JudikaturJustiz3Ob63/18p

3Ob63/18p – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** KG, *****, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lins KG in Bludenz, gegen die beklagte Partei B***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Konzett Kohlhaupt Folie Rechtsanwälte GmbH in Bludenz, wegen 55.883,81 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 1. Februar 2018, GZ 2 R 139/17h 73, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung können Dauerschuldverhältnisse durch einseitige Erklärung aus wichtigem Grund vorzeitig aufgelöst werden,

wenn einer Partei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses billigerweise nicht zugemutet werden kann. Als wichtige Gründe kommen insbesondere Vertragsverletzungen, der Verlust des Vertrauens in die Person des Vertragspartners oder schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse in Betracht, welche die Fortsetzung der vertraglichen Bedingungen nicht mehr zumutbar erscheinen lassen (RIS Justiz

RS0018305,

RS0027780).

Die Revisionswerberin zieht zu Recht nicht mehr in Zweifel, dass der in der Kooperationsvereinbarung der Parteien (ua) ausdrücklich als Grund für eine vorzeitige fristlose Vertragsauflösung vereinbarte Tatbestand der Nichteinhaltung der Zusage der Klägerin, ab Mai 2012 pro Jahr zumindest 1.000 hl Bier der Beklagten mehr abzunehmen als in den 12 Monaten vor Abschluss der Kooperationsvereinbarung, im Zeitpunkt der vorzeitigen Vertragsauflösung (Oktober 2014) erfüllt war.

2.

Wichtige Gründe, die die vorzeitige Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses rechtfertigen könnten, müssen bei sonstigem Verlust unverzüglich geltend gemacht werden. Bei langer Duldung des den Auflösungsgrund bildenden Sachverhalts kann ein stillschweigender Verzicht nach § 863 ABGB angenommen werden, wenn das Zuwarten mit der Auflösungserklärung unter Umständen erfolgt, aus denen mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibt, dass der Sachverhalt nicht mehr als wichtiger Auflösungsgrund geltend gemacht werden soll (8 Ob 97/16x = RIS Justiz

RS0131588). Bei der Beurteilung der Frage, ob ein schlüssiger Verzicht auf ein Recht vorliegt, ist generell besondere Zurückhaltung und Vorsicht geboten. Ein solcher Verzicht darf immer nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt ist (RIS Justiz

RS0014190 [T3]), und kein Zweifel möglich ist, dass das Verhalten des Berechtigten den Verzichtswillen zum Ausdruck bringen soll (RIS Justiz

RS0014217 [T2]).

Die Klägerin hat ihre in der Kooperationsvereinbarung übernommene Verpflichtung zur Mehrabnahme von Bier der Beklagten zwar bereits im ersten Jahr nach Vertragsabschluss nicht eingehalten. Allerdings hat sich die von ihr abgenommene Biermenge während des Vertragsverhältnisses trotz der angesichts des (mehrfach zwischen den Parteien thematisierten) Nichterreichens der Zielmenge gewährten Hilfestellungen der Beklagten (insbesondere Einräumung eines zusätzlichen Rabatts von 10 %) nicht nur nicht erhöht, sondern sogar sukzessive reduziert; dies war nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass die Klägerin ab dem Sommer 2014 ein von ihr selbst produziertes Bier auf den Markt brachte und bewarb, also nicht jenes der Beklagten, sondern vielmehr ihr „Eigenbier“ als (Konkurrenz )Produkt forcierte.

Dass das Berufungsgericht einen schlüssigen Verzicht der Beklagten auf die vorzeitige Vertragsauflösung wegen der zu geringen Abnahmemenge im vorliegenden Einzelfall verneinte, ist daher jedenfalls nicht als unvertretbare Fehlbeurteilung zu beanstanden.