JudikaturJustiz3Ob96/92

3Ob96/92 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Kellner und Dr.Graf als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Land Oberösterreich, Linz, Klosterstraße 7, vertreten durch Dr.Heinz Oppitz und Dr.Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, und anderer betreibender Parteien wider die verpflichtete Partei Franz H*****, wegen restlicher 55.358,09 S sA und anderer Forderungen, infolge Revisionsrekurses der erstbetreibenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Steyr als Rekursgerichtes vom 6.Juli 1992, GZ 5 R 1/92-82, womit der Verteilungsbeschluß des Bezirksgerichtes Kremsmünster vom 27.November 1991, GZ E 3006/90-70, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der im übrigen als unangefochten unberührt bleibt, und der Verteilungsbeschluß des Erstgerichtes werden im Umfang von (weiteren) 195.459,04 S aufgehoben, soweit damit Zuweisungen und Auszahlunganordnungen an die beigetretene betreibende Partei C*****, an die Hypothekargläubigerin A*****, an die beigetretene betreibende Partei R***** und an den Verpflichteten ausgesprochen wurden. Die Rechtssache wird auch in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung zurückverwiesen.

Die erstbetreibende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Verpflichtete wurde mit einem Versäumungsurteil schuldig erkannt, der Revisionsrekurswerberin 94.738,96 S samt 12,5 % Zinsen ab 1.1.1988 zu bezahlen. Sie beantragte als führende betreibende Partei, ihr auf Grund dieses Versäumungsurteils zur Hereinbringung der Forderung von "restl. 55.358,09 S" sA die Zwangsversteigerung einer im Eigentum des Verpflichteten stehenden Liegenschaft zu bewilligen und die Einleitung des Versteigerungsverfahrens "bei dem für die obige Forderung einverleibten Pfandrechte" anzumerken. Auf dieser Liegenschaft ist für die Revisionsrekurswerberin und betreibende Partei (im folgenden als "betreibende Partei" bezeichnet) in CLNR 4 auf Grund des Schuldscheines vom 25.1.1979 das Pfandrecht für die Forderung von 300.000 S samt höchstens 0,5 % Zinsen, 5 % Verzugszinsen und einer Nebengebührensicherstellung von 30.000 S eingetragen. Das Erstgericht bewilligte rechtskräftig die beantragte Zwangsversteigerung, wobei es in der Exekutionsbewilligung anführte, daß für die vollstreckbare Forderung in CLNR 4 das Pfandrecht einverleibt ist.

Nach Durchführung einer Tagsatzung verteilte das Erstgericht das von ihm angenommene Überbot eines Überbieters in der Höhe von 2,040.010 S samt Zinsen. Es wies der erstbetreibenden Partei nach einem ein Vorzugsrecht genießenden Gläubiger und einem Pfandgläubiger im Rang des auf der versteigerten Liegenschaft in CLNR 4 eingetragenen Pfandrechts an Kapital 55.358,09 S sowie 12,5 % Zinsen für die Zeit vom 27.2.1990 bis 22.7.1991 in der Höhe von 9.668,71 S und Kosten von insgesamt 25.405,98 S zur vollständigen Berichtigung durch Barzahlung zu. Den Rest des Überbotes verteilte es durch Zuweisung von Beträgen an weitere Gläubiger und der Hyperocha von 247.993,27 S an den Verpflichteten. Die Zuweisung an die erstbetreibende Partei, die ihre Forderung nicht angemeldet hatte und über deren Forderung in der Verteilungstagsatzung nicht verhandelt wurde, begründete es nicht.

Die erstbetreibende Partei bekämpfte diesen Verteilungsbeschluß des Erstgerichtes mit dem Begehren, ihr im Rang und auf Grund ihres Pfandrechtes einen weiteren Betrag von 195.459,04 S durch Barzahlung, hilfsweise durch zinstragende Anlegung, zuzuweisen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der erstbetreibenden Partei nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionrekurs nicht zulässig sei. Auf Grund der Erklärung der erstbetreibenden Partei im Exekutionsantrag, daß die Exekution, deren Einleitung bei dem für die Forderung einverleibten Pfandrecht angemerkt werden möge, zur Hereinbringung der restlichen Forderung bewilligt werden solle, sei davon auszugehen gewesen, daß die pfandrechtlich sichergestellte Forderung darüber hinaus nicht mehr bestehe. Über das Vorbringen im Exekutionsantrag könne aber bei der Verteilung des Überbotes nicht hinweggegangen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der von der erstbetreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil zu der im folgenden behandelten, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden und im Revisionsrekurs auch bezeichneten Rechtsfrage eine Rechtsprechung des Obersten Gerichthofs fehlt; er ist auch berechtigt.

