JudikaturJustiz3R4/23i

3R4/23i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
03. Februar 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden, die Richterin MMag. a Pichler und die Sprengelrichterin Dr. in Maier in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch die Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH Co KG in Gänserndorf, wider die beklagte Partei Dr. B* GmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Weißgerber Lände 50/12, 1030 Wien, wegen EUR 80.000,-- s.A., hier wegen Verfahrenshilfe, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 28.10.2022, GZ: 14 Cg 44/22p-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschl uss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Zahlung von EUR 80.000,-- samt 0,75 % Zinsen seit 1.1.2021 aus einer ihr abgetretenen Darlehensforderung gegen die Beklagte.

Die Beklagte beantragte für ihre Rechtsverteidigung die Zuerkennung von Verfahrenshilfe im Ausmaß des § 64 Abs 1 Z 1 lit a-f, Z 2, Z 3 sowie Z 5 ZPO. Dazu brachte sie vor, dass sie nicht insolvent sei, aber infolge ihrer schwierigen wirtschaftlichen Situation jedenfalls nicht in der Lage sei, die Kosten eines Rechtsanwalts aus eigenem zu tragen. Die Aufnahme eines Darlehens zur Finanzierung der Prozesskosten sei erst dann möglich, wenn der Kauf einer Liegenschaft durch die Beklagte im Rahmen ihres Geschäftszweiges unmittelbar bevorstehe, weil die Kosten zur Finanzierung eines Rechtsanwalts dann in das Darlehen zur Liegenschaftsfinanzierung aufgenommen werden können. Zur Zeit stünden zwar einige Liegenschaften zur Wahl, es sei jedoch noch keine Entscheidung über einen Ankauf getroffen worden, sodass eine Darlehensaufnahme zu früh käme. Der Geschäftsführer C* beziehe noch kein Einkommen. Die Gesellschafterin „D*“ erteile kostenlose Rechtsberatung an finanziell Bedürftige und verfüge über kein Vermögen oder Einkommen.

Das Erstgericht forderte die Beklagte zur Verbesserung ihres Verfahrenshilfeantrags auf. Sie solle ein vollständig ausgefülltes Vermögensbekenntnis der Beklagten samt sämtlichen Urkunden, die zur Beurteilung der Vermögenslage der Beklagten erforderlich sind (zB ua Bilanzen, Jahresabschlüsse, Kassenaufzeichnungen…), vorlegen. Darüber hinaus trug es der Beklagten auf, Gründe anzuführen, warum die Prozesskosten nicht durch Aufnahme eines Darlehens gedeckt werden können und warum die zur Prozessführung erforderlichen Mittel nicht von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab.

Der Beklagten sei es ausgehend von den im Rahmen der Verbesserung vorgelegten Urkunden nicht gelungen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe darzutun. Die Beklagte habe dazu Vorbringen erstattet, dieses jedoch nicht zu bescheinigen vermocht. Urkunden, aus denen sich die Vermögenslage der am Verfahren wirtschaftlich Beteiligten (etwa Gesellschafter) oder der Tochterunternehmen ergebe, seien gar nicht vorgelegt worden. Die Vorlage eines Jahresabschlusses zum Stichtag 31.12.2019 könne kein getreues Bild über die aktuelle Vermögenslage der Gesellschaft vermitteln. In diesem Zusammenhang werde auf den am 22.9.2022 zum Firmenbuch eingereichten Auszug aus der Bilanz zum 31.12.2021 verwiesen, der einen Kassastand von EUR 25.250,-- und Verbindlichkeiten in Höhe von lediglich EUR 500,-- aufweise. Das Vorbringen der Beklagten zur Unmöglichkeit der Darlehensaufnahme sei nicht nachvollziehbar, denn einerseits dauere dieser Zustand nun bereits seit fast einem halben Jahr an und andererseits fehlten Ausführungen dazu, warum ein Darlehen ausschließlich in diesem Kontext aufgenommen werden könne. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass im gegenständlichen Verfahren nicht mit besonders hohen Kosten zu rechnen sei, weil der gegenständliche Anspruch sich auf eine Darlehensvereinbarung stütze.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten erkennbar aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dem Rekurs Folge zu geben, den angefochtenen Beschluss zu beheben und dem Verfahrenshilfeantrag nach ergänzenden Beweisaufnahmen (Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten oder des für sie tätigen Steuerberaters) vollinhaltlich Folge zu geben.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 63 Abs 2 ZPO ist einer juristischen Person oder einem sonstigen parteifähigen Gebilde die Verfahrenshilfe (nur) zu bewilligen, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können. Die vom Gesetz verwendete Formulierung wird überwiegend so verstanden, dass jene Personen als wirtschaftlich Beteiligte anzusehen sind, denen auf Grund ihrer Rechtsbeziehungen zur Partei ein (wirtschaftlicher) Vor- oder Nachteil aus dem Ausgang des Prozesses entstehen kann ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny II/1 3 § 63 ZPO Rz 12 mwN).

Wirtschaftlich Beteiligte sind bei der GmbH jedenfalls alle Gesellschafter ( Fucik in Rechberger/Klicka ZPO 5 § 63 Rz 4 mwN).

Gemäß § 66 Abs 2 ZPO ist über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auf der Grundlage des Vermögensbekenntnisses zu entscheiden. Das Gericht hat das Vermögensbekenntnis zu überprüfen, wenn es gegen dessen Richtigkeit und Vollständigkeit Bedenken hat. Hierbei kann es auch die Partei unter Setzung einer angemessenen Frist zur Ergänzung des Vermögensbekenntnisses und, soweit zumutbar, zur Beibringung weiterer Belege auffordern.

Entsprechend diesen Bestimmungen hat das Erstgericht der Beklagten einen Verbesserungsauftrag erteilt, dem diese nur unzureichend nachgekommen ist.

Zur Überprüfung des vorgelegten Vermögensbekenntnisses kann das Gericht auch von Amts wegen Erhebungen durchführen und etwa die antragstellende Partei vernehmen. Die Erhebungen sind ohne förmliches Beweisverfahren auf rasche und im Einzelfall zweckmäßig erscheinende Art durchzuführen ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny II/1 3 § 66 ZPO Rz 7). Dazu ist es jedoch nicht verpflichtet. Leistet die Partei einem Auftrag zur Ergänzung des Vermögensbekenntnisses oder zur Beibringung von Belegen keine Folge, dann ist § 381 ZPO sinngemäß anzuwenden (§ 66 Abs 2 letzter Satz ZPO), das heißt dass das Gericht unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände beurteilen kann, welchen Einfluss es auf die Beurteilung der Verfahrenshilfevoraussetzungen hat, wenn die Partei die geforderten Belege nicht beibringt ( M. Bydlinski aaO § 66 ZPO Rz 10). Die Nichtbefolgung von Ergänzungsaufträgen muss zwar nicht notwendig dazu führen, die ursprünglichen Angaben als unrichtig zu betrachten, doch wird ein solcher Schluss in der Regel nur dann zu vermeiden sein, wenn die Partei zumindest darlegt, aus welchen Gründen sie dem Auftrag nicht nachgekommen ist ( M. Bydlinski aaO § 66 ZPO Rz 10).

Wie das Erstgericht richtig festgestellt hat, hat die Beklagte weder Urkunden, aus denen ihre eigene aktuelle Vermögenslage erkennbar wäre, noch solche über die Vermögenslage der am Verfahren wirtschaftlich Beteiligten vorgelegt. Außerdem ist das Vermögensbekenntnis der Beklagten weder datiert noch unterschrieben.

Dem Erstgericht ist somit kein Verfahrensfehler unterlaufen, wenn es das Nichtvorliegen von Belegen für die Vermögenslage der wirtschaftlich Beteiligten dahin gewürdigt hat, dass diese in der Lage wären, die für die Prozessführung erforderlichen Mittel aufzubringen.

Ebensowenig ist zu beanstanden, dass das Erstgericht keine Einvernahmen durchgeführt, sondern von Amts wegen den zum Firmenbuch eingereichten Bilanzauszug zum 31.12.2021 beigeschafft hat, weil daraus schnell Informationen über die Vermögenslage der Beklagten zu gewinnen waren.

Dass es dann auch aufgrund der unzureichenden Angaben der Beklagten zum Ergebnis gelangte, dass die einkommens- und vermögensrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe schon deshalb nicht ausreichend bescheinigt waren, weil sich mangels jeglichen Nachweises das Vermögen ihrer Gesellschafterin als wirtschaftlich Beteiligter im Sinn des § 63 Abs 2 ZPO nicht feststellen ließ, begegnet keinen Bedenken. Gleiches gilt für die Ansicht des Erstgerichts, dass der im Bilanzauszug zum 31.12.2021 ausgewiesene Kassenbestand von EUR 25.250,-- gegenüber Verbindlichkeiten von nur EUR 500,-- gegen die Vermögenslosigkeit der Beklagten spricht, zumal im gegenständlichen Verfahren keine besonderen Kosten zu erwarten sind.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs 3 letzter Satz ZPO, wonach in Verfahrenshilfeangelegenheiten kein Kostenersatz stattfindet.

3. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO. Die vorliegende Entscheidung ist unanfechtbar.