JudikaturJustiz4Nc30/19b

4Nc30/19b – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. November 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Hon. Prof. Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** R*****, vertreten durch Niedermayr Rechtsanwalt GmbH in Steyr, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Dr. H***** C*****, Rechtsanwalt in Graz, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W***** R*****, vertreten durch Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 460.000 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Partei, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag der beklagten Partei, anstelle des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu ***** Cg ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger macht Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Geldveranlagung geltend. Im Vorverfahren, das beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz geführt wurde, erhob er die Schadenersatzklage gegen seine Bank. Er warf dem Mitarbeiter der beklagten Bank vor, eigenmächtige Überweisungen von seinem Konto auf das Konto des Bruders des Bankmitarbeiters vorgenommen zu haben, um mit diesem Geld in Spekulationsgeschäfte im Zusammenhang mit Ölzertifikaten zu investieren.

Die hier vorliegende Klage richtet sich gegen den Mitarbeiter der Bank persönlich. Eine Vereinbarung zwischen ihm und dem Beklagten über die riskanten Spekulationsgeschäfte habe es nicht gegeben; es sei auch kein Vermögensverwaltungsvertrag zwischen ihm und dem Beklagten abgeschlossen worden. Der Beklagte habe vielmehr eigenmächtige Überweisungen durchgeführt und gegen die Richtlinien für die Geldveranlagung verstoßen. Außerdem habe der Beklagte den Kläger über seinen Vermögensstand unrichtig informiert und bewusst getäuscht.

Neben einem umfangreichen Schriftsatzwechsel haben im vorliegenden Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bereits zwei Verhandlungen stattgefunden. In der Verhandlung vom 7. 12. 2018 wurde ein bedingter Vergleich geschlossen, der vom Kläger widerrufen wurde. Als Beweismittel sind Gerichtsakten, Verhandlungsprotokolle, diverse Urkunden sowie ein Sachverständigengutachten aus dem Gebiet des Bankenwesens und die Einvernahme der Parteien angeboten.

Mit Schriftsatz vom 17. 10. 2019 beantragte der Beklagte die Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz. Sämtliche Zeugen und der Kläger hätten ihren Wohnsitz bzw Arbeitsplatz am Standort des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz. Vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien sei noch kein Beweisverfahren durchgeführt worden.

Der Kläger sprach sich gegen die Delegierung aus. Es liege kein vernünftiger Grund für eine solche Vorgangsweise vor. Er selbst reise gerne nach Wien an; der Beklagte wohne ohnedies im Sprengel des angerufenen Gerichts.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Delegierungsantrag vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Delegierungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen sind dem Obersten Gerichtshof vorbehalten (§ 31 Abs 2 JN). Die Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens, zur Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Kostenersparnis beitragen kann (RS0053169; RS0046333). Dabei ist zu beachten, dass die Delegierung der Ausnahmefall ist und nicht durch eine allzu großzügige Handhabung zu einer faktischen Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen darf. Gegen den Willen der anderen Partei darf die Delegierung daher nur ausgesprochen werden, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zugunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RS0046589; RS0046324; RS0046455).

2. Die Voraussetzungen für eine Delegierung sind im Anlassfall nicht gegeben.

Der zuständige Richter hat sich bereits mehrfach mit der Rechtssache befasst und ist in diese eingearbeitet. Dieser Umstand spricht eindeutig gegen eine Delegierung. Der – die Delegierung beantragende – Beklagte hat seinen Wohnsitz in Wien. Seine Rechtsvertreterin hat den Sitz ihrer Kanzlei zwar in Graz, verfügt jedoch auch in Wien über eine Niederlassung. Der Beklagte kann sich damit auf keine stichhaltigen Gründe berufen, die für eine Delegierung sprächen. Der Kläger hat sich für eine Verhandlung vor dem angerufenen Gericht ausgesprochen. Seine Vertreterin hat ihren Kanzleisitz weder in Graz noch in Wien. Der Nebenintervenient, ein Rechtsanwalt aus Graz, hat einen Rechtsvertreter aus Wien gewählt.

Für die Annahme einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens oder einer erheblichen Kostenersparnis im Fall der beantragten Delegierung bestehen insgesamt keine genügenden Anhaltspunkte. Die Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung kann demnach nicht aus Sicht aller Parteien eindeutig bejaht werden.

Der Delegierungsantrag war daher abzuweisen.