Für den Fall, daß ein Gläubiger seine Forderung zur Verteilung des Meistbotes oder Überbotes (vgl § 215 Z 1 EO) nicht anmeldet, ergibt sich aus § 210 letzter Halbsatz EO, daß die Forderung zu berücksichtigen ist, soweit sie aus dem Grundbuch oder den Pfändungs- oder Exekutionsakten als rechtsbeständig und zur Befriedigung geeignet hervorgeht. Dem Rekursgericht ist daher zwar darin beizupflichten, daß auch auf eine Erklärung des betreibenden Gläubigers im Exekutionsantrag Bedacht zu nehmen ist. Es hat jedoch die dem Exekutionsantrag der erstbetreibenden Partei zu entnehmende Erklärung nicht richtig verstanden. Der Hinweis, daß es sich bei der betriebenen um eine "restliche" Forderung handelt, kann sich in seinem Zusammenhang nur auf jene Forderung oder jenen Teil der Forderung beziehen, für die der Exekutionstitel erwirkt und auch vorgelegt wurde. Es war dem Exekutionsantrag jedoch kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß sich das Wort "restlich" auf die ganze pfandrechtlich sichergestellte Forderung bezog. Das durfte auch nicht daraus abgeleitet werden, daß die erstbetreibende Partei die Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens im Rang ihres Pfandrechts begehrte. Es ist nämlich nicht denknotwendig, daß ein Urteil, das eine pfandrechtlich sichergestellte Forderung zum Gegenstand hat, immer die gesamte Forderung erfaßt, zumal es dem Gläubiger frei steht, nur einen Teil der Forderung einzuklagen und er oft mangels Fälligkeit eines Teiles der Forderung gar nicht berechtigt sein wird, die gesamte noch aushaftende Forderung geltend zu machen (vgl § 406 ZPO). Da der von der erstbetreibenden Partei vorgelegte Exekutionstitel, das noch im Akt liegende Versäumungsurteil, keine Entscheidungsgründe enthielt, ging auch daraus nichts anderes hervor. Da er nicht vom Erstgericht stammte, muß auch nicht erörtert werden, ob gegebenenfalls auf den Inhalt seiner Akten über den zum Exekutionstitel führenden Rechtsstreit hätte Bedacht genommen werden dürfen und müssen.

Aus dem Inhalt der Exekutionsakten ergibt sich demnach nur, daß die pfandrechtlich sichergestellte Forderung im Ausmaß der Differenz zwischen dem im Exekutionstitel angeführten Betrag von 94.738,96 S und dem betriebenen Betrag von 55.358,09 S und somit im Ausmaß von 39.380,87 S berichtigt ist. Nur in diesem Umfang hätte die pfandrechtlich sichergestellte Forderung der erstbetreibenden Partei daher mangels Anmeldung nicht berücksichtigt werden dürfen. Im übrigen wäre sie hingegen gemäß § 210 letzter Halbsatz EO auf Grund der Eintragung des Pfandrechts im Grundbuch zu berücksichtigen gewesen. Dies trifft allerdings nur auf das Kapital zu, weil nicht angemeldete Nebengebühren nur ausnahmsweise zu berücksichtigen sind (Heller-Berger-Stix II 1439 f; GlUNF 800, 7719; ZBl 1927/307) und die Voraussetzungen hiefür nicht aktenkundig waren.

Da die erstbetreibende Partei für den die betriebene Forderung übersteigenden Teil der pfandrechtlich sichergestellten Forderung Barzahlung nicht begehrt hat und diese daher gemäß § 223 Abs 1 EO durch Übernahme der Schuld durch den Ersteher zu berichtigen ist, muß nicht erörtert werden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die über die betriebene Forderung hinaus zustehende, sehr gering verzinste und möglicherweise noch nicht fällige Forderung im Sinn des § 223 Abs 3 EO und des hilfsweise im Revisionsrekurs gestellten Antrags zinstragend angelegt werden müßte (vgl hiezu Heller-Berger-Stix II 1535).

Gemäß § 212 Abs 1 EO haben die erschienenen Personen bei der Tagsatzung über die bei der Verteilung des Meistbotes (oder Überbotes) zu berücksichtigenden Ansprüche und die Reihenfolge ihrer Befriedigung zu verhandeln. Dazu gehören nicht nur die angemeldeten, sondern alle Ansprüche, die nach den gesetzlichen Bestimmungen bei der Verteilung zu berücksichtigen sind (Heller-Berger-Stix II 1450). Dies ergibt sich deutlich auch aus § 213 Abs 1 EO, wonach von den erschienenen Berechtigten nicht nur gegen die Berücksichtigung angemeldeter, sondern auch gegen die Berücksichtigung der aus den öffentlichen Büchern oder den Pfändungs- oder sonstigen Exekutionsakten zu entnehmenden Ansprüche Widerspruch erhoben werden kann. Was zu geschehen hat, wenn niemand zur Verteilungstagsatz erschienen ist, muß nicht erörtert werden, weil dieser Fall nicht vorliegt.

Gemäß § 212 Abs 2 EO sind nur solche Ansprüche, die selbst beim Ausfallen vorausgehender bestrittener Ansprüche aus dem Versteigerungserlös nicht zum Zug kommen würden, in die Verhandlung nicht einzubeziehen. Da dies auf die pfandrechtlich sichergestellte Forderung der erstbetreibenden Partei nicht zutrifft, hätte über sie daher ungeachtet des Umstandes verhandelt werden müssen, daß sie die erstbetreibende Partei nicht anmeldete. Dies wird das Erstgericht in dem entsprechend dem Rekursantrag fortzusetzenden Verfahren nachzuholen haben.

Für den Revisionsrekurs können der erstbetreibenden Partei Kosten schon deshalb nicht zugesprochen werden, weil das Rechtsmittel nur den nicht betriebenen Teil der pfandrechtlich sichergestellten Forderung betrifft und daher der Kostenzuspruch unabhängig von der im JB 201 vertretenen Ansicht einen Zwischenstreit voraussetzen würde. Über die Frage, ob die Bestimmungen des dem Pfandrecht der erstbetreibenden Partei zugrunde liegenden Schuldscheins die Zuweisung der Kosten rechtfertigen, ist hier nicht zu entscheiden.