden, dass sie die geschützten Werke oder Gegenstände einem größeren Publikum zugänglich machen als dem Zielpublikum des betreffenden Sendeunternehmens, d.h. einem Publikum, an das die Urheber der geschützten Werke oder Gegenstände nicht gedacht haben, als sie dem Sendeunternehmen die Erlaubnis zur Nutzung dieser Werke oder Gegenstände erteilten. In einem solchen Fall ist die Tätigkeit der betreffenden Akteure von der dem Sendeunternehmen erteilten Erlaubnis nicht gedeckt. Dies kann u.a. dann der Fall sein, wenn ein Akteur den Kreis derjenigen, die Zugang zu der betreffenden Wiedergabe haben, erweitert und dadurch die geschützten Werke oder Gegenstände einem neuen Publikum zugänglich macht (Urteil vom 13. Oktober 2011, Airfield und Canal Digitaal, C 431/09 und C 432/09, EU:C:2011:648, Rn. 76 und 77).

30 Wie sich aus dem Wortlaut von Art 1 Abs 2 Buchst b der Richtlinie 93/83 und der Systematik ihres Art 1 Abs 2 Buchst a bis c ergibt, muss ein Satellitenbouquet-Anbieter, der verpflichtet ist, für eine öffentliche Wiedergabe über Satellit, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte und verwandten Schutzrechte einzuholen, diese Zustimmung – entsprechend der dem betreffenden Sendeunternehmen erteilten Zustimmung – aber nur in dem Mitgliedstaat einholen, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden.

31 Dieses Ergebnis wird auch durch das mit Art 1 Abs 2 Buchst b der Richtlinie 93/83 verfolgte Ziel bestätigt. Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass nach den Erwägungsgründen 5 und 14 der Richtlinie die Rechtsunsicherheit, die sich aus den Unterschieden zwischen den nationalen Urheberrechtsvorschriften ergibt, ein unmittelbares Hindernis für den freien Verkehr der Programme innerhalb der Europäischen Union bildet und diese die grenzüberschreitende Programmverbreitung über Satelliten behindernde Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die zu erwerbenden Rechte durch die Definition der öffentlichen Wiedergabe geschützter Werke über Satellit auf Unionsebene zu beseitigen ist, um insbesondere die kumulative Anwendung mehrerer nationaler Rechte auf einen einzigen Sendeakt zu verhindern. Zum anderen wird im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie hinzugefügt, dass der vertragliche Erwerb ausschließlicher Senderechte dem Urheberrecht und dem Leistungsschutzrecht des Mitgliedstaats entsprechen muss, in dem die öffentliche Wiedergabe über Satellit erfolgt.

32 Somit ergibt sich aus den Erwägungsgründen 5, 14 und 15 der Richtlinie 93/83, dass mit deren Art 1 Abs 2 Buchst b sichergestellt werden soll, dass jede „öffentliche Wiedergabe über Satellit“ im Sinne von Art 1 Abs 2 Buchst a und c der Richtlinie ausschließlich dem Urheberrecht und dem Leistungsschutzrecht des Mitgliedstaats unterliegt, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden. Daher liefe es diesem Ziel zuwider, wenn ein Satellitenbouquet-Anbieter die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte und verwandten Schutzrechte auch in anderen Mitgliedstaaten einholen müsste.

33. [...]

34 Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

Rechtliche Beurteilung

[12] Nach der solcherart erfolgten Klärung der Rechtslage ist Folgendes auszuführen:

[13] 1.1. Nach Art 1 Abs 2 lit b RL 93/83 findet die öffentliche Wiedergabe über Satellit nur in dem Mitgliedstaat statt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt (Sendelandprinzip).

[14] 1.2. Der EuGH hat die 1. Frage des Vorabentscheidungsersuchens dahin beantwortet, dass ein Satellitenbouquet-Anbieter, der verpflichtet ist, für eine öffentliche Wiedergabe über Satellit, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte und verwandten Schutzrechte einzuholen, diese Zustimmung – entsprechend der dem betreffenden Sendeunternehmen erteilten Zustimmung – nur in dem Mitgliedstaat einholen muss, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden (EuGH C 290/21 Rn 30). Daraus kann abgeleitet werden, dass die Nutzungshandlung (Öffentliche Wiedergabe) nur im Sendeland stattfindet.

[15] 2.1. § 17b Abs 1 UrhG ist richtlinienkonform zu interpretieren: Das Sendelandprinzip gilt somit auch für Satellitenbouquet-Anbieter. Daraus folgt, dass bei unterbliebener Zustimmung zur Werknutzung eine allenfalls rechtswidrige Verwertungshandlung ausschließlich im Sendestaat erfolgt und (unabhängig davon, ob die fehlende Einwilligung in die Werknutzung das Sendeunternehmen betrifft oder den beteiligten Bouquet-Anbieter) die Verletzungshandlungen nicht die Klägerin, sondern die jeweils „zuständige“ Verwertungsgesellschaft im Sendeland geltend machen kann (vgl schon 4 Ob 195/20k, Pkt 2.6.3. und  2.7.).

[16] 2.2. Im vorliegenden Fall erfolgt die Eingabe der jeweiligen programmtragenden Satellitensignale in die Kommunikationskette (Uplink) nicht in Österreich, sondern in anderen EU-Mitgliedsstaaten. Dementsprechend ist Österreich nicht der Sendestaat und die Klägerin als österreichische Verwertungsgesellschaft, die für Werke der Tonkunst über eine aufrechte Betriebsgenehmigung mit der Befugnis zur treuhändigen Wahrnehmung von Senderechten auf dem Gebiet der Republik Österreich verfügt, nicht Rechteinhaberin im Sendestaat. Damit mangelt es der Klägerin jedenfalls an der Berechtigung zur Geltendmachung der Rechte aus dem Sendestaat und somit an der Aktivlegitimation für die gegenständliche Klage. Im Hinblick auf den bereits am 3. 7. 2019 erfolgten Schluss der mündlichen Verhandlung 1. Instanz ist auf allfällige Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union nicht einzugehen.

[17] 3. Den Revisionen der Beklagten und der Dritt- und Viertnebenintervenientinnen ist somit Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen sind dahin abzuändern, dass die Klagebegehren vollständig abgewiesen werden.

[18] 4. Die Klägerin ist mit ihrer Revision auf die obigen Ausführungen zu verweisen. In Ermangelung der Aktivlegitimation besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Mehrbegehren, sodass ihrer Revision der Erfolg zu versagen ist.

[19] 5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 3 ZPO. Dies umfasst auch die Kosten vor dem EuGH.

Rechtssätze
2
  • RS0133587OGH Rechtssatz

    21. November 2023·2 Entscheidungen

    Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist Art 1 Abs 2 lit b Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl L 248, S 15) dahin auszulegen, dass nicht nur das Sendeunternehmen, sondern auch ein an der unteilbaren und einheitlichen Sendehandlung mitwirkender Satellitenbouquet-Anbieter eine – allenfalls zustimmungsbedürftige – Nutzungshandlung bloß in jenem Staat setzt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt, dies mit der Folge, dass es durch die Mitwirkung des Satellitenbouquet-Anbieters an der Sendehandlung zu keiner Verletzung von Urheberrechten im Empfangsstaat kommen kann? 2. Wenn Frage 1 verneint wird: Ist der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ in Art 1 Abs 2 lit a und c Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl L 248, S 15) sowie in Art 3 Abs 1 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl L 167, S 10) dahin auszulegen, dass der während einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit als weiterer Akteur mitwirkende Satellitenbouquet-Anbieter, der mehrere verschlüsselte High‑Definition‑Signale von Free- und Pay‑TV-Programmen verschiedener Sendeunternehmen nach seiner Vorstellung zu einem Paket bündelt und das auf diese Weise geschaffene eigenständige audiovisuelle Produkt seinen Kunden entgeltlich anbietet, eine gesonderte Erlaubnis des Inhabers der betroffenen Rechte auch hinsichtlich der geschützten Inhalte in den im Programmpaket enthaltenen Free‑TV-Programmen benötigt, obwohl er seinen Kunden insoweit ohnedies bloß Zugang zu solchen Werken verschafft, die im Sendegebiet bereits für jedermann – wenngleich in schlechterer Standard-Definition-Qualität – frei zugänglich sind